Medizin und Wahnsinn, Folge 160:Raus aus den Betten!

Wie war es früher schön im Krankenhaus. Und heute? Herrscht nur noch blutige Hatz. Da mag der Vorschlag, künftig nur noch Zweibettzimmer anzubieten, gar nicht passen.

Werner Bartens

Es ist nicht lange her, da war das Krankenhaus noch eine Oase der Ruhe und des Müßiggangs. Erschöpfte Selbständige erholten sich und ihr Portemonnaie mit Hilfe einer üppigen Krankenhaustagegeld-Versicherung. Die Ärzte waren ebenfalls zufrieden, wenn die Patienten möglichst lange blieben, denn jeder Tag, den ein Bett länger belegt war, brachte zusätzliches Geld. Besonders vor dem Wochenende mussten Patienten gehalten werden, und eine entscheidende Bewährungsprobe für junge Assistenzärzte bestand darin, den Kranken, die längst nicht mehr krank waren, eine Begründung für den medizinisch nicht mehr nötigen Aufenthalt zu präsentieren.

Vier-Bett-Zimmer

Ärzte wie Patienten haben nur ein Interesse: möglichst schnell raus aus den Betten.

(Foto: dpa)

Der Verlauf der Laborwerte muss noch ein paar Tage beobachtet werden, lautete einer der Klassiker für die Wochenend-Präsenz. Manche Doctores gaben gar vor, am Wochenende endlich in Ruhe mit dem Patienten die Befunde diskutieren zu können. Psychologisch gewiefte Ärzte brachten das nicht ganz abwegige Argument vor, der Patient könne seiner Familie noch nicht rund um die Uhr ausgesetzt werden. Die Klinik mit ihren eingeschränkten Besuchszeiten helfe, die Belastung durch die Familie richtig zu dosieren. Leben und leben lassen, verdienen und verdienen lassen, lautete die großzügige Devise.

Und heute? Im Krankenhaus herrscht blutige Hatz. Gelegentlich werden Patienten frisch vom OP-Tisch entlassen. Die Kliniken bekommen ihr Geld seit ein paar Jahren schließlich pro Patient, und je schneller sie die Kranken loswerden, desto lukrativer ist das für das Hospital. Komplikationen? Ein bisschen Schwund ist immer. In manchen Kliniken wurde bereits so viel Personal eingespart, dass mehr Kaufleute als Mediziner dort anzutreffen sind. Daher hat die häusliche Pflege oder die Weiterbetreuung durch den Hausarzt immerhin den Vorteil, dass der Patient dabei noch einen Arzt oder eine Pflegekraft zu Gesicht bekommt.

Eine aktuelle Umfrage zeigt jedoch, dass nicht die Kliniken schuld sind, wenn Patienten immer schneller das Weite suchen. Die Kranken wollen so schnell es geht wieder nach Hause - wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Frauen sorgen sich um ihre Familie, während sie im Krankenhaus sind. Sind die Lieben auch gut versorgt? Isst er vernünftig? Männer sorgen sich hingegen weniger um Weib und Kind, sondern um ihre Arbeit. Sind sie zu lange weg, ist vielleicht auch bald ihr Job weg. Also nichts wie raus aus der Klinik, die frische Naht wird schon halten, und das bisschen Fieber verschwindet von alleine.

Wie unpassend daher der Vorschlag von Jens Spahn, dem zweitagebärtigen Lila-Laune-Bär von der CDU. Mit seinem dunklen Bartschatten und der dickrandigen Kreativen-Brille sieht die Nachwuchskraft von der Union ein bisschen aus wie Walt Disneys Panzerknacker. Spahn ist allerdings nicht Panzerknacker, sondern Gesundheitsexperte. Er schlägt vor, zukünftig nur noch Zweibettzimmer in der Klinik anzubieten. Genügend Räume seien vorhanden, die Krankenhäuser müssten nur endlich dazu angehalten werden, sie für Patienten zu nutzen.

Was für eine Verkennung der Realität. Kranke sollen sich in der Klinik doch nicht wohl fühlen. Ärzte wie Patienten haben nur ein Interesse: möglichst schnell raus aus den Betten. Schlafsäle mit acht oder zwölf Betten nach englischem Vorbild wären ein viel besserer Weg, um die Liegedauer weiter zu verkürzen.

Ausgewählte Kolumnen sind unter dem Titel "Medizin und Wahnsinn" bei Droemer erschienen.

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