Luft und Liebe:Wenigstens einer hat Spaß

Picknickkorb mit Blumengirlande oder Klickpedale und Trinkschlauch? Frauen fahren Rad, Männer biken. Gemeinsame Interessen sind was für Häkelgruppen.

Violetta Simon

Eine gute Beziehung braucht Gemeinsamkeiten, so heißt es. Also geht man miteinander in die Oper, fährt zusammen in den Urlaub, lädt Freunde ein.

kolumne "luft und liebe"

"Lass uns mal wieder eine Radtour machen!" - eine gute Idee?

(Foto: Foto: iStockphotos)

Und schon fangen die Probleme an. Was die Wünsche und Vorstellungen betrifft, so haben Frauen und Männer ziemlich wenig gemein: Während sie bei ihrer Lieblingsarie ein Schluchzen zu unterdrücken versucht, röhrt ihr Begleiter schnarchend ins Auditorium. Der "kurzweilige Cluburlaub" wird vom anderen im Nachhinein als nervtötende Dauerbespaßung beschrieben. Und wenn es darum geht, Freunde zum Essen einzuladen, beginnt der Streit schon bei der Frage: Essen, Trinken und Reden oder Vier-Gänge-Menü und Smalltalk?

Von Gemeinsamkeit kann hier also nicht die Rede sein. Gemeinsamkeit ist etwas für Saunakumpels, Mitglieder eines Sportvereins oder eine Häkelgruppe. Mit anderen Worten: eine "Interessengemeinschaft".

Zwischen Mann und Frau existieren gemeinsame Interessen höchstens in unserer Vorstellung. Deshalb nennt man sich für sie einen anderen Begriff ausgedacht: Beziehung.

Radeln oder Biken?

Und weil nichts so hartnäckig ist wie die Illusion einer perfekten Beziehung, starten wir in regelmäßigen Abständen den Versuch, etwas gemeinsam zu unternehmen. Ein besonders schönes Beispiel für die Unvereinbarkeit weiblicher und männlicher Vorstellungen ist das Projekt "Lass uns mal wieder Radfahren".

Bei dieser Tätigkeit fehlt es schon in der Basis: Frauen mögen Räder mit Gepäckträger und ausladendem Lenker. Damit eine Freundin und der Picknickkorb draufpasst. Der Einstieg sollte schön tief sein, sonst spannt beim Aufstieg der Rock oder man muss sich in den Schritt kucken lassen.

Männer fahren keine Fahrräder. Sie fahren Bikes. Je nach technischer Ausstattung handelt es sich dabei um "Fullys", "Downhills" oder "Single-Rides". Es versteht sich von selbst, dass Bikes keinen Gepäckträger, kein Licht und keinen Fahrradständer besitzen. Alles unnötiger Ballast, der die optimale Durchschnittsgeschwindigkeit negativ beeinflussen würde. Undenkbar, dass ein Mann absteigen, den Fahrradständer ausklappen und eine Flasche Mineralwasser aus dem Fahrradkorb holen würde.

Denkt eine Frau ans Radfahren, gehen ihr folgende Gedanken durch den Kopf:

"1. Welchen Bikini nehm ich bloß mit. 2. Ich muss mir noch die Beine rasieren. 3. Wo ist die Picknickdecke. 4. Hoffentlich ist das Loch in meinem Hinterreifen inzwischen zugewachsen."

Das Gehirn eines Mannes reagiert da völlig anders. Es hört einen Radschuh mit einem satten "Klick" ins Pedal einrasten. Es fühlt, wie ein letzter Schluck aus dem Camel-Back die Kehle hinunterrinnt. Es erzeugt Bilder, auf denen ein verschwitzter Mensch keuchend im Wiegetritt einen Berg hochackert.

Man kann sich die Gesichter vorstellen, wenn sich die beiden nun startklar gegenüber stehen:

Sie im geblümten Sommerkleidchen, am Fahrradlenker ihrer "Gazelle" ein Weidenkorb mit Platikrosengirlande, in dem sich Kaffe, Kuchen und zwei Federballschläger befinden.

Er mit frisch enthaarten Gliedmaßen auf einem vollgefederten Hightech-Mountainbike. Sein Outfit: aerodynamischer Helm, UV- und Windschutzbrille, Telekom-Trikot, Radhose mit atmungsaktivem Ledereinsatz, Radschuhe, die sich kampflustig nach oben biegen.

Wie man sieht: Bis auf die rasierten Beine haben diese beiden Menschen nichts gemeinsam. Immerhin könnten sie sich gegenseitig die Haare entfernen. Das ist doch was.

Zwischen Himmel und Hölle

Stimmt schon, wir sehen die Dinge unterschiedlich. Das ist nicht nur beim Radfahren so.

Ob Shoppen bis zur Bewusstlosigkeit, ein Besuch der Bayreuther Festspiele oder ein Marathonlauf über die Handwerksmesse - was für den einen Entspannung bedeutet, ist für den Partner nur ein Synonym für Hölle.

Doch weil das Leben nunmal aus Kompromissen besteht und diese Erkenntnis auch und ganz besonders für Liebende gilt, begleitet man den anderen bei jenen Dingen, die einem selbst nur mäßig aufregend erscheinen. Damit wenigstens einer Spaß dabei hat.

Während sie also versucht, mit ihrem Hollandrad die Verfolgung aufzunehmen, und sich vor den Erdbrocken duckt, die das Hinterrad seines Mountainbikes ihr ins Gesicht schleudert, gehen ihr folgende Fragen durch den Kopf:

Warum tue ich mir das an? Warum tut er mir das an? Verletze ich mich ernsthaft, wenn ich einfach von Rad falle und einen Herzinfarkt vortäusche?

Da sie berechtige Zweifel hegt, dass er diesen Akt der Verzweiflung überhaupt bemerken, geschweige denn, deswegen anhalten würde (der Schnitt!), tritt sie weiter tapfer in die Pedale.

Sie bekommt kaum noch Luft. Vor ihren Augen beginnt es zu flimmern. Der Abstand vergrößert sich, bis der Mann mit dem Bike zu einem schaukelnden Punkt am Horizont wird.

Das bringt sie zu der Erkenntnis, dass ein Punkt manchmal nicht das Schlechteste ist. Man kann ihn zum Beispiel auch hinter eine Beziehung setzen.

Gerade eben war sie an diesem sympathischen Typen vorbeigeradelt. Er lag im Gras, las Zeitung und hatte ihr überaus freundlich zugelächelt. Sieht aus, als könnte das der Beginn einer wunderbaren Interessengemeinschaft werden.

Die Kolumne "Luft und Liebe" erscheint jeden Mittwoch auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/luftundliebe. Die Autorin wird am Samstag, 21. Juli, bei der "Nacht der Autoren" im Süddeutschen Verlag lesen. Infos unter www.sueddeutsche.de/nachtderautoren.

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