Mode von Ralph Lauren wird 40:Der perfekte Dandy

1967 entwarf Ralph Lauren seine erste Krawatte, dann schneiderte er die Kostüme für den Film "The Great Gatsby", heute ist das Logo mit dem Polospieler das Gütesiegel für "American Chic".

Antje Wewer

Sein Trick ist sehr simpel. Ralph Lauren verkauft Ihnen nicht einfach nur ein ausgewaschenes Polo-Shirt. Mit in die schicke, dunkelblaue Papiertüte wird ein ganzer Lebensstil gepackt. In dem Moment, in dem Sie das Shirt aus dem knisternden Seidenpapier wickeln, es überstreifen und die Augen schließen, passiert folgendes: Sie driften ab, in "Lauren's World". Eine Welt mit endlosem blauen Himmel, weißen Stränden und knallgrünem Rasen. Die Frauen haben roséfarbene Wangen, die Männer eine leichte Sommerfrische im Gesicht und die Kinder von der Sonne ausgeblichene Haare. Sie strahlen das aus, was wir uns alle wünschen: ein gutes Leben.

Ralph Lauren ist der gelebte "American Dream", ein Selfmademilliardär, der als einfacher Verkäufer bei Brooks Brothers anfing und vierzig Jahre später ein weltbekanntes Lifestyle-Imperium mit einem Quartalsumsatz von 750 Millionen Dollar regiert. Der Sohn jüdischer Russen ist in der Bronx groß geworden, dem Stadtteil, aus dem auch andere Emporkömmlinge wie Jennifer Lopez, Al Pacino und Calvin Klein stammen.

Laurens Sehnsucht nach Schönheit entstand damals, als er sich das Zimmer mit zwei Brüdern teilte, sein Vater Frank als Maler (Anstreicher, nicht etwa Künstler) den Unterhalt für die Familie verdiente, und der kleine Ralph noch mit Nachnamen Lifshitz hieß. Mit 25 Jahren taufte er sich in Lauren um, weil ihn die kleine Silbe "shit" störte und er sich einen Namen wünschte, der amerikanischer klingt.

Bereits als 16-Jähriger arbeitete er als Verkäufer bei einem Herrenausstatter. Kaum Geld in der Tasche, besorgte sich der junge Mann mit den eisblauen Augen günstig Stoffe und ließ sich in der Bronx Anzüge nach seinen Vorstellungen schneidern. Sie sollten gut sitzen und englisch aussehen, was immer das auch heißen mochte; denn Lauren hatte damals keine Ahnung davon, was der britische Stil genau ist.

Dafür hatte er schon das, was im Modebusiness mehr zählt als gute Schnittführung: Visionen.

Seine erste sah so aus: zu Schlaghosen und großen Revers braucht es unbedingt eine breite Krawatte. Also schlug Ralph, der inzwischen Lauren hieß, seinem Chef von "Beau Brummell Ties" vor, anstatt schmaler Krawatten doch mal auf Schlipse mit auffälligen Mustern zu setzen. Lauren nahm einen Kredit auf, entwarf 1967 seine erste flamboyante Krawatten-Kollektion und gründete damit "Polo Fashions".

Der sensationelle Erfolg seiner Krawatten ermöglichte ihm kurze Zeit später, eine erste Männerkollektion auf den Markt zu bringen. Sein Polospieler-Logo nähte er zum ersten Mal in ein hellblaues Button-Down-Hemd. Vierzig Jahre später ist sein Logo weltweit das Gütesiegel für "American Chic" und gleichzeitig Hassobjekt von "No Logo"-Verfechtern und Attac-Jüngern.

Der markante Polo-Spieler wurde in den siebziger Jahren zum Erkennungsmerkmal der "Preppies" (gut und teuer gekleidete Familien, die ihre Kinder in preparatory schools schickten), und in den Achtzigern der "Yuppies" (Young Urban Professionals). Den Polospieler wählte der Autodidakt, weil er nach Sportswear und Dynamik aussieht - Polo gespielt hat Ralph Lauren bis heute nicht. Er fährt lieber Ski. Als er 1984 seine häufig kopierte Safari-Kollektion auf den Markt brachte, hatte er weder eine Safari gemacht, geschweige denn war er in Afrika gewesen. Was mal wieder bewies, dass Laurens größtes Talent seine Vorstellungskraft ist. Er entwirft seine Welt immer noch einen Tick schöner, bunter und perfekter, als sie in Wahrheit ist. Ralph Lauren ist nicht der Mann für das Grobe, er will nicht verstören, es will gefallen. Und er gefällt. Nicht nur den Amerikanern.

