Macht Mozzarella krank?:Arme, kleine Bälle

Selten ist ein Lebensmittel so schnell in Verruf geraten wie der Mozzarella. Ob er noch zu retten ist?

Gabriela Herpell

Obwohl die kreidefarbene Kugel eigentlich zu fad ist, um integral zu sein, hat uns die Mozzarella-Krise in diesem Frühjahr kalt erwischt. Zu selbstverständlich ist geworden, was kreidefarbene Familienväter im Restaurant gerne mit rollendem "R" bestellen: Caprese. Also Mozzarella-Tomaten-Basilikum.

Sophia Loren; Getty Images

Sophia Loren würde man jeden Mozzarella von der Pizza essen.

(Foto: Foto: getty images)

Für die Hungrigen ist Caprese Vorspeise, für die Vegetarier oft der einzige Ausweg, wenn mal wieder nur Fisch, Fleisch und matschige Nudeln auf der Karte stehen. Caprese ist nie falsch, nie aufdringlich und nie zu viel.

Auch die Servierregeln sind klar und übersichtlich: Um den mangelnden Eigengeschmack zu vertuschen, ist die Kombination mit scharfem Aceto Balsamico zwar nicht authentisch, aber erforderlich. Reichlich Öl, Salz und Pfeffer ebenso.

Auf jede Käsescheibe gehört ein großes Basilikumblatt. Und: Seit es Caprese auch an Raststätten in Thüringen gibt, muss er in gehobenene Restaurants von kampanischen Büffeln stammen, nicht mehr von der ordinären Kuh.

Infizierte Wasserbüffel, knietief im Müll

Doch vor ein paar Wochen schoben sich plötzlich düstere Wolken zwischen uns und unser aller liebstes Sommergericht: Bilder von Wasserbüffelherden in Kampanien, allesamt mit einem schrecklichen Bakterium infiziert, der Brucellose. Weitere Herden Wasserbüffel, die knietief im neapolitanischen Müll ästen.

Auch wenn, wie von der Lebensmittelindustrie eilends versichert wurde, die Brucellose für den Menschen nicht wirklich gefährlich ist, galt die fade kleine Kugel plötzlich als kontaminierte Giftschleuder.

Tatsächlich war es so: Einige Dämpfe verbrennenden, neapolitanischen Mülls waren in die Luft gestiegen und zusammen mit Regentropfen wieder aufs Gras gefallen, welches die Tiere dann später fraßen. Woraufhin in ihrer Milch respektive dem Käse ein erhöhter Dioxingehalt nachgewiesen wurde.

Nicht gut, also. Aber auch nicht schlimm. Doch in der Konsequenz schon, denn nun ist Mozzarella in Verruf. Die italienische Handelskammer muss in ganz Europa Aufklärungsgipfel veranstalten. So wie den vor einigen Tagen, in einer Münchener Kochschule.

Auf der nächsten Seite: Ist das schon der Büffelwahnsinn?

Arme, kleine Bälle

"So gut wie jetzt ist Mozzarella noch nie kontrolliert worden", beteuert der Delegierte, Herr Tommaso de Simone, vor einer Herde lauschender Food-Journalisten. Dasselbe hat man bei den wahnsinnigen Rindern auch gehört.

Allein: Dieser Fall scheint harmloser, die Dioxinbelastung sei, so die Handelskammer, derart niedrig, dass eine Wirkung erst einträte, wenn ein Mensch über Wochen jeden Tag zwei Kilo des Produkts vertilgen würde. Das tut wohl kaum jemand.

Herr Tommaso de Simone ist Präsident des Landwirtschaftsverbandes Caserta, die wiederum eine Provinz in Kampanien und das Zentrum der Produktion des Mozzarella di Bufalo Campana DOP ist. Und er ist ein netter Herr. Er erklärt strahlend, dass er "felice", also sehr glücklich sei, hier zu sein. Sehr "felice" sei er aber auch, in der sehr schönen Caserta leben zu dürfen.Man freut sich ja auch für den netten Herrn. Wenn bloß die Mozzarella-Krise nicht wäre!

Herr de Simone erzählt, wie sehr er sich gewundert hätte über die Meldungen, dass Japan und Südkorea die Einfuhr von Büffelmozzarella aus der Caserta gestoppt hätten, weil weder Japan noch Südkorea seines Wissens jemals auch nur ein Kilo Büffelmozzarella aus der Caserta eingeführt hätten, interessant. Wohingegen Deutschland zusammen mit Frankreich das Hauptexportland für den Mozzarella di Bufalo ist.

Die Süditaliener verzeichnen gerade Umsatzeinbußen von 35 Prozent. 33.000 Tonnen Mozzarella stellen sie in Kampanien her, rund 400.000 Wasserbüffel geben die Milch dafür. Herr de Simone sagt, dass die 20.000 Tiere, die entweder Brucellose gehabt oder Milch mit erhöhtem Dioxingehalt geliefert hätten, getötet wurden.

Die Italiener hätten den Tieren beziehungsweise dem Käse nun 21 Kontrollen verordnet, die absolute Sicherheit garantierten. Und dann sagt er, noch strahlender, die Gäste sollten nun den frischen Mozzarella genießen, der seinen Namen daher habe, dass ihn schon die alten Römer mit den Händen zu kleinen Kugeln, großen Kugeln, Zöpfen oder Laiben auseinandergerissen hätten: mozzatura.

Für die Anwesenden war die Mozzarella-Krise überstanden, als sie eine große Portion Caprese, Nudeln mit Ricotta aus Büffelmilch sowie kurz gebratenes Büffelfleisch heruntergespült hatten; mit einem Glas Rotwein aus der Caserta. Und Todesverachtung. Oder war das schon der Büffelwahnsinn?

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