Mein erstes Mal (4): EMS-Training:Training unter Strom

Fit durch Bewegung? Das sind Trainingsmethoden von gestern. Der Trend in Fitnessstudios setzt auf eine Weste, eine Handvoll Kabel und eine Steckdose. Das Geheimnis dahinter: Elektroimpulse.

Carolin Gasteiger

Langsam fängt es an zu kribbeln. Erst an den Oberschenkeln, dann am Po und unten an der Wirbelsäule. Schließlich fühlt es sich auch im Nacken und auf den Armen an, als prasselten Tausende Wasserstrahlen auf die Haut. In Wirklichkeit sitze ich aber weder in einem Whirlpool, noch stehe ich unter einer Massagedusche. Ich trainiere meine Muskeln im Fitnessstudio - mit Stromimpulsen.

EMS-Training

Es kribbelt im ganzen Körper: Das Bodytec-Training kann man auch zu Hause einsetzen.

(Foto: Foto: Miha-Bodytec)

Strom im Körper. Zugegeben, es hört sich erst einmal gefährlich an. Dietmar Seufzer, Vertreter für den hüfthohen Apparat namens Bodytec, testet mit mir das Training mit Elektromyostimulation (EMS). Die EMS-Methode hält Einzug in deutsche Fitnessstudios. Leo's Sports Club in München ist eines der ersten, die das Elektrottraining anbieten.

Anders als beim gewöhnlichen Fitnesstraining ist das Outfit bereits zu Trainingsbeginn nass - damit der Strom schneller durch die Haut zu den Muskeln dringen kann. Also gut, Trainingshose und T-Shirt kommen unter den Wasserhahn. "Richtig nass müssen sie sein, nur triefen sollen sie nicht mehr", empfiehlt Seufzer lachend, während er eine Handvoll schwarzer Gurte mit Klettverschluss vor sich ausbreitet.

Über das an der Haut klebende T-Shirt kommt eine Weste. An diese schließt man sechs Elektroden-Kabel an. Jeweils zwei Kabel werden an Arm- und Beinpflaster sowie an einen Hüftgurt angeschlossen. Seufzer sucht passende Gurte und zurrt sie zusammen mit der Weste ganz fest. Dass die Klamotten nass waren, ist schon gar nicht mehr zu spüren.

Alle Muskeln gleichzeitig trainieren

In der Physiotherapie wird Elektromyostimulation bereits seit Jahren erfolgreich zum Muskelaufbau angewendet. Das Prinzip ist einfach: Der Strom aktiviert und kontrahiert die Muskeln, die dadurch stärker werden. Durch die Elektroden, die in der Weste eingenäht sind, gelangt der Strom direkt an alle Hauptmuskelgruppen.

"Anders arbeiten unsere Muskeln auch nicht. Nur verstärkt man die Kontraktion jetzt von außen. Viel muss das aber nicht sein", versichert Dr. Heinz Kleinöder von der Sporthochschule Köln, der das Verfahren wissenschaftlich untersucht hat.

Der Vorteil liegt darin, dass alle Muskelgruppen gleichzeitig trainiert, die Impulse aber auch individuell geregelt werden können. Anhand von zehn Reglern kann man einstellen, wie stark der Strom in die jeweiligen Muskelgruppen fließen soll. So können Laufsportler speziell die Oberschenkelmuskulatur trainieren, Ruderer würden hingegen besonders den Regler für die Arme und den Oberkörper aufdrehen.

Nach einer kurzen Anfangsphase, in der sich der Körper an den Strom gewöhnen kann, beginnt das Training: In Intervallen von vier Sekunden schießen die Elektroimpulse vier Sekunden lang durch den Körper. Ich muss anspannen und dagegenhalten. Beim Strecken der Arme dreht Seufzer den entsprechenden Regler immer weiter auf - ich verliere fast die Kontrolle über meine Finger, das ist eindeutig zu viel!