Nachdem er 1986 seinen ersten Flagship-Store auf der Madison Avenue eröffnet hat, machte er einen an der Place de la Madeleine in Paris auf. Damit ist er der erste amerikanische Designer in Paris. Sein "American Chic" kommt auch in Europa an, seine Hemden in Bonbonfarben und Tweed-Sakkos mit Wildlederflecken werden von englischen Aristokraten genauso gerne getragen wie von Hamburger Bankern. Seine Mode transportiert bis heute das Lebensgefühl der Ostküsten-Elite. Jenes Schlages liberaler Amerikaner, mit dem sich ein Europäer auch im Jahr 2007 noch identifizieren möchte.

Den Ritterschlag der Briten erhielt Lauren im vorigen Jahr: Seither entwirft er Outfits für die Schiedsrichter und Balljungen von Wimbledon. Er ließ sich navyblaue Zwei-Knopf-Blazer, weiße Umlegekragen zum hellblauen Hemd, grün-blaue Club-Krawatten und schöne Wappen einfallen. Das alles sieht nach Tradition aus, die es so nie gab und die wieder einmal Ralph Laurens Phantasie entsprungen ist. Der Tennisclub war entzückt, die britische Vogue schmiss eine Party, und der Junge aus der Bronx war endlich da angekommen, wo er schon so lange hinwollte: in Old Europe.

Das zumindest signalisieren die Zahlen. Mit zehn Milliarden US-Dollar gehört seine Marke zu den umsatzstärksten Modehäusern der Welt. Lauren selber ist an seiner Marke mit 89 Prozent beteiligt. Von sich sagt der 67-jährige, er sei inzwischen so beschäftigt, dass er "kaum noch Zeit hat, auf Toilette zu gehen". Kein Wunder, bei 300 Stores weltweit, mehr als 13.000 Angestellten und einem Dutzend Kollektionen: Purple Label, Blue Label, Black Label, Ralph Lauren Golf, Lauren, Collection, Chaps, RRL, Polo Jeans Co., RLX und Ralph Lauren Home. Letztere launchte er bereits 1983 und ebnete damit den Lifestyle-Weg für alle anderen Designer.

Die Ideen scheinen Lauren, der nie eine Modeschule besucht hat, nicht auszugehen. Tatsächlich hat er es geschafft, seine Art der Eleganz über zwei Generationen hinweg zu etablieren. Trägt der Vater seine farbenfrohen Polo-Shirts, will sein Sohn sie auch. Vielleicht stellt er den Kragen keck hoch, aber das war es dann auch schon mit der Abgrenzung.

Der perfekte Dandy

Seine Mode ist die perfekte Verkörperung des White-Anglo-Saxon Protestant, (des "WASP"), der Schicht, die in Amerika das Sagen hat. Ralph Lauren hatte nie Berührungsängste, er macht sich alle amerikanischen Mythen zunutze. Eastcoast-College-Chic mit Nadelstreifenhemden und Kaschmir-Pullover), Westernstyle mit Jeanshemd und Cowboyboots, den Navajo-Look (Santa Fe Kollektion).

Selbst vor Stars & Stripes macht er nicht halt und lässt die amerikanische Flagge auf seine Shetlandpullover nähen. Das sei keinesfalls ein politischer Akt gewesen, es ginge ihm lediglich darum, eine Art Aufbruchstimmung zu symbolisieren. Später druckt er die Flagge auch auf Blecheimer, in denen er seine Ralph-Lauren-Wandfarbe verkauft. Der Farbton: weiß, uramerikanisch.

Laurens Ziel: "Weder in noch out zu sein. Ich mache Mode für Menschen, die eigentlich nicht modisch sein wollen." Seine Stilikonen sind Cary Grant, Audrey Hepburn und Frank Sinatra. Das schlichte Geheimnis seines Erfolgs: Er weiß, für wen er kreiert. Er kennt seine Kundschaft, weiß, welche Autos sie fährt, wie sie ihre "Estates" in den Hamptons einrichtet (Clubsessel, Patchwork-Kissen, Whiskey-Tumbler) und wovon sie nachts träumt (a good Life, forever). Genau dieses lässige Leben zeigt er ihnen immer wieder aufs Neue in seinen Kampagnen, die er wie Filme inszeniert. Sie spielen in großen Villen am Meer, auf Segelbooten mit Teakholzdeck und in efeuumrankten Landhäusern. Ralph Lauren ist immer mit am Set und ein Perfektionist, was die Inszenierung angeht.

Ein ehemaliger Mitarbeiter berichtet, dass der Designer jedes Detail bestimmt. Die Farbe des Caffè Latte, das Alter des Tennisschlägers, das Holz des Schaukelstuhls und die Farbe des Golden Retrievers, der durchs Bild springt. Seine Läden sind zwar auf der ganzen Welt individuell gestaltet, propagieren aber "American Gemütlichkeit": Schwere Ledersessel, Ahnen-Ölbilder, Blumengebinde, gerahmte Fotos von Sportmannschaften. Sie erzählen eine Geschichte, die es so nicht gibt und dann wieder doch, weil Ralph Lauren sie für uns geschaffen hat. Mit einer Akribie und Leidenschaft, die das Lauren-Universum für viele so authentisch macht.

