Mode: Haute-Couture in Paris:Totgesagte leben länger

Brustpanzer aus Gold, versilberte Straußenfedern und der Luxus, die Einzige im edlen Gewand zu sein: Was ist eigentlich Haute Couture? Am Montag beginnen die Schauen.

Tanja Rest

Als im Januar 2006 eine goldgelockte und streng in Schwarz gekleidete Dame auf ihren Platz in der ersten Reihe bei Gaultier zusteuerte, fand sie dort ein Schild mit der Aufschrift "Madame Riche" vor, was bildlich verstanden Dreierlei besagt. Erstens, die Haute Couture ist so groß, dass keine Geringere als die Godmother of Pop am Laufsteg sitzt. Zweitens, die Haute Couture ist so groß, dass sie es sich leisten kann, den Namen von Madonnas Ehemann Guy Ritchie falsch zu buchstabieren. Drittens, "riche", französisch für reich, sollte die Kundin schon sein; um mit Karl Lagerfeld zu sprechen: "Haute Couture ist eine exklusive Kammermusik für die Privilegierten dieser Welt."

christian dior haute couture mode

Teure Prinzessinnen - eine Couture-Phantasie von Christian Dior.

(Foto: Foto: Reuters)

Am Montag beginnt in Paris mit patriotischem Tremolo wieder jenes dreitägige Ritual der Schauen, ein Hohelied der Schneiderkunst und zugleich ihr Abgesang. Denn, Mesdames et Messieurs: Wer bitteschön kann sich diese Kleider im Frühjahr/Sommer 2007 noch leisten? Diese Frage ist berechtigt. Und außerdem völlig überflüssig.

Die letzten Mohikaner

59 Couture-Häuser gab es nach dem Zweiten Weltkrieg, Anfang der Neunziger waren es noch 24, und mit Yves Saint Laurent sagte 2002 die wichtigste Marke Adieu. Heute hat der stolze Club der "Chambre Syndicale de la Haute Couture" gerade mal zehn Vollmitglieder: Adeline André, Chanel, Dior, Lacroix, Dominique Sirop, Ungaro, Franck Sorbier, Givenchy, Gaultier und Jean-Louis Scherrer.

Wundern darf man sich darüber nicht, denn das noble "Couture"-Label ist teuer erkauft: Voraussetzung ist eine Pariser Adresse, eine Mindestzahl von zwanzig "Petits Mains" ("kleine Hände", wie die Näherinnen liebevoll genannt werden) sowie die Teilnahme an den Schauen, bei denen mindestens 35 Modelle gezeigt werden müssen. Weil diese Vorgaben immer schwerer zu erfüllen sind, drückt die Chambre aber großzügig ein Auge zu: Geladen werden auch Armani, Valentino und Elie Saab, die sich die Pariser Adresse allesamt gespart haben.

Kunst und Kapital

Die Couture ist die wohl einzige Sparte der Welt, die im Idealfall mit Geldverschwendung Gewinn macht. Bis zu vier Millionen Euro lassen sich die Stardesigner ein Defilee kosten, die Kunstwerke auf den Laufstegen kauft kaum jemand - aber als Werbeflächen sind sie eben auch unbezahlbar. Haute Couture, gerade weil sie so versponnen und weltfern ist, mehrt den Ruhm der Marke. Geld verdient man dann mit dem Prêt-à-porter, mit Schuhen, Parfums, und It-Bags.

Die Formel1 der Mode

"Die Haute Couture ist für die Mode eine Art Forschungs- und Kreativlabor, so wie die Formel1 für die Automobilindustrie", sagt Sidney Toledano, der Präsident von Dior. Während ein Prêt-à-porter-Modell noch halbwegs trag- und bezahlbar sein muss, regiert bei der Couture allein die Phantasie und Kunstfertigkeit des Schöpfers.