Gefährlich sind die Elektroimpulse bei kompetenter Anwendung aber nicht: Der Reizstrom besitzt eine niedrige Frequenz und hat daher auf den gesunden Körper keine negativen Auswirkungen.

Über die Elektroden erreicht der Reizstrom auch tiefer liegende Muskelpartien, die man mit normalem Workout nur langsam aufbauen könnte. Ein Grund für Martin Seitz, Geschäftsführer des Leo's, das EMS-Training einzusetzen: "Mit dem Bodytec ist es möglich, in 15 Minuten den ganzen Körper auf einmal zu trainieren. Sonst bräuchte man dafür zweieinhalb Stunden."

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Training unter Strom

Wer das Elektrotraining nicht unter fachlicher Aufsicht im Studio absolvieren will, muss neben einer vierstündigen Schulung auch etwa 10.000 Euro aufbringen - Kabelweste inklusive. Für Menschen mit schweren Rückenbeschwerden könne das eine lohnende Investition sein, meint Seufzer. Immer mehr Privatpersonen würden das Gerät deshalb auch zu Hause nutzen.

Neben dem statischen Workout - Anspannen, Loslassen - kann man per Elektromyostimulation auch dynamisch trainieren. Mit einfachen Übungen - einen Gymnastikball über den Kopf heben und wieder ablegen - kann ich die Wirkung der Elektroimpulse noch steigern. Also mache ich jetzt Ausfallschritte und Kniebeugen. Anspannen nicht vergessen. Und schon jetzt spüre ich jeden einzelnen Muskel.

In einer Studie zum Ganzkörper-Elektromyostimulationstraining hat Dr. Kleinöder bei den beteiligten Probanden signifikant höhere Kraft- und Leistungswerte festgestellt - besonders an Bauch- und Rückenmuskulatur. Martin Seiz bestätigt das: Seit Jahren leidet der Fitnesstrainer unter Rückenbeschwerden, nach einer EMS-Trainingseinheit von zehn Minuten fühle er sich aber, als hätte er "nie Probleme gehabt".

Als einzige Trainingsmethode kann Seiz es allerdings nicht empfehlen. "EMS-Training ist als Zusatzprogramm sinnvoll. Ausdauer- und klassisches Krafttraining kann ich dadurch nicht ersetzen."

Hoffnung für Couch-Potatoes?

Kann das denn gesund sein? Immerhin fließt Strom durch den Körper. Für jeden sei das EMS-Training deswegen auch nicht geeignet, warnt Dr. Kleinöder: "Elektromyostimulation ist dann kontraproduktiv, wenn bereits eine Vorschädigung besteht, zum Beispiel bei Herzschrittmachern oder schwachem Immunstatus."

Für gesunde Couch-Potatoes ist das Training aber sinnvoll: "Wenn jemand dadurch zum Sport animiert wird, ist das ein guter Einstieg. Man lernt seinen Körper besser kennen und spürt, welche Muskeln man wann belastet. Und das ist auf jeden Fall besser als gar nicht zu trainieren", sagt der Sportwissenschaftler.

Inzwischen folgen auch Leistungssportler dem Trend. So ist unter Kleinöders Anleitung bereits der Weltmeister im Gewichtheben, Oliver Caruso, ins elektrische Schwitzen gekommen. Und vor kurzem habe sich der VfB Stuttgart nach der Trainingsmethode erkundigt.

Bereits nach 25 Minuten unter Strom spüre ich mir bis dato unbekannte Muskeln. Abschließend probiere ich das Relaxprogramm des Bodytec-Apparats aus. Hier durchströmt der Impuls den Körper jede zweite Sekunde. An dieses angenehme Kribbeln könnte ich mich wiederum gewöhnen. Effektiv war das Training schließlich: Dank eines ordentlichen Muskelkaters konnte ich mich erst nach drei Tagen wieder richtig bewegen.

Mehr Infos unter: www.miha-bodytec.de und www.leos.tv

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