Mein erstes Mal (2): Ski fahren mit Helm:Die Über-Mütze

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Wie kriegt man einem bekennenden Frischluft- und Ohren-frei-Fanatiker einen Helm auf den Dickkopf? Gar nicht mal so einfach.

Thomas Becker

Skimützen sind mir ein Graus. Irgendein wollenes, schweißtreibendes, womöglich gar kratzendes Gewebe auf dem Schädel: bloß nicht! Da muss es schon richtig zapfig kalt sein und mindestens in Orkanstärke über die Piste pusten, bis ich mir so einen Ohrenschutz gönne. Das war eigentlich schon immer so, hätte sich in den nächsten Dekaden wohl auch nicht mehr geändert, wenn, ja, wenn nicht plötzlich der Helm über uns gekommen wäre, sozusagen als Über-Mütze.

Der Helm, das unbekannte Wesen (Foto: Foto: Uvex)

In der Kinderwelt hat er sich ja schon länger etabliert - und das natürlich vollkommen zu Recht. Die zarten Kinderköpfe: Da muss man doch drauf aufpassen, rief das Heer der Vernünftigen. So weit, so gut. Vor ein paar Jahren ging es dann mit den Radlern los. Mit einem Mal musste jeder so einen hässlichen Kopf-Topf tragen. Was für die süßen Kleinen galt, sollte jetzt auch für uns Alte gelten? Zugegeben: Bislang war in unserer altersweisen Argumentationskette ja doch immer dieses Loch: "Und warum musst du keinen Helm anziehen, Papa?"

Aber beim Skifahren ist das natürlich anders. Gewesen. All die Jahre. Ski fahren mit Helm: Das war was für Kleinkinder und Abfahrtsläufer. Jetzt ist es: Irgendwie behelmt. Rückenverstärkt. Gepolstert. Kniegeschützt. Der Skifahrer von heute kommt fast so ausstaffiert daher wie ein Eishockeyspieler. Fehlt nur noch der Mundschutz. Muss das denn alles sein?

Rein vernunftmäßig betrachtet, ist die Sachlage eindeutig: Jeden Winter verzeichnet der Deutsche Skiverband etwa 6000 Kopfverletzungen - deren Großteil durch das Tragen eines Helms vermieden werden könnte. In Südtirol, wo seit drei Jahren eine Helmpflicht für Kinder unter 14 Jahren gilt und Eltern mit Geldstrafen zwischen 30 und 150 Euro belangt werden können, ist die Zahl der verletzten Kinder mit schweren Hirntraumata auf null zurückgegangen.

Zwar besteht der Mensch nicht aus Vernunft allein, doch er lässt sich zuweilen eines Besseren belehren. Besucht also im Pitztaler Skigebiet Hochzeiger den Workshop eines Helmherstellers, lässt sich die Vorteile eines Protektoren-Rucksacks demonstrieren und erfährt staunend, wie man aus handelsüblichen Skischuhen Maßanfertigungen macht.

Die Vorzüge eines Skihelms (sicherer, wärmer, vernünftiger!) sind ja leicht eingängig. Aber wie sieht es in der Praxis aus? Erster Eindruck: Die Dinger sehen gar nicht mal schlecht aus. Klassisches Uni-Schwarz oder doch lieber den wilden Tiger-Look? Auch die Handhabung ist selbst für technisch unbedarfte Menschen absolut machbar: Ein Band im Inneren des Helms lässt sich kinderleicht auf den jeweiligen Kopfumfang einstellen. Na dann: drauf den Deckel! Tut gar nicht weh, ist warm am Ohr und die Wahrnehmung der Rest-Welt scheint auch noch möglich. Nur wer glaubt, während des Skifahrens ans Handy gehen zu müssen, bekommt ein Problem. Ein zu vernachlässigendes allerdings.

Es ist kein besonders kalter Skitag im Pitztal, so dass einen in der Gondel sehr bald das dringende Bedürfnis überkommt, den Schädelwärmer wieder abzunehmen: Schön! Jede Pore scheint durchzuschnaufen - endlich Frischluft! Umso schwieriger wird es, das ordentlich angeschwitzte Teil wieder aufzusetzen. Hartnäckige Helmträger verzichten sogar in der Mittagspause auf oben ohne - was dann doch etwas übertrieben ist.

Der finale Sturz-Test bleibt mir an diesem Tag erspart. Doch üble Geschichten, was selbst besten Skifahrern ohne Kopf- oder Rückenschutz bereits wiederfahren ist, kennen wir ja zur Genüge. Um es kurz zu machen: Man kann sich an diesen Tiger auf dem Kopf gewöhnen, so dass man ihn zeitweise sogar vergisst. Man muss sich daran gewöhnen, dass man eben doch nicht ganz so gut hört wie mit blankem Ohr. Und man kann mit hundertprozentiger Sicherheit davon ausgehen, dass das Haupthaar beim Après-Ski klatschnass am Schädel kleben wird. Dafür ist aber eben dieser Schädel noch intakt. Zumindest mechanisch gesehen.

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