Medizin und Wahnsinn (76):Sex, Krebs und Tischtennis

Sex verursacht keinen Krebs - aber diverse andere körperliche Ausfallerscheinungen. Viele Paare trifft erstmal der Ping-Pong-Effekt.

Werner Bartens

Er ist hormonell übersteuert. Außerdem ist er zynisch und menschenverachtend, man könnte auch sagen: ein abgebrühter Reporter.

Medizin und Wahnsinn (76): Gerade im Frühstadium einer Beziehung kann es durch Sex zum schmerzhaften Ping-Pong-Effekt kommen.

Gerade im Frühstadium einer Beziehung kann es durch Sex zum schmerzhaften Ping-Pong-Effekt kommen.

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Kürzlich sagte der Kollege zu mir: "Schreib doch mal, dass Sex Krebs macht." Dabei hat er hinreißend gelacht, sodass man ihn gern haben musste.

Man kann zwar schreiben, dass Sex Krebs macht, aber es wäre nicht richtig. Höchstens, wenn man Sex zwischen Asbestplatten, in Dioxin-Endlagerstätten oder vor dem Röntgenschirm hat. Nicht einmal, sondern chronisch, denn Krebs bekommt man entweder einfach so, Schicksal halt - oder weil man andauernd etwas macht, das nicht gesund ist.

In den Niederlanden hat ein Paar Sex im Kernspintomographen gehabt, angeblich zu Forschungszwecken und auch nur einmal. Es war wohl sehr eng in der Röhre - aber eng ist nicht krebserregend, und im Gegensatz zur Computertomographie kommt eine Untersuchung mittels Kernspin ohne potentiell krebserregende Röntgen-Strahlen aus. Das Paar tritt übrigens als Akrobaten auf, wenn es nicht gerade in engen Röhren liegt.

Röhrenjeans und Hodenkrebs

Röhrenjeans standen mal im Verdacht, Hodenkrebs auszulösen. Die Hosen waren lange zu Recht aus dem Stadtbild verschwunden, haben wenig mit Sex zu tun und sind auch nicht sexy, erleben jetzt aber eine unheimliche Wiederkehr.

Der Tumorverdacht schien auf modischen Ressentiments und nicht auf medizinischen Beweisen zu fußen, auch wenn mit dubiosen afrikanischen Stämmen argumentiert wurde, deren Männer angeblich ihre Keimdrüsen vor dem Beischlaf in heißes Wasser tunken. Das soll die Zeugungskraft der Spermien mindern, denn bei höheren Temperaturen gedeihen sie schlecht und entarten schneller, woraus Forscher Schlüsse auf das Klima in Röhrenjeans zogen.

Sex hat eher etwas mit Tischtennis zu tun. Hört sich unerotisch an, ist aber so. Ärzte sprechen auch vom Ping-Pong-Effekt. Sie nennen das so, wenn sich Menschen in den Stürmen ihrer ersten Verliebtheit gegenseitig mit einer Blasenentzündung anstecken.

Die Blasenentzündung heißt in diesem Fall Honeymoon-Zystitis, weil Ärzte vermuten, dass Menschen erst in den Flitterwochen viel Sex haben. Das reizt die unteren Harnwege mechanisch, die Bakterien haben dadurch leichteres Spiel und das Paar steckt sich immer wieder wechselseitig an.

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Wenn Liebe blind macht

Liebe macht wirklich blind

Leiden jüngere Menschen an Harnblasenentzündung, kommt es also darauf an, die Sozialanamnese genau zu erheben. Seit 2001 müssen Tischtennisbälle übrigens einen größeren Durchmesser haben. Was das für den Ping-Pong-Effekt bedeutet, ist aber wissenschaftlich noch nicht absehbar.

Sex kann gelegentlich zu Ausfallerscheinungen führen, die andere medizinische Unterdisziplinen betreffen. Neurologen und Augenärzte wissen, was die Alltagsweisheit "Liebe macht blind" tatsächlich bedeutet.

Laien verstehen darunter, dass sie nicht verstehen, warum sich der beste Freund gerade in diese blöde Trulla verguckt hat oder weshalb die Freundin mit einem solchen Idioten zusammen ist. Ärzte hingegen kennen eine hauptsächlich bei Männern auftretende Sehstörung direkt nach dem Sex. Wenn das Blut im Körper nicht für mehrere Organe gleichzeitig reicht und ein paar Neuronen im Sehzentrum unterversorgt sind, wird es manchem Mann schwarz vor Augen.

Ähnlich verängstigend für Betroffene kann auch die Liebhaber-Lähmung sein, die von Liebhabern des Französischen paralysie des amoureux genannt wird. Schlafen Liebende Arm in Arm ein, kann der Kopf der Partnerin den Nervus radialis im Bereich von Oberarm und Achselhöhle abdrücken, was zu Ausfallerscheinungen der Hand führt. Diese Lähmung kann vor wie nach dem Sex auftreten, manchmal auch beim vergeblichen Warten auf Sex.

Krebs macht sie nicht, nach einer Weile kommt erst das Kribbeln und dann das Gefühl zurück. Tischtennis unterstützt den Heilungsprozess.

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