Kolumne:Männer aktuell, diesmal: Volker

Sie sind verblüffend, sie sind rührend, sie sind überall: Männer. Unsere Autorin befasst sich ab jetzt mit ihnen. Den Anfang macht ein berühmter: Volker Schlöndorff.

Von Johanna Adorján

Vor Kurzem saß Volker Schlöndorff, der berühmte und in Ehren ergraute Filmregisseur, auf einer Berliner Bühne. Es war eine Veranstaltung des Literaturfestivals, und sein Job als Volker Schlöndorff bestand darin, die französische Schriftstellerin Yasmina Reza zu präsentieren. Schlöndorff trug eine schwarze Lederjacke, was lässig aussah, als sei er mit dem Motorrad vorgefahren.

Es war schnell klar, dass er nicht vorhatte, konventionell den Conférencier zu geben und etwa die Leute vorzustellen, die mit ihm die Bühne betreten hatten und nun neben ihm an einem längeren Tisch saßen, aber irgendwie war das verzeihlich, hey, immerhin war er Volker Schlöndorff, und dass die blonde Frau neben ihm die Schauspielerin Nina Hoss war, hätte man ja dem Programm entnehmen können oder dem Internet, falls man sie nicht von alleine erkannte, und wegen der Dunkelhaarigen war das Publikum schließlich da.

Er selbst war auf jeden Fall Volker Schlöndorff, Regisseur von Filmen wie "Die Blechtrommel", "Homo Faber" oder jüngst "Rückkehr nach Montauk" (nicht mehr im Kino), als ausgewiesener Spezialist für Literaturverfilmungen für die Moderation eines solchen Abends ja wohl prädestiniert, und der Mann ganz rechts, ja, der war vielleicht Rezas Notar oder Übersetzer oder ein Schauspieler, war ja vielleicht auch gar nicht so wichtig, irgendjemand würde er schon sein. Es saßen jedenfalls vier Menschen auf der Bühne, und Schlöndorff ergriff das Wort.

Mit launiger Kennermine teilte er dem Publikum mit, dass er wirklich Erstaunliches zutage gefördert hatte, als er sich näher mit Yasmina Reza befasst habe. Und zwar sei sie gar nicht, wie ja alle immer annehmen würden wegen ihres Namens, Reza, Stichwort "1001 Nacht", exotische Perserin, nein, die Familie ihres Vaters stamme zwar dorther, aber, man höre und staune, ihre Familie sei jüdisch. Ja, wirklich, Yasmina Reza sei trotz ihres Namens Jüdin. Die unüberraschte Stille im Saal großzügig übergehend, ließ er eine lange Abhandlung über sephardische Juden folgen (beheimatet in Spanien, verfolgt, geflohen usw.), vergaß darüber, dass selbst sephardische Jüdinnen eine Mutter haben, in Rezas Fall auch eine Jüdin, eine aus Ungarn, was natürlich weniger sephardisch gewesen wäre und auch zu weit geführt hätte, insbesondere wenn man bedenkt, dass niemand im Saal angenommen hatte, dass Yasmina Reza eine exotische Perserin sei. Niemand außer Volker Schlöndorff.

Etwas später - der andere Mann hatte sich zwischenzeitlich selbst als Rezas Verleger zu erkennen gegeben und mit ein paar interessanten klugen Sätzen ihr neues Buch, "Babylon", vorgestellt - setzte Schlöndorff, der insgesamt eher viel redete und zwar in der Art wie man Schlangenlinien malt, zu einer sehr langen Frage an, die, zugespitzt, darauf abzielte, warum Reza in der Mitte ihres Buchs die Erzählperspektive gewechselt habe, ganz abrupt, was er, Schlöndorff irgendwie gut fand, nicht zuletzt vielleicht deshalb, weil ihm dieser Kunstgriff erlaubte, an dieser Stelle die eine oder andere Filmreferenz heranzuziehen. "Mein lieber Volker", antwortete Yasmina Reza, "ich bedauere Ihnen sagen zu müssen, dass mein Buch durchgehend in ein und derselben Perspektive geschrieben ist."

Man muss sagen, dass Volker Schlöndorff, der an diesem Abend vor Publikum ein ihm nahezu unbekanntes Buch präsentierte, es mit Fassung trug.

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