Luft und Liebe:Lass uns Freunde bleiben!

Wenn eine Frau, mit der man gestern noch die Laken zerwühlte, diesen Satz sagt, kann ein Mann nur noch eines tun: sich schleunigst aus ihrem Leben verziehen.

Violetta Simon

"Wir müssen reden" - oh Mann, das war so ungefähr das Letzte, was er nach einem harten Arbeitstag hören wollte. Das kam gleich nach "Trag den Müll runter" oder "Was denkst du gerade?"

frau und mann

Gute Miene zum bösen Spiel: Wir können ja Freunde bleiben.

(Foto: Foto: iStockphoto)

Doch am Ende dieses Gesprächs wusste er: Diese Phrasen waren bei weitem nicht das Schlimmste gewesen, was er je gehört hatte. Es gab jetzt einen neuen Favoriten, und der lautete: "Lass uns Freunde bleiben."

Sie hatte es ganz ruhig ausgesprochen. Ihn dabei aus ihren großen, braunen Rehaugen angeschaut. Seine Hände in ihre genommen. Und dann einfach so sein Herz zerquetscht. War darauf herumgetrampelt und hatte Salz in die blutenden Ritzen gestreut. Alles mit diesem einen Satz.

Und er? Hatte die Reste vom Boden gekratzt und gestammelt: "Wie du meinst." Als sie gegangen war, konnte er nicht glauben, dass er sich so abspeisen ließ. Hatte er noch alle Tassen im Schrank? Dieses eiskalte Biest war gestern noch die Frau seines Lebens, sie wollten nach Kenia reisen, Kinder haben, ein Haus kaufen. Und jetzt? Abgestempelt zum Kumpel. Zum Händchenhalter zweiter Klasse.

Grausamer als die Knef

"Lass uns Freunde bleiben." Welcher Scherzkeks hatte sich das bitte einfallen lassen?

Die Sängerin Hildegard Knef hatte in Sachen Liebe nie lang rumgeheult. Wenn es aus war, war es eben zu Ende. Die knochentrockene Frau mit den tragischen Tränensäcken sang ganz ungerührt: "Wer wird denn weinen, wenn man auseinandergeht". Die Zeile "Lass uns Freunde bleiben" hat sie nicht gesungen, niemals. Davon ist in keinem ihrer Songs auch nur ein Wort zu hören. So abgeklärt war selbst die Knef nicht. Und vor allem war sie keine Lügnerin, sondern nannte die Dinge beim Namen.

Eine Frau aber, die sagt: "Lass uns Freunde bleiben", meint eigentlich: Es tut mir leid, dass du meine Zeit verschwendet hast. Ich verstehe wirklich nicht, was ich mal von dir wollte. Ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich dich verliebt in mich gemacht habe und jetzt kein Interesse mehr habe. Ich finde dich peinlich, du nervst unheimlich. Ich brauche jemanden, der ab und zu meinen Computer repariert, die Getränkekisten hochträgt und mich nach Hause fährt.

Was sie wirklich niemals damit ausdrücken will, ist: Dass sie an einer echten Freundschaft interessiert ist. Allerhöchstens will sie sagen: Im Bett bist du einfach nicht zu gebrauchen. Aber wenigstens magst du französische Filme. Fürs Kino reicht es also. Bei der Vorstellung, neben ihr im Kino zu sitzen und dabei seine Hand nur noch aufs eigene Knie zu legen, bekam er jetzt schon hektische Flecken.

Seit wann sind Liebespaare Freunde? Fortsetzung nächste Seite ...

Lass uns Freunde bleiben!

Lass uns Freunde bleiben - das würde ja bedeuten, man sei bereits befreundet. Doch seit wann sind Liebespaare Freunde? Hört man zwischen Freunden Sätze wie: "Wo warst du gestern?" "Räum endlich dein Zeug weg." "Entscheide dich: deine Mutter oder ich."? Nein, hört man nicht.

