Kolumne:Männer aktuell, diesmal: Marc

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Ohne Marc ist es stiller auf dieser Welt, findet unsere Autorin. (Foto: Illustration Jessy Asmus)

Unsere Autorin erinnert sich an einen Mann, der keine dicken Geschenke machte, aber dennoch großzügig war. Mit seinem Charme, seiner Intelligenz, seiner unbändigen Redelust. Es ist ein großes Glück, so einen zu treffen.

Von Johanna Adorján

Es ist nicht so, dass man nur noch gute Sachen über jemanden denkt, bloß weil der tot ist. Zum Beispiel war Marc wahrscheinlich der geizigste Mann, den ich je kannte. Oder sagen wir, mindestens einer der drei geizigsten. Einmal waren wir beide in New York, und ich hatte Geburtstag, und als wir uns am Abend trafen, gab er mir einen schmalen Bildband über New York. Er hatte ihn nicht mal eingepackt. Vielleicht sollte ich dazu sagen, dass wir damals gerade ein Liebespaar waren, wäre ich seine Patentante oder Klavierlehrerin gewesen, hätte ich das Geschenk nicht ganz so schäbig gefunden.

Ich weiß noch, dass ich mich so sehr über diese Fantasielosigkeit wunderte, dass ich das ganze Buch durchblätterte, um den Gutschein zu finden oder sonst was Persönliches, das sich doch bestimmt zwischen zwei Seiten verstecken musste. Aber da war nichts. Nur irgendein noch schnell gekaufter Bildband mit einem gelben Taxi vorne drauf.

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Von Johanna Adorján

Ein zu Unrecht übersehenes Randdetail der Popkultur

Und trotzdem würde ich behaupten wollen, dass seine schönste Eigenschaft seine Großzügigkeit war. Mit sich selbst nämlich ging er unglaublich verschwenderisch um. Er verschenkte, verschleuderte seinen Charme, seine Intelligenz, seine Wachheit, seinen Witz und seine unbändige Redelust an die ganze Welt, oder jedenfalls an die Teile der Welt, die ihm interessant erschienen. Wenn ich an die kurze Zeit mit ihm denke, ist mir, als hätte er pausenlos auf mich eingeredet. Als hätte er die ganze Zeit entweder links oder rechts von mir gestanden, also da, wo ein Ohr ist, und hineingesprochen wie in einen Empfänger.

Ich fand es herrlich und fühlte mich bestens unterhalten, was natürlich hauptsächlich daran lag, dass er so ein blitzschneller, gelenkiger Denker war. Die Länge, die für andere Menschen eine normale Gesprächspause bedeutet hätte, konnte Marc mühelos mit bis zu drei Themen füllen, von denen eines irgendein von der Allgemeinheit vollkommen zu Unrecht übersehenes Randdetail der Popkultur auseinandernahm und wieder zusammensetzte, und zwar mit einem ganz neuen Dreh, einer vollkommen eigenen Idee, ein anderes gab wieder, was er einmal in Argentinien oder Brasilien erlebt hatte, oft am Strand, denn er liebte das Meer und war viel und weit gereist, und an das dritte könnte sich sowieso niemand erinnern, denn bis dahin war sein Vorsprung viel zu groß.

Aufregend war das und manchmal auch nervig, vor allem wenn er plötzlich ins Englische wechselte, einfach so, weil es ihm Spaß machte, dann sprach er plötzlich ein paar Absätze lang tiefstes, breitestes Amerikanisch, mit lauter "It's like"s und "You know"s, und das war mir dann manchmal ein bisschen zu viel, aber an irgendwas muss es ja auch gelegen haben, dass wir insgesamt nicht allzu viel Zeit miteinander teilten.

Einmal hat er mir eine CD gebrannt. Die Musik darauf war so traurig und einsam, als käme sie aus einem tiefen Loch. Das letzte Stück war von der Mädchenband The Shangri-Las und handelte davon, dass die Vergangenheit leider für immer vergangen ist, die Gegenwart nicht mehr heil und die Zukunft unsicher. "I don't think it will ever happen again", damit endet der Song.

Es ist bald sieben Jahre her, dass Marc sich das Leben genommen hat. Es ist seither stiller auf dieser Welt.

© SZ vom 03.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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