Ganz nebenbei wird so ein ganzes traditionsreiches Gewerbe am Leben gehalten: die Pariser Handarbeit, die Näher, Sticker, Hutmacher, Perlenmeister und Federkünstler. Keine Nähmaschine und schon gar kein Computer kommt zum Einsatz. Jede Steppnaht, jede Stickerei, jede einzelne Pailletten-Applikation wird im Verlauf von bis zu tausend Arbeitsstunden von Hand gemacht.

Atlasseide, Duchesse-Satin, Feueropale und Florentiner Tüll - schon die Namen der verwendeten Materialien singen eine feine Melodie. Grundsätzlich gilt: je kostbarer und exaltierter, desto besser. Die Brustpanzer aus Blattgold, Reifröcke aus versilberten Straußenfedern und mit Abertausenden Perlen bestickten Abendkleider werden ihrer zukünftigen Besitzerin auf den Leib geschneidert.

Totgesagte leben länger

Da macht es auch nichts, wenn sie von den Maßen einer Naomi Campbell weit entfernt ist: "Sie müssen nicht schön sein", soll der Modeschöpfer Cristóbal Balenciaga einmal zu einer Kundin gesagt haben, "meine Kleider erledigen das für Sie." Eine Robe kostet 15000 Euro aufwärts, mitunter auch 100000 Euro. Dafür kann sich die Trägerin ziemlich sicher sein, dass sie keiner zweiten Dame im gleichen Modell begegnen wird: Die Stückzahl liegt bei maximal zehn Exemplaren; pro Kontinent werden sicherheitshalber nicht mehr als zwei verkauft.

Das Vergnügen der paar Hundert

In den ersten Reihen der Couture-Defilees sitzen Würdenträgerinnen wie Bernadette Chirac und Catherine Deneuve, Popstars wie Madonna, Cher und Vanessa Paradis, Society-Ladies wie Ivana Trump sowie die erste Garde von Hollywoods leading actresses, auf der Suche nach dem Oscar-Stück. Man darf sich sicher sein, dass man einige Roben von Chanel, Dior und natürlich Valentino auf dem roten Teppich des Kodak Theater wiedersehen wird.

Ebenso sicher ist aber auch, dass die Damen für ihre Roben nichts bezahlt haben - es sind meist nur Leihgaben. Ein Abendkleid im Wert einer Luxuskarosse ist selbst für einen Filmstar kein Klacks. Die Schauspielerin Liz Hurley, mit einem Kosmetikvertrag und einem mindestens achtstelligen Verlobten gleich doppelt gesegnet, gab kürzlich seufzend zu Protokoll, die Kleider seien doch "ein wenig teuer".

Bleiben also etwa dreihundert Damen, die kommende Woche in Paris tatsächlich einkaufen werden. Es sind dies einige Amerikanerinnen und Europäerinnen, diverse arabische Prinzessinnen, dann die auch nicht mehr ganz "neuen Russinnen" und die tatsächlich neuen Chinesinnen aus Peking und Schanghai.

Die Leiche lebt

"Die Haute Couture ist am Ende, denn sie ist in den Händen von Männern, die Frauen nicht leiden können." Dieser Satz stammt aus dem Jahr 1967; gesagt hat ihn Coco Chanel. Seither ist keine Saison vergangen, in der die Pariser Luxus-sparte nicht mit großer Geste totgesagt worden wäre. Und doch lebt sie, wenn auch leicht angeschlagen.

Immer weniger Designer entwerfen Couture, immer weniger Frauen kaufen sie, gleichzeitig hat das Prêt-à-porter an Glamour zugelegt und der "gehobenen Schneiderei" einiges von ihrer ursprünglichen Bedeutung genommen. Dem gegenüber steht die Zahl 8,3 Millionen: So viele Menschen besitzen derzeit ein Finanzvermögen von mehr als einer Million Dollar; in zehn Jahren sollen es doppelt so viele sein.

Wenn sich die Branche auf eins verlassen kann, dann auf die Sehnsucht der neuen Reichen nach altem Glanz. Und auf Cocos Erben Karl Lagerfeld natürlich: Solange es Chanel gebe, solange gebe es auch die Haute Couture, hat er erklärt. Na bitte.

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