Luft und Liebe:Erotik-Campen als Paartherapie

Wer mit seinem Partner vor dem grauen Novemberwetter in den Süden flüchten will, sollte wissen: Zwei Drittel aller Paare lassen sich nach dem Urlaub scheiden. Deshalb sorgen Sie besser für Abwechslung.

Violetta Simon

November. Grau. Feucht. Widerlich. Kein Wunder, dass jeder, der auch nur ein bisschen Geld und Zeit übrig hat, die Koffer packt und ein paar Breitengrade nach Süden flieht.

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Erotik-Campen, Gruppensex, Motocross - Hauptsache, keine Zeit für Langeweile.

(Foto: Foto: iStockphoto)

Sonne. Strand. Meer. Endlich mal Zeit für den Partner. Doch bevor hier die ersten gleich losrennen und ihre Badehose einpacken: erst mal Eheverträge, Unterhaltsregelungen und die Nummer eines Scheidungsanwalts heraussuchen! Viele von Ihnen werden sie brauchen, wenn Sie wieder da sind.

Denn: Mehr Zeit für den Partner bedeutet: mehr Zeit für Streit. Nicht ohne Grund wird jede dritte Scheidung nach einem Urlaub eingereicht. In Italien sogar jede zweite.

Gerade weil man im Urlaub mehr miteinander spricht, schläft und unternimmt, merkt man, wie langweilig der andere am Tisch, wie schlecht er im Bett, wie peinlich er am Strand ist. Und wie wenig man zueinander passt.

Da wundern sich die Leute immer, wie man sich am Meer, unter Palmen, bei 30 Grad im Schatten nur streiten kann. Ja, wann denn sonst, wenn nicht da?

Im Alltag bekommt man von seinem Partner ja nicht genug mit, um sich über ihn aufzuregen. Jemand, der den ganzen Tag in der Arbeit sitzt, abends vor dem Fernseher einschläft und am Wochenende hinter der Zeitung oder auf dem Laufband verschwindet, ist zwar unter Umständen nicht das, was man sich zu Beginn dieser Beziehung erhofft hatte. Aber er nervt wenigstens nicht.

Endlich Zeit für Streit

In einer deutschen Durchschnittsbeziehung sprechen die Partner täglich acht bis zehn Minuten miteinander. Gerade genug, um zu klären, wer heute einkauft, nicht nach Hause kommt oder was erledigt werden muss. Am Abend und an den Wochenenden kann man sich wunderbar in verschiedenen Zimmern aufhalten, irgendwas aufräumen, die Zeitung lesen, eine Sendung gucken oder, wenn es sein muss, sogar mit den Kindern spielen. Hauptsache, es kommt keine Stille auf.

Am Strand ist das was anderes. Es gibt keine Aufgaben, nichts zu tun. Keine Ablenkung. Kein Ausweg. Da wird schnell klar, ob man sich was zu sagen hat. Oder tagsüber schweigend nebeneinander in der Sonne brät.

Spätestens der Abend bringt es an den Tag: Zwei Wochen Halbpension nagelt ein Paar ganz unverhofft Abend für Abend gemeinsam an einen Tisch, wo sie sich stumm gegenübersitzen und sich in die sonnengegerbten Gesichter sehen können. Nach dem vierten oder fünften gemeinsamen Dinner in einem romantischen Lokal gehen schon mal die Themen aus. Kein Buch, hinter dem man sich verstecken kann. Keine Sonnenbrille, die so tut, als würde man schlafen.

Mit anderen Worten: Genau der richtige Zeitpunkt, längst vergessene, verdrängte oder nie bemerkte Unarten beim anderen aufzustöbern.

Vielleicht bemerkt der eine oder andere, dass seine Frau die Angewohnheit hat, jedesmal, wenn sie sich an einen Tisch setzt, sich theatralisch zurückzulehnen und auszurufen: "Hach, ist das nicht paradiiiesisch!" Und dann dermaßen penetrant - geradezu anbiedernd - freundlich zu den muffigen Kellnern zu sein. Man könnte meinen, sie käme nie raus. In Wirklichkeit demonstriert sie damit, dass in ihr eine multikulturelle Seele schlummert, die alles, was es in diesem Land gibt, besser findet als zu Hause - jedenfalls für zwei Wochen. Wirft er ihr einen genervten Blick zu, sagt sie: "Gott, du bist einfach so deutsch!"

Sie hingegen könnte platzen vor Wut, wenn er jedesmal Kebab bestellt, nur, weil er den Kellner nicht fragen will, was "tamaya" , "kofta" oder "fesich" ist. Und dann schlechte Laune verbreitet, weil er "endlich mal wieder was Richtiges essen möchte" - so ein Ignorant!

Erholung - eine Gefahr für jede Beziehung

Am schlimmsten ist es in Urlauben, bei denen man - wie sagt man so schön: "die Seele baumeln lässt". Das einzige, was hier ganz schnell einen Durchhänger bekommt, ist die Motivation, den anderen den ganzen Tag um sich zu haben. Wenn man den Partner zwischen Stirnguss und Massage dabei beobachtet, wie er sich ächzend in seinem Liegestuhl windet, wird schnell klar, was der Unterschied zwischen Entspannung und Langeweile ist.

Es ist also durchaus nicht vermessen zu sagen, dass ein Actionurlaub die Ehe retten kann. Wenn einer sich beim Parasailing von einem Motorboot durch die Luft ziehen lässt, während der andere die Unterwasserwelt erforscht, hat man sich abends wenigstens was zu erzählen.

Nun versteht unter Action jeder etwas anderes. Manchen treibt schon der Anblick einer Kegelbahn den Schweiß auf die Stirn, andere hören erst beim Stichwort Motocross oder Snow-Rafting zu gähnen auf.

Erotik-Campen, Gruppensex, Kamasutra-Kurs

Wen das alles nicht reizt, kann etwas vollkommen anderes ausprobieren: den Erotikurlaub. Immer mehr Paare begeistern sich für ein Swinger-Wochenende in einem Schweizer Chalet, Erotik-Campen am Balaton oder Kamasutra-Kurse in Südtirol.

Ein Blick ins Internet zeigt, wie groß der Bedarf an Abwechslung in diesem Bereich ist: "Meine Frau und ich brauchen eine Woche Abstand zu unseren konventionell lebenden Freunden, in der wir entspannen und unsere Aufgeschlossenheit leben können."

Will sagen: "Eigentlich sind wir ein ganz normales Spießerpaar in einem ganz durchschnittlichen sozialen Umfeld in einer Reihenhaussiedlung, das zwischendurch gerne mal die Sau rauslässt. Aber nur in einer fremden Umgebung, wo uns keiner kennt."

Und wenn schon: Hauptsache, es passiert irgendwas und man sieht den Partner wieder mit anderen Augen. Nach einer Woche Schaumparties, Partnertausch und Gruppensex im Tartarenzelt hat man sicher genügend Abwechslung für ein Beziehungsleben erlebt.

Schade nur, dass man daheim bei seinen Spießerfreunden nicht damit angeben kann.

Die Kolumne "Luft und Liebe" erscheint jeden Mittwoch auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/luftundliebe

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