Luft und Liebe:Lauter kaputte Typen

Lesezeit: 4 min

Die Expartner des anderen lassen sich nur schwer verscheuchen. Sie sind überall, schlimmstenfalls liegen sie mit im Bett. Meistens aber sitzen sie bloß im eigenen Kopf.

Violetta Simon

Das Wunderliche an einer neuen Beziehung ist, dass man nicht nur einen Partner bekommt, sondern - sofern man die 16 überschritten hat - dessen Vergangenheit gleich mit dazu. Jeder Mensch schleppt Altlasten und Gebrauchsspuren mit sich herum, wie einen alten Heizlüfter oder einen Mantel aus zweiter Hand. Jenseits der 30 wird es noch schlimmer. Da stehen die Gespenster der Vergangenheit zuweilen Schlange.

Expartner sind die Pest. Sie sind omnipräsent, und ständig fragt man sich: Bin ich auch bald einer von ihnen? (Foto: Foto: iStockphotos)

Doch warum sind wir eifersüchtig auf diese Gespenster? Immerhin sind sie in der vorigen Runde ausgeschieden, die Wege haben sich getrennt, das Kapitel ist abgeschlossen. Außerdem wurde man höchstpersönlich zum Nachfolger erwählt.

Nachfolger. Ein schlimmes Wort. Jeder Nachfolger hat einen Vorgänger. Das geht dem neuen Chef eines großen Unternehmens oder dem Dackel von Oma Koritke genauso. Doch schließlich kann man es jetzt besser machen, wo also liegt das Problem?

Das Problem liegt in unserem Kopf: Von nun an müssen wir es besser machen, sonst werden wir ersetzt.

Expartner sind die Pest. Sie sitzen hinter einem im Kino, mit dabei am Tisch, schlimmstenfalls schauen sie einem beim Liebesspiel über die Schulter. Corinnas Ex war so einer. Dieser Benno war omnipräsent. Jedenfalls für Tobi. Corinna selbst erwähnte ihn nur gelegentlich. Doch was sie dann sagte, genügte vollkommen.

Hin und wieder erzählte sie, wie "unerträglich" gut er aussah und wie froh sie war, dass Tobi "nicht so der Womanizer" war. "Weißt du, einen schönen Mann hat man nie für sich allein", dozierte sie, "das hat schon meine Mutter immer gesagt". Sie tätschelte ihm den Bauch und sagte dann ganz ohne Ironie: "Was ein Glück, dass ich jetzt dich hab."

Tobias fühlte sich dann immer ein bisschen wie ein alter Lappen.

Der Präsident und seine Vorgänger

In letzter Zeit musste er öfter an Nicolas Sarkozy denken. Wie hielt der das nur aus? Der Mann hatte es mit Kevin Costner, Donald Trump und Mick Jagger zu tun. Mick Jagger! Wie konnte der noch ruhig schlafen! Wie konnte er überhaupt bestehen, stets in Brusthöhe mit dieser großen Schönen. Stimmt, da war doch was: Er war der Präsident Frankreichs. Da konnte man schon mal locker bleiben, selbst wenn die Frau an seiner Seite sich hin und wieder nach einem Rockstar verzehrte.

Doch wer war er? Wenn er Corinna richtig verstand, ein lauwarmer Aufguss. Einer, in dessen Gegenwart man seinen Blutdruck bedenkenlos auf Schlafmodus senken konnte.

Aber was ihn noch viel mehr beschäftigte: Wer waren die anderen? Wie vielen Männern hatte sie bereits die drei Worte gesagt? Hatte sie mit einem von ihnen in den Dünen von Maspalomas gezeltet? Von einem gemeinsamen Kleinwagen, einem Reihenhaus geträumt? Wer von ihnen saß schon unterm Weihnachtsbaum ihrer Eltern und hatte sich mit Braten und Klößen füttern lassen?

Die Galerie der Gespenster - Fortsetzung nächste Seite ...