Und mal abgesehen davon: Warum sollte er ausgerechnet mit jemandem befreundet sein, der sein Leben versaut und sein Selbstbewusstsein in einen Scherbenhaufen verwandelt hat? Der dafür gesorgt hatte, dass der Badezimmerschrank, das Bett, ja die ganze Wohnung plötzlich zu groß war. Dass auch er schleunigst ausziehen musste, weil die horrende Miete ihn sonst den Kredithaien zum Fraß vorwerfen würde.

Was soll er mit ihr anfangen?

Freunde sind schließlich nicht dazu da, einen zu zerstören. Ihre Aufgabe ist es, einen zu trösten, sich immer wieder dieselben Jammergeschichten anzuhören, zu bestätigen was für ein toller Hecht man sei und dass man sowieso was Besseres verdient habe als diese Schnepfe.

Würde sie diesen Job nun übernehmen? Würde sie sich geduldig anhören, wie mies es ihm jetzt ging und was sie alles verbockt hatte? Wohl kaum. Nach dem dritten Bier würde sie vom Hocker fallen. Nebeneinander pinkeln und dabei über Frauen lästern, konnte man mit ihr auch nicht. Außerdem wäre es ziemlich unwahrscheinlich, dass sie ihm anerkennend auf die Schulter klopfen und einen ausgeben würde, nur weil er am Abend zuvor die hübsche Dunkelhaarige rumgekriegt hatte.

Warum können die meisten Menschen nicht einfach mit Anstand auseinandergehen? Statt dem anderen eine Fortsetzung in der Light-Version in Aussicht zu stellen, könnte man einfach die Wahrheit sagen: "Es ist aus. Für immer." Sonst nichts.

Und weil man gerade dabei war, könnte man auch gleich noch klarstellen: "Erstens wäre es gelogen, wenn ich sage, dass es nicht an dir liegt. Zweitens habe ich bereits einen anderen. Und drittens: Nein, ich will auf keinen Fall, dass du mich ab und zu anrufst." Das wäre zumindest ehrlich und somit einer Freundschaft würdig.

Wie wäre es mit ein bisschen Sex?

Er hätte ja im Prinzip gar nichts dagegen, in Verbindung zu bleiben. Mann könnte zum Beispiel ab und zu ein bisschen Sex haben. Das würde ihn über den Verlust hinwegtrösten. Um ehrlich zu sein, wäre es in seinen Augen sogar ein überaus akzeptabler Kompromiss. Komischerweise hatte sie für seine Idee überhaupt nichts übrig, als er ihr am nächsten Tag vorschlug, das mit der Freundschaft zu vergessen und lieber miteinander ins Bett zu gehen.

Wie stellte sich seine künftige Ex-Freundin das eigentlich vor? Dass er, der gestern noch einen legitimen Anspruch auf gemeinsam duschen und Zehennuckeln hatte, sich nun damit zufrieden gab, sie in den Baumarkt zu begleiten und ihr die Küchenzeile in der neuen Wohnung zusammenzubauen? Was die Gute brauchte, war kein Freund, sondern eine Kreuzung aus Handwerker, Möbelpacker und Taxifahrer.

Was er jetzt hingegen brauchte, war ein richtiger, ein wahrer Freund. Einer, der sich anhörte, wie mies es ihm ging. Der mit ihm trinken konnte, im Stehen pinkeln und über Frauen lästern. Und der ihm einen ausgeben würde, wenn er es endlich schaffen würde, die hübsche Dunkelhaarige abzuschleppen.

Und wenn die ihn dann abspeisen würde mit dem Satz "Och ne du, aber wir können ja Freunde sein", würde sein Freund ihm erst recht einen ausgeben. Und noch einen. Und noch einen. Was ein echter Freund eben so tut.

Die Kolumne "Luft und Liebe" erscheint jeden Mittwoch auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/luftundliebe

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