Sie trug Ketten und Armreife, die so billig aussahen, dass man sich als weißer Siedler vor 300 Jahren geschämt hätte, sie den Indianern zum Tausch gegen Ohio, Arkansas oder auch nur eine verdörrte Bisonweide anzubieten.
Mit Tamiflu wird das Fieber offenbar um einen Tag, von sechs auf fünf, verringert.
(Foto: Foto: AP)Sie glaubte hingegen, dass der Modeschmuck, der um ihren Hals baumelte, ihr inneres Gleichgewicht erhalten würde und den Körper entgiftete. Betrachtete man ihr gut durchblutetes Dekolleté genauer, musste man allerdings eher eine Nickel-Allergie vermuten. Besonders viel hielt sie von einem Amulett, das Strahlen abhalten sollte, aber aussah, als hätte ein bekiffter Irokese die Allianz-Arena nachmodelliert.
Jeder mischt sich die Kügelchen zusammen, die er braucht. Ein magischer Glaube an heilmächtige Stoffe und Rituale findet sich aber nicht nur bei Anhängern naturheilkundlicher Verfahren, die seit Jahrzehnten nicht zeigen können, dass wirkt, woran sie verbissen festhalten. So ist auf den wissenschaftlichen Beweis dafür, dass Homöopathie hilft, seit Jahren eine Prämie von einer Million Dollar ausgesetzt - noch musste die Summe nicht ausgezahlt werden.
Was den einen ihr verdünntes Heilwässerchen, ist den anderen ihr Tamiflu. Vernunftbegabte Menschen horten die Tabletten und verfallen in Panik, weil in manchen Bundesländern nur für elf Prozent der Bevölkerung Vorräte an geheimen Orten eingelagert sind. Dabei gibt es nur allerzarteste Hinweise darauf, dass die Arznei die Symptome der Schweine-Vogel-Menschen-Grippe ein wenig lindern könnte. Das Fieber wird offenbar um einen Tag, von sechs auf fünf, verringert. Ob das Zeug hilft, wenn das Virus zum Killer-Virus mutiert und als Giraffen-Grippe um den Globus zieht, ist noch völlig unklar.
Schön, wenn der Schmerz nachlässt
Aber man kann ja trotzdem mehr Tamiflu für alle fordern. Beim heiligen Schamanen, es ist so schön, wenn der Schmerz nachlässt. Die Pharmaindustrie freut es sowieso, auch wenn die Kollegen von GlaxoSmithKline gerade ziemlich neidisch auf Roche sind.
Roche hat es geschafft, dass alle immer nur von Tamiflu reden, auch wenn Relenza von GlaxoSmithKline genauso wenig gegen Vogel-Menschen-Schweine-Grippe hilft. Vielleicht sollte GlaxoSmithKline sich ers tmal einen Firmennamen zulegen, den man besser aussprechen kann. Und dann beklagen, dass die Relenza-Vorräte nicht ausreichen.
Wahrscheinlich geht es hier aber auch um Wunderheilungen der ganz anderen Art. Wer Kopfschmerzen hat und ihnen genug Aufmerksamkeit widmet, erlebt das regelmäßig. Kaum hat man die Tablette geschluckt, sind die Beschwerden verschwunden - auch wenn Pharmakologen wissen, dass die Arznei noch gar nicht so schnell an Ort und Stelle angekommen sein kann. Das ist Homöopathie für Fortgeschrittene: kein Molekül, nirgends. Und trotzdem wirkt es, obwohl es nicht mal verdünnt, geschüttelt oder gerührt wurde.
Bei Kindern ist der magische Glaube noch unverstellter zu beobachten. Manche Untersuchungen und Behandlungen sind technisch überhaupt nur möglich, wenn es hinterher Gummibärchen gibt. Bei offenen Knien hilft nach Auswertung aller Studien nur die exakte Reihenfolge von Pusten, Piratenpflaster und Gummibärchen. Der siebenjährige Junge schließlich schläft nur in Socken, weil er überzeugt ist, dass er barfuß schlechter träumen würde. Da er in Socken bisher immer gut geträumt hat, weiß er, dass er unwiderruflich recht hat.
Vor kurzem war ein Kollege auf dem Spielplatz. Plötzlich kam ein Junge im Grundschulalter angerannt. Er war aufgeregt, weil seine Freundin beim Klettern gestürzt war und sich verletzt hatte. Er fragte nicht nach einem Pflaster oder einem Verband, rief auch nicht nach Arzt oder Krankenwagen. Er fragte nicht mal nach Tamiflu, hier müssen die PR-Agenturen noch nacharbeiten. Er wollte lediglich wissen: "Haben Sie Kügelchen?"