Für "The Great Gatsby" entwarf Lauren 1974 die Kostüme und steckte Robert Redford in einen pinkfarbenen Anzug, der Redford zur Inkarnation des perfekten Dandys und Lauren zum Hausdesigner des Hampton-Jetsets machte. In der Tat: Was wären die Hamptons ohne Ralph Lauren? Ein besonders schöner Landzipfel mit großartigem Strand. Der All-American-Strandspaziergang, er ist aber erst dann perfekt, wenn man zum zitronengelben Polo-Shirt eine lässig aufgekrempelte Chino trägt.

Eine Welt, die auch Neider auf sich zieht. "Es ist zu schön hier für hässliche, arme Menschen", soll Lauren angeblich auf einer seiner Hampton-Partys geflüstert und damit vielen aus der Seele gesprochen haben. Das Gerücht hat sich indes nie bestätigt, Klatsch über ihn ist kaum bekannt. Ab und zu gibt er ein Interview, meist in Anwesenheit seiner Pressefrau. Über Politik und Religion äußert er sich "never ever" in der Öffentlichkeit.

Noch dazu ist Lauren ein anständiger Kerl, der mit seiner Frau Ricky seit 43 Jahre verheiratet ist und es geschafft hat, drei Kinder im Luxus großzuziehen, ohne dass sie durchgedreht sind.

Sein Sohn David ist bei ihm eingestiegen, als Vizepräsident für das Marketing verantwortlich, und geht mit Lauren Bush, der Nichte des Präsidenten, aus.

Der ältere Sohn Andrew interessiert sich nicht für Mode und ist der Chef einer kleinen Filmproduktion, die zuletzt den Arthouse-Film "The Squid and the Whale" produziert hat.

Die Tochter Dylan hat an der Upper East Side, nicht weit von Daddys Flagshipstore, ihr eigenes Imperium aufgebaut: Dylan's Candystore. Die 31-Jährige verkauft dort Lakritzschnecken, Lollipops und Schweizer Schokolade an die Park-Avenue-Prinzessinnen. Das Startkapital nahm sie zwar von ihrem Vater an, nicht aber seine Ratschläge. Er empfahl ihr Pünktchen für das Logo, sie setzte auf Streifen. Er sagt, ihre T-Shirts würden nach Souvenir-Shop ausschauen, Dylan kontert, sie seien sexy. Schon als 16-Jährige gab sie ihm einen Korb, als er ihren Namen für eins seiner Parfums benutzen wollte. "Ich wollte meinen Namen für ein eigenes Projekt aufsparen", sagt Dylan Lauren, die gerade weitere Shops in Houston und Orlando eröffnete.

Ralph Lauren besitzt ein Luxus-Apartment in der Fifth Avenue, eine Villa in Bedford, NY, eine 16 000-Hektar-Farm in Colorado, ein Anwesen auf Jamaika und ein Strandhaus in den Hamptons. Seine Oldtimer-Sammlung ist legendär, er lässt sich mit dem Bentley durch Manhattan kutschieren und fliegt am Wochenende mit dem Hubschrauber in die Hamptons. Er ist das, was man einen "big spender" nennt - er gibt sein Geld mit vollen Händen aus. Der Amerikaner an sich hat damit kein Problem:"Work hard, play hard".

Zumal Ralph Lauren seit Beginn seiner Karriere in Charity-Aktionen investiert. Er gründete das "Nina Hyde Center" für Brustkrebsforschung, das Ralph Lauren Center für Krebs-Prävention in Harlem, spendete 13 Millionen Dollar, um das Original-Sternenbanner zu konservieren und entwarf die "Pink Pony" Kollektion, aus der 20 Prozent des Erlöses an die Brustkrebshilfe gehen.

Natürlich gibt es immer wieder Kritiker, die erzürnt von einer fortschreitenden Ralph-Laurenisierung der Welt sprechen und anzweifeln, ob er überhaupt ein Modeschöpfer sei und nicht einfach nur ein famoser Geschäftsmann, der sich immer wieder selbst kopiert. "Ralph Laurens Innovation war es, der amerikanischen Sportswear eine Identität zu geben", verteidigt Karl Lagerfeld dagegen seinen Kollegen und nennt ihn einen American Gatsby-Dream-Designer.

Und Suzy Menkes, die Modekritikerin der International Herald Tribune, schrieb über seine aktuelle Kollektion, dass sie zwar vorhersehbar und durchaus kitschig sei. Man müsse es Lauren aber lassen, dass es ihm immer wieder gelänge, eine neue Modernität zu erfinden. Das ist nach 40 Jahren in der Mode nicht das schlechteste Urteil.

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