Männer:Milos

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Es gibt wichtigere Fragen, ohne Zweifel, aber es gibt auch viel unwichtigere Fragen: Milos, hast du jemals irgendwo in der Stadt einfach hingepinkelt, in der Öffentlichkeit? Ja? Die Antwort wirft weitere Fragen auf, zum Beispiel: Warum tun Frauen das nicht, einfach so?

Von Johanna Adorján

Milos, fragte ich Milos, hast du jemals irgendwo in der Stadt einfach hingepinkelt, also einfach so, in der Öffentlichkeit? Das sei wohl schon mal vorgekommen, sagte Milos. Warum, fragte ich. Milos überlegte nicht lang. Weil ich musste, sagte er.

Liebe Männer wie Milos, den ich sehr liebe, die mitten in der Stadt irgendwo hinpinkeln, einfach weil sie müssen: Ihr glaubt wahrscheinlich, man sieht euch nicht, weil ihr der Straße dabei den Rücken zukehrt, aber wir sehen euch. Nur weil vor euch eine Wand oder ein Baum ist, heißt das nicht, dass ihr von hinten nicht zu sehen seid. Wir riechen euch sogar. Wir riechen euch sogar noch Tage später, vor allem wenn es warm ist und es unter einer S-Bahn-Brücke geschah.

Übrigens müssen wir auch manchmal, schaffen es aber, jedenfalls innerhalb von Großstädten, wundersamerweise immer auf irgendeine Toilette. Beziehungsweise so wundersam ist das gar nicht, wir tun das mithilfe eines Schließmuskels. Männer haben den auch, habe gerade extra noch mal gegoogelt, um nicht versehentlich Menschen mit Handicap unrecht zu tun. Aber nein, der Blasenschließmuskel ist bei Männern wie Frauen vorhanden, er setzt sich aus verschiedenen Muskelsträngen zusammen, von denen ein "glatter" ringförmig um den Blasenhals verläuft und sich ein zweiter, "quer gestreifter" bei Frauen im unteren Drittel der Harnröhre befindet und beim Mann über deren gesamte Länge erstreckt. Diese zweite Muskelschicht - ich zitiere hier, und dies ist eine Premiere, die Website urology-guide - kann bewusst gelockert werden und ermöglicht so das Entleeren der Blase. Ein bewusstes Lockern, Zitat übrigens Ende, setzt natürlich Willen voraus, das Fassen des Entschlusses, die Blase zu entleeren. Dies geschieht also vorsätzlich, mutwillig, als Entscheidung.

Freier Wille oder freier Willy: Warum pinkeln Männer gegen Hauswände?

Warum aber entscheiden sich so viele Männer mitten in der Stadt, wo sie eben gerade gehen und stehen, dafür und Frauen nicht?

Es darf vermutet werden, dass die Antwort dieselbe ist wie bei dem bekannten Witz mit der Frage, warum der Hund sich an den Eiern leckt? (Antwort, alle im Chor: Weil er es kann.)

Hier eine extrem unvollständige Liste von Dingen, die Frauen können, aber nicht tun:

mitten in der Stadt irgendwo hinpinkeln, als Nahziel böten sich etwa Hecken oder Blumenbeete an

mitten in der Stadt irgendwo hinmenstruieren

alle paar Meter kräftig auf den Gehweg ausspucken

in der U-Bahn auch ohne Tüten über zwei Plätze sitzen

im Zug so telefonieren, dass jeder hört, wie viel Geld sie im Meeting für die Firma rausgehandelt haben

im Heimatministerium arbeiten

immens wichtige 1000-Seiten-Romane schreiben und dann überall erzählen, wie immens wichtig die sind

auf dem Fußgängerweg extra stehen bleiben, um zu gucken, wie jemand einparkt

ewig verträumt in Baustellen starren

Papst werden

überhaupt richtig Karriere machen in einer Weltreligion

Was hiermit wohl bewiesen wäre: Man muss nicht alles machen, nur weil man kann. Und man muss nicht zeigen, was man kann, nur weil man muss. Milos, sagte ich, Milos, hörst du mir überhaupt zu? Milos so: Hä?

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