Luft und Liebe:Kampf um die Knipse

Wer hat die Macht? Im Streit um die Fernbedienung hört die Liebe auf, denn: Hier zeigt sich, wer auf der Couch wirklich das Sagen hat.

Violetta Simon

Hand aufs Herz: Nach einer gewissen Beziehungsdauer gewinnt das Wohnzimmer wieder vermehrt an Attraktivität. Die meisten Abende beenden beide - vollständig bekleidet - auf der Couch. Zu unsittlichen Rangeleien kommt es höchstens noch beim täglichen Kampf um die Fernbedienung.

luft und liebe: kampf um die fernbedienung

Beim Streit um die Fernbedienung geht es um weit mehr als ein batteriebetriebenes Gerät: Eine Frage von Macht, nicht von Diplomatie.

(Foto: Foto: iStock-Photo)

Wer sich nun fragt, wie man nur so dumm sein kann, sich um eine Knipse zu zanken, hat etwas Maßgebliches nicht verstanden: Hier geht es um weit mehr als ein batteriebetriebenes Gerät. Es geht um die Verteilung von Macht. Wenn Angela Merkel die Möglichkeit hätte, würde sie die Gipfeltreffen mit Putin auf genau diese Form des Kräftemessens reduzieren. Das wäre weitaus effektiver als sich wochenlang die Nächte um die Ohren zu schlagen und sich in Diplomatie zu üben.

Wenn eine Frau und ein Mann vor einem Fernseher sitzen, geht es nicht darum, sich auf einen Film zu einigen. Die Frage ist: Wie gelangt man dorthin und auf welche Art und Weise sieht man ihn an. Hechelt man auf den betreffenden Kanal zu, bis beiden die Zunge raushängt, und verfolgt den gewünschten Film in zerhackstückelten Episoden, weil zwischendurch ein nervöser Finger in epileptisch anmutenden Zuckungen auf der Tastatur herumhüpft und mal eben kurz den Sportkanal frequentiert, bei den "Simpsons" vorbeischaut und einen Abstecher bei "Galileo" macht?

Oder schaltet man Montagskino ein und sieht sich einfach nur den Film an. Kommt ganz darauf an, wer sich die Fernbedienung angelt.

Atemloses Gehopple oder Schneckentempo

Männern genügt es nicht, zu wissen, ob was Gutes in der Glotze läuft. Sie müssen immer auch wissen, was zur selben Zeit sonst noch alles läuft. Zu diesem Zweck wurden eigentlich TV-Magazine erfunden. Doch lieber würde sich ein Mann den Arm abschneiden, als diese Informationen einer Zeitung zu entnehmen. Das wäre für ihn vermutlich ebenso absonderlich wie im Auto zu sitzen und nach dem Weg zu fragen.

Also hoppelt er atemlos quer durch alle Kanäle, auf der Suche nach der ultimativen Unterhaltung. Und zwar im Sekundentakt. Hat er sich in drei Minuten durch sämtliche Kanäle gezappt, beginnt das Spiel von vorne - nur für den Fall, dass mittlerweile eine neue Sendung begonnen hat. Außerdem hat er inzwischen den Überblick verloren, auf welchem der Kanäle jetzt etwas wirklich Interessantes gelaufen ist.

Einen Mann beim Fernsehen zu beobachten, ist für eine Frau die reine Qual. Es erzeugt bei ihr eine Art Fluchtreflex, ähnlich wie bei jemandem, der in einem Bienenstock erwacht oder erkennt, dass er neben einer tickenden Zeitbombe sitzt.

Doch umgekehrt ist es nicht besser: Hat eine Frau die Fernbedienung erwischt, vermag sie einen Mann innerhalb von Minuten in den Wahnsinn zu treiben. Während sie vor sich hinmurmelt, Salzstangen knabbert und an einer Haarsträhne spielt, schlingert sie im Schneckentempo durch das Abendprogramm. Bei "Rosamunde Pilcher" hängt sie minutenlang herum, bis sie einsieht, dass hier nichts zu holen ist. Selbst Tier-Dokusoaps, Verkaufssender und Liveübertragungen aus dem Recklinghausener Zoo bekommen eine faire Chance.

Tatenlos muss er mitansehen, wie sie sich auf dem dritten, vierten Kanal für den erstbesten Film entscheidet, sich zurücklehnt und die Fernbedienung unbenutzt in der Hand wiegt. "Willst du gar nicht wissen, was sonst noch kommt?", fragt er ungläubig. 90 Minuten in denselben Film glotzen - der Abend ist für ihn gelaufen.

Immer schön der Reihe nach

Männern wird ja gerne vorgeworfen, sie seien nicht multitaskfähig. Stimmt, der Mann kann nicht mehrere Dinge zur gleichen Zeit tun. Aber er kann sie hintereinander: 60 Kanäle pro Minute durchömmeln, das volle Programm, wie ein Besessener. Und das Beste: Er ist vollkommen im Bilde. Schreit sie "Halt! Lass das mal!", ist er schon drei Programme weiter und antwortet lapidar: "Das war doch nur Müll." Sie glaubt ihm nicht und keift: "Woher willst du das wissen, wenn du wie ein Irrer durch die Programme hechelst?" Also schaltet er zurück, gibt ihr drei Minuten Zeit, um ebenfalls zu erkennen: Das ist Müll. Wie er das herausgefunden hat, wird ihr immer ein Rätsel bleiben.

Nur wenn etwas sein Interesse weckt, verweilt er kurz. Und hier beginnt das nächste Problem: An der Definition von "kurz" sind schon Beziehungen zerbrochen. Oft genug passiert es nämlich, dass er eine Pause einlegt, um dann plötzlich im spannendsten Moment weiterzuschalten: "Herr Schäuble, wie rechtfertigen Sie Ihren umstrittenen Vorschlag ..." ZAPP! "Deine Eltern haben dir viel zu lange verschwiegen, dass ... "ZAPP! "Wie soeben bekannt wurde, hat das Pentagon beschlossen, alle Flughäfen ... " ZAPP!

Würde also Penelopé Cruz zu Brad Pitt sagen: "Ich verrate dir ein Geheimnis, ich bin ...", kann man darauf wetten, dass einem in der nächsten Sekunde ZAPP! Waldemar Hartmann oder Reinhold Beckmann auf der Mattscheibe entgegenflimmert.

Auch wenn es übermenschlicher Anstrengung bedarf, aufkeimende Mordgelüste zu unterdrücken: Jetzt sollte man gelassen bleiben und abwarten. Denn es wird nicht mehr lange dauern und sein gehetzter Blick weicht, seine Gesichtszüge glätten sich. Die Gefahr, jetzt noch etwas zu versäumen, das spannender ist, hat sich für ihn rapide reduziert. Er kann sich locker machen. Im Klartext: Es passiert, was jedem Mann früher oder später blüht - der Fernsehschlaf wird ihn übermannen.

Dann heißt es: Her mit der Knipse und: ZAPP! Endlich allein mit Brad Pitt und George Clooney. Jetzt noch auf das Romantikprogramm wechseln. Und die Couch wird wieder zur Spielwiese.

Oh Mann! Wo zum Teufel kann man bei dieser dämlichen Fernbedienungen das Schnarchen vom Nebenmann leiser stellen?

Die Kolumne "Luft und Liebe" erscheint jeden Mittwoch auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/luftundliebe. Die Autorin wird am Samstag, 21. Juli, bei der "Nacht der Autoren" im Süddeutschen Verlag lesen. Infos unter www.sueddeutsche.de/nachtderautoren

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