Modewoche Mailand:Breite Schultern statt Sorgenfalten

Aller Krise zum Trotz präsentierten sich die Designer in Mailand mit einer der stärksten Saisons seit langem.

Peter Bäldle

Nach New York und London trägt nun also auch Mailand Krise. Keine Kollektion wird während der Schauen für den kommenden Herbst/Winter heftiger diskutiert als die Auswirkungen der weltwirtschaftlichen Talfahrt auf das Geschäft mit der Mode.

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Die Krise hat längst die Modebranche erreicht. Dolce&Gabbana wiederholen in ihrer neuen Kollektion das Motiv Puffärmel - das seit vielen Epochen wiederkehrt.

(Foto: Foto: dpa)

Der Motor ist dabei nicht diffuse Panikmache, sondern die knallharte Realität: Im triangolo d'oro, Mailands goldenem Shopping-Dreieck zwischen Via della Spiga und Via Montenapoleone, sollen die Umsätze im Vergleich zum Vorjahr um 40 Prozent gesunken sein.

Blankes Entsetzen ruft auch das Eingeständnis von Saks Fifth Avenue, New Yorks feinem Department Store, hervor, das vergangene Jahr mit einem Verlust von 99 Millionen Dollar abschließen zu müssen.

Wen wundert es da, wenn sich die Reihen in den Defilees lichten? Einkaufsteams kommen in halber Besetzung, fliegen nur noch Economy und wohnen in preisgünstigen Hotels. Aber auch die Reihen der Presse sind dünner besetzt. Und mit Sorge nimmt man zur Kenntnis, dass nicht wenige Modehäuser ihre Werbe-Etats um ein Drittel kürzen wollen.

Bombe geplatzt

Wie eine Bombe platzt da zum Kollektionsauftakt die Nachricht vom Bankrott der IT-Holding SPA, eines von Italiens großen Modeunternehmen. Prompt wird das Defilee von "Just Cavalli" gestrichen, der jungen Linie des Florentiner Modemachers, die zur Holding gehört - was jedoch nur wenige ernsthaft bedauern.

Mit Bestürzung jedoch wird aufgenommen, dass auch die Kollektion von Gianfranco Ferré, dessen Modehaus das Unternehmen noch vor dem Tod des Designers erworben hat, nicht gezeigt werden soll.

Zum Glück für Mailands Mode sollte sich dies als Gerücht erweisen! Denn Tommaso Aquilano und Roberto Rimondi, Ferrés junges Nachfolger-Tandem, beweisen mit ihrer zweiten Saison und einer der schönsten Kollektionen überhaupt, dass sie endgültig im Olymp von Mailands Modegöttern angekommen sind.

Im Zeichen der Krise verordnen sie nun Ferrés Frauen breitgepolsterte Powerschultern im Stil der achtziger Jahre zur Schärpentaille mit Schößcheneffekt. Als Farbe lassen sie nur Schwarz gelten, mal samtig schimmernd, mal taftig glänzend, für schmale Hosen oder kurze Röcke über ebenfalls schwarzen Beinen. Dazu passen Knöchelstiefeletten mit Plateausohlen und mörderisch hohen Absätzen.

Ideenreiche Rezessionsmode

Wie perfekt die beiden Jungs aus Mantua, die ihr Handwerk beim Mantelhersteller Max Mara gelernt haben, das Metier beherrschen, stellen sie auch in ihrer eigenen Kollektion unter Beweis. Dafür verbinden sie das Flair der Couture aus den vierziger Jahren mit dem feministischen Selbstbewusstsein der Achtziger. "Wenn Rezessionsmode so ideenreich und schön aussieht, dann meinetwegen", kommentiert Christiane Arp, Chefredakteurin der deutschen Vogue, spontan und ehrlich begeistert.

Bezeichnenderweise hat Mailand, aller Krise zum Trotz, eine seiner stärksten Saisons seit langem. Es ist, als ob man mit einem Übermaß an Kreativität die Skepsis und Zurückhaltung gegenüber Mode überwinden möchte. Ob dies mit den Silhouetten aus den achtziger Jahren gelingt? Auch andere Designer versuchen mit Hilfe von Powerschultern den Frauen Haltung zu vermitteln in schwieriger Zeit.

Giorgio Armani interpretiert sie elegant und umgibt sie mit Marlene-Flair durch Lackkappen zu blassgeschminkten Gesichtern mit blutroten Vamplippen. Guccis Frida Giannini empfiehlt metallisch glänzende Anzüge und lässig drapierte Glitzertuniken über hautengen Lederhosen. Rock'n'Roll-Allure. Und Roberto Cavalli zitiert mit kurzen, wuchtigen Lederblousons über mit Ösen belochten Hängerkleidchen Claude Montana und Azzedine Alaia, die beiden Kultdesigner der Eighties-Dekade.

Nur Miuccia Prada schert da aus und geht eigene Wege. Zwar huldigt auch sie dem neuen weiblichen Selbstbewusstsein mit breitgepolsterten Männerschultern an doppelreihig geknöpften Jacken aus dicken Mantelstoffen, kombiniert aber neben geschlitzten Miniröcken weite Shorts über schenkelhohen Anglerstiefeln dazu. Kein schlechtes Rezept in Zeiten, wo einem zuweilen das Wasser bis zum Hals stehen könnte!

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