Männermode:Wann ist der Mann ein Mann?

Mit oder ohne Socken, Turnschuhe, Dreitagebart - man macht es auf jeden Fall falsch

Gerhard Matzig

Wer sich in die Mode begibt, kommt darin um. Zum Beispiel die Sache mit dem Anzugknopf. Es gibt Leute, die am Jackenärmel stets einen Knopf offen lassen. Nun bieten sich drei Möglichkeiten öffentlicher Wahrnehmung an.

Männerbeine

Sandalen mit Tennissocken gehen gar nicht, aber Shorts mit Leinenturnschuhen gucken sich Frauen gerne an.

(Foto: Foto: Reuters)

Erstens: Da fehlt ein Knopf! Der Anzugträger erscheint als verschlampter Mensch, der sich billige Anzüge mit billigen Nähten kauft. Nicht gut. Zweite Möglichkeit: Es ist ein Maßanzug. Denn nur bei sehr guten Anzügen lassen sich die Ärmelknöpfe aufknöpfen. Bei Anzügen von der Stange sind die Knöpfe reines Ornament und Blendwerk. Möglicherweise hat also der Maßbeschneiderte für seine knöpfbar-kostbare Jacke den Gegenwert einer Limousine bezahlt. Und alle Welt denkt jetzt: Meine Güte, was für ein verschlampter Mensch dies doch ist! Auch nicht gut. Dritte, schlimmste und leider wahrscheinlichste Möglichkeit: Keiner bemerkt die Sache mit dem Knopf.

Oder das Thema Socken. Besonders im deutschen Feuilleton hält sich das Gerücht, wonach Albert Einstein grundsätzlich sockenlos auftrat. Socken seien überflüssig. Die Folge: Sockenlose Feuilletonisten auf den Spuren Einsteins, die sich sagen, Socken seien doch relativ. Man hört sie, lange bevor man sie sieht. Denn ein nackter Fuß hört sich an einem heißen Sommertag selbst im edelsten Loafer an wie ein schwitzender Frosch in Gefangenschaft, der verzweifelt im Einweckglas herumrutscht. Dabei ist es doch so einfach: Barfuß nur in der Badewanne.

Befindet man sich mit Socken im Schuh also auf der sicheren Seite? Natürlich nicht. Merke: Nur kleine Buben tragen Socken, große Männer tragen Strümpfe. Männerbeine sollte man stets nach weit strengeren Maßstäben verhüllen als iranische Frauen.

Das Problem mit der Mode ist ja ohnehin das ihrer modischen Überwindung. Zum Beispiel gab es einmal die goldene Regel, dass man in der Stadt zum Anzug keine braunen Schuhe tragen darf. Das ist eine alte Regel. Aber dann kamen erst die braunen Schuhe und schließlich sogar die Turnschuhe in die Stadt. Und spätestens Ende der Achtziger waren schnöselhafte Medienmanager ohne Turnschuhe zum Anzug so undenkbar wie einst die braunen Landschuhe in der City.

Wenn man also heute einen Mann in mittleren Jahren trifft, der immer noch Gummisohlen zum Anzug kombiniert, kann man sicher sein, ein ehemals junges Talent aus dem Umfeld der Medien- oder Werbebranche vor sich zu haben, der so manches im Laufe der Jahre eingebüßt hat. Neben der Fähigkeit der Provokation nicht selten auch das junge Talent als solches.

Einer modischen Regel, die darin besteht, eine modische Regel zu brechen, ist zu misstrauen. Das zeigt die Evolution des Dreitagebartes. Es war einmal gebräuchlich, sich als Mann vom zivilisatorisch nutzlos gewordenen Gesichtsbewuchs zu trennen. Dann kam der Dreitagebart auf - als modische Absage an die Mode, ein nacktes Gesicht zu tragen. Nun muss man wissen, dass ein Dreitagebart zwar aus einem sonst korrekt gekleideten jungen Mann umstandslos einen coolen Hund machen kann. Allerdings kann derselbe Bartschatten auch aus einem sonst korrekt gekleideten Mitvierziger eine arme Sau machen, der man zutraut, unter Brücken zu schlafen.

Dort, unter der Brücke, ist es dann auch nicht mehr so wichtig, ob man das Hemd oben nun einen oder zwei Knöpfe weit offen lässt. Und ob man es unten in die Hose steckt oder nicht. Im normalen Leben ist das sehr wichtig. Und auch hier gilt: Man kann es nicht richtig machen. Zwar hat sich inzwischen herumgesprochen, dass man das Hemd ohne weiteres (und vor allem: ohne Krawatte) zwei Knöpfe weit offen stehen lassen kann. Zumindest im Prinzip.

Tatsächlich hängt es aber von der Hemdform, von der Kragenform, von der Halsform und von der Brustform ab. Eine Frage der Formlosigkeit ist es jedenfalls nicht. Zwei Männer, zwei offene Hemden, zwei Welten. Der eine sieht aus wie William Arthur Philip Louis Mountbatten-Windsor. Und der andere wie Lothar Matthäus.

Es gibt für den modebewussten Mann im Grunde nur eine einzige Regel, die immer und überall Gültigkeit besitzt. Sie lautet: Du machst es falsch. Und wenn man einfach gar nichts auf die Mode gibt und macht, was man will? Das ist falscher noch als falsch.

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