Wenn er daran dachte, wie Corinnas Mutter ihrer Tochter hinter vorgehaltener Hand manchmal zuflüsterte: "Viele Grüße von Duweißtschonwer, der hat sich ja überhaupt kein bisschen verändert!", bekam er jedesmal Pickel. Vermutlich blätterten Mama und Papa daheim durch Fotoalben, in denen sich eine ganze Galerie von Verflossenen befand. Stellten sich vor, was für eine gute Partie der eine, wie tüchtig der andere war. Und hofften, der Tobi-Kelch möge an ihnen vorübergehen und er würde sich als weiteres Bild in die Galerie einreihen. Dann wäre er selbst eines dieser Gespenster.

Nie hatte Tobi jemals eines dieser Schattenwesen gesehen. Sie schienen nicht mehr als einen Platz in Corinnas Erinnerung zu beanspruchen. Dennoch wurmte es ihn. Weil sie ihre Erinnerung nicht für sich behielt, sondern sie mit Kritik verband: "Benno hat mir regelmäßig Blumen geschenkt". "Bei Stefan war es immer so ordentlich".

Behielt sie ihre Erinnerungen aber für sich, wurmte es ihn noch mehr. Vielleicht verschwieg sie ihm etwas.

Alles nur Hampelmänner - hoffentlich

Was wollte er eigentlich wirklich? Am liebsten hätte er sie einmal gesehen, die Legion der Vorgänger. Damit er sich vergewissern konnte, dass sie alle nichts als Gesichtsruinen mit Birnenfigur waren. Oder wenigstens unterbelichtete Hampelmänner. Am besten beides. Obwohl in diesem Fall Corinnas mangelnde Menschenkenntnis nicht unbedingt für ihn sprechen würde.

Doch sprach es vielleicht für ihn, dass er sich so etwas überhaupt vorstellte? Das war doch komplett armselig! Vielleicht waren dieser Benno und dieser Stefan ganz nett. Und das mit den Blumen und der Sauberkeit konnte Tobi im Grunde genommen sogar verstehen.

Und so kaufte er einen gigantischen Strauß und platzierte ihn gut sichtbar auf dem Küchentisch. Als sie nach Hause kam, blieb sie wie vom Donner gerührt stehen. Dann stemmte sie die Hände in die Hüften und drehte sich mit zusammengekniffenen Augen zu ihm um. "Okay, lass es raus", sagte sie, "Unser Urlaub ist storniert. Du hast eine andere. Du willst mich verlassen?" "Wie kommst du denn darauf? Ich dachte, du stehst auf Blumen. Benno hat dir doch auch immer welche geschenkt." "Oh ja, das hat er", sagte sie mit gesenktem Kopf. "Immer, wenn er etwas vermasselt hatte." "Ach. Das hattest du wohl vergessen zu erwähnen, als du es mir unter die Nase gerieben hast", meinte Tobi. "Ich dachte, solche Details interessieren dich doch sowieso nicht." "Aber sicher, gerade solche! Je mieser, desto besser."

Und so erzählte sie. Von Benno, der ständig unterwegs war, weil Surfen, Tauchen und Klettern wichtiger waren als sie. Dass er mindestens einmal die Woche ein Date kurzfristig absagte und sich dafür mit Blumen freikaufte. Von Stefan, der Corinna mit seiner Angewohnheit, selbst das Bett und den Küchentisch zu saugen, in die Flucht getrieben hatte. Von Peter, der sich regelmäßig an ihr Fahrrad kettete, aus Angst, sie zu verlieren, selbst, wenn sie nur in die Uni wollte. Und von Udo, der sich eine Großfamilie wünschte - da war sie gerade mal 16. Sogar von ihrem Kindergartenfreund Felix erzählte sie ihm. Felix hätte ihr immer als Liebesbeweis Kaugummis angeboten - aus seinem Mund.

"Mannomann", sagte Tobi. "Lauter kaputte Typen." "Das kannst du aber laut sagen", seufzt Corinna. "Was ein Glück, dass du mich hast." "Sag ich doch!", erwiderte Corinna und tätschelte ihm den Bauch

Eine Sammlung der besten Kolumnen ist unter dem Titel " Hurra, wir lieben noch!" beim Droemer Knaur Verlag erschienen.

Alle "Luft und Liebe"-Kolumnen im Überblick finden Sie gesammelt unter dem Bookmark www.sueddeutsche.de/luftundliebe

© sueddeutsche.de/mmk - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: