Männer-Kolumne:Diese Woche: Jay

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Wie ich einmal im nächtlichen München einen echten Popstar aufgabelte und ihn samt seinem Keyboarder mit dem Auto in sein Hotel fuhr. Er kannte schließlich den Weg nicht. Und wie danach einfach gar nichts mehr so richtig passierte.

Von Johanna Adorján

Im Parkcafé trat eine neue Band auf, Engländer, seltsamer Name: Jamiroquai. Ich war mit einer Schulfreundin da. Das Konzert war sehr gut oder mittel oder vielleicht war es auch ein bisschen langweilig, keine Ahnung, ich war nur einmal kurz drin, ansonsten standen wir die ganze Zeit im Eingangsbereich. Mir war sowieso alles egal, weil ich schweren Liebeskummer hatte. Mein erster Exfreund, Ian, arbeitete im Parkcafé, und seine neue Freundin, eine sturzlangweilige Haidhauserin namens Verena oder Katrin, war an diesem Abend auch da. Schlimmer Abend. Existenziell schlimm. Keine Ahnung, warum ich nicht einfach nach Hause gegangen bin.

Ein Popstar wird durchs nächtliche München in sein Hotel gefahren. Punkt

Jamiroquai hatte damals zwei Hits, die ständig im Radio liefen. In den Musikvideos der Band war der gleitende Tanzstil des Sängers zu sehen, ein zierlicher Mann mit pilzhafter Riesenmütze, der sich durch einen Raum bewegen konnte, als gäbe es den Faktor Zeit nicht. Gerade war er noch vorne, schon ist er ganz weit hinten, ohne erkennbaren Zwischenschritt.

Vom Vorraum aus war das Konzert tief und dumpf zu hören. Irgendwann war es zu Ende, der Abend ging weiter. Irgendwann ging meine Freundin. Ich blieb noch, war ewig in einer Toilettenkabine, um zu weinen. Auf dem Weg zum Auto sprach mich ein Mann an, hielt einen Zettel hoch, fragte auf Englisch, ob ich wisse, wo das sei: "Hotel Wetterstein" stand drauf. Es lag direkt auf meinem Nachhauseweg. Ungefähr jetzt dämmerte mir, dass der Mann Jamiroquai war, beziehungsweise Jay Kay, denn so hieß der Sänger. Er hatte seine Mütze nicht an, die langen Haare waren irgendwie am Hinterkopf zusammengesteckt. Ich könne ihn mitnehmen, sagte ich.

Kurz darauf saßen wir zu dritt im Auto meiner Mutter, ich am Steuer, Jay auf dem Beifahrersitz, hinten noch der Keyboarder. Mir war nicht nach Reden zumute, und was hätte ich auch sagen sollen. Dass ich das Konzert nicht gehört hatte, dass mein Exfreund eine neue Freundin hatte, dass die leider wahnsinnig gut aussah? Ich hätte gerne Musik angemacht, aber ausgerechnet damals war gerade das Radio-Kassettendeck kaputt. Der Keyboarder sagte auch nichts, aber Jay Kay machte wahnsinnig freundlich Small Talk. Fragte was über München, sagte etwas Nettes über meine geblümte Hippie-Strickweste, mit der ich auszusehen versuchte wie Vanessa Paradis, und erzählte ansonsten von irgendwelchen Autos, die er hatte oder gerne hätte, das weiß ich nicht mehr. Vorsichtig fuhr ich die Popstars über die Wittelsbacherbrücke durch Untergiesing.

Das Hotel Wetterstein, das es heute noch gibt, ist eine merkwürdige Wahl für eine coole englische Band. Ein dreistöckiges Reihenhaus in einer Wohngegend, zwei Häuser weiter befindet sich ein Seniorenheim. Heute hat das Hotel immerhin U-Bahn-Anschluss, aber damals war die Innenstadt nachts Welten entfernt.

"Here it is", sagte ich. Jay Kay schnallte sich los. Ob ich noch mit auf ihr Zimmer kommen wolle, kiffen? Er fragte es höflich, beinahe scheu. Nein danke, sagte ich, die ich noch nie in meinem Leben gekifft hatte und müde und traurig war. Okay, dann. Sie stiegen aus, und ich fuhr los. Als ich nach etwa hundert Metern in den Rückspiegel sah, stand Jay Kay immer noch mitten auf der laternenbeschienenen Grünwalder Straße und winkte.

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