Modewoche in Italien:Mailänder Allerlei

Im nächsten Frühjahr und Sommer trägt die Frau: mörderische Plateaus, knallbuntes Patchwork und einen Hauch von Afrika.

Peter Bäldle

Tutto Milano schmiss sich in Schale, um das achtzigjährige Bestehen des Hauses Salvatore Ferragamo mit einer großartigen Ausstellungseröffnung im Triennale-Palast zu feiern. Man hätte ein Tausendfüßler sein mögen, um all die Schuhe zu tragen, die der Großmeister seiner Zunft für die Stars angefertigt hat: Sandalen für Rodolfo Valentino, Plateauschuhe für Carmen Miranda, Keilsohlen für Ava Gardner, Schnürpumps für Marlene Dietrich und glitzernde Stöckelschuhe für Marilyn Monroe.

Mailänder Modewoche, Marni, AP

Modisches Häppchen: Bei den Schauen in Mailand präsentiert Marni ein knallbuntes Flickwerk.

(Foto: Foto: AP)

In den Achtzigern verheddert

Leider war die Mode des Hauses bei den Designerschauen für Frühjahr/Sommer 2009 in Mailand nicht ähnlich inspirierend. Die Designerin Cristina Ortiz verheddert sich in all den neuaufgelegten Plissierungen und Drapierungen aus den achtziger Jahren so sehr, dass es für die Trittsicherheit der Schuhe spricht, dass kein Model vom Laufsteg purzelt.

Bei Miuccia Prada haben sie weniger Glück. Liegt es an den dicken Plateausohlen mit den turmhohen Absätzen oder an den Pumps, die mit Plastikbändern am Fuß festgeknotet sind, jedenfalls schaffen nicht alle die Zitterpartie zum Ausgang, ohne zuvor mit dem Parkett Bekanntschaft zu machen. Nicht weniger befremdend, was sie tragen: wadenlange Rockfutterale mit Schößchen, dazu kurze Jacken mit freigelegten Büstenhaltern unter drapierten Dekolletés.

Aus papierartig geknitterten Materialien, sehen sie aus wie mit der heißen Nadel genäht. In eigentümlichem Kontrast dazu: die porzellanzarten Gesichter der Mädchen mit ihren elegant à la Cindy McCain eingeschlagenen Haaren. "Primitivismus - zurück zur Essenz der Dinge", hat Miuccia backstage gesagt. Und Elvis hat dazu sinnliche Balladen vom Band gesungen.

Modischer Mischmasch

Bei den jungen und alten Wilden verschiedenster Kunstgattungen scheint sich auch Consuelo Castiglioni für ihre Marni-Kollektion umgesehen zu haben. Eigentlich passt nichts zusammen, was aufeinander trifft. Große Farbtupfer fügen sich zu graphischen Spitzentuniken über blau-beige karierten Röcken. Wischmuster in Keramikfarben erinnern an die Nierentisch-Zeit. Dazu werden Kniestrümpfe mit seitlichem Rennstreifen getragen zu den obligatorischen Plateaupumps mit keulendickem Absatz. Üppige Colliers mit Plastikblüten mildern die stofflichen und farblichen Dissonanzen.

Auch für Jil Sander hat sich Raf Simons von der primitiven Kunst Schwarzafrikas inspirieren lassen. Das Defilee ist beeindruckend: ein Amazonenstamm mit klaren Gesichtern, straff zurückgekämmten Pferdeschwanzfrisuren und feinen, juwelenbesetzten Pfeilen als Ohrschmuck. Die Models tragen Bodysuits in erdigen Farbtönen unter Überwürfen aus langen Seidenfransen. Fransen auch an den Handtaschen oder im Rücken klarliniger Jacken, deren einzelne Partien in unterschiedlichen Längen enden.

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Mailänder Allerlei

Debüt der Youngsters

Die Mode verändert sich. Das Spiel mit Weiten und Volumen nimmt Konturen an, wenn Designer versuchen, sie mit Hilfe weicher und trotzdem konsistenter Materialien zu interpretieren. Sind es bei Brioni glacierte Leinen und taftige Seiden, die voluminösen Manteljacken Stand vermitteln, so verarbeitet Tomas Maier für Bottega Veneta handschuhweiches Leder in Cognacfarben zu Kuppelröcken und Kleidern in Kokonform.

Am eindrucksvollsten aber sind die Silhouetten, mit denen Roberto Rimondi und Tommaso Aquilano ihren Einstand als Designer bei Gianfranco Ferré feiern. Die beiden Newcomer, die in nur wenigen Saisons mit Schnittperfektion und Couture-Feeling auf sich aufmerksam machen konnten, beziehen sich nun auf Ferrés große Zeit in den frühen achtziger Jahren.

Und so zeigen knapp taillierte Kostüme wieder Powerschultern und abstehende Schößchen. Korsagen formen sich zu Calla-Blüten oder haben Flügelvolants im Rücken. Wer glaubt, dass die beiden Youngsters nur Mode als Fiktion können, wird mit ihrer eigenen Kollektion eines Besseren belehrt.

Bei ihr ziehen sie großzügige Manteljacken über lässige Tuniken und wadenlange Röcke aus fließendem Satin. Lange Ketten mit dicken Ambraperlen und ägyptische Fes-Hüte aus weinrotem Samt erinnern an die Glanzzeiten von König Faruk.

Schwelgen Aquilano und Rimondi vor allem in den reichen Farben des Orients, so nimmt Christopher Bailey bei Burberry ein Bad auf der Tenne. Mit Khaki- und Heublumentönen, Rauchblau und Staubgrau bringt er ganz nebenbei die Mode mit der Ökologie in Einklang. Streublümchen und sanfte Farbverläufe unterstreichen die Wirkung an ungefütterten Trenchmänteln und Mädchenkleidern mit loser Taille.

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