Londoner Restaurant "Fat Duck":In die Suppe gespuckt

Lachs in Lakritz, Limetten in Stickstoff - das Restaurant "Fat Duck" gilt als das zweitbeste der Welt. Nun sind 40 Gäste nach dem Besuch bei Heston Blumenthal erkrankt - dem Ruhm tut das keinen Abbruch.

W. Koydl

Dass Heston Blumenthal gut kochen kann, muss er niemandem mehr beweisen. Drei Sterne verleihen die Restauranttester von Michelin schließlich nicht an jeden Koch, und Blumenthals Restaurant im romantischen Dörfchen Bray im Westen von London rühmt sich nicht nur dieser Auszeichnung.

Londoner Restaurant "Fat Duck": Heston Blumenthal hat gut lachen: Obwohl seine Gäste erkrankt sind, wird die Warteliste für sein Restaurant "Fat Duck" immer länger - das Ergebnis einer beispielhaften Öffentlichkeitsarbeit.

Heston Blumenthal hat gut lachen: Obwohl seine Gäste erkrankt sind, wird die Warteliste für sein Restaurant "Fat Duck" immer länger - das Ergebnis einer beispielhaften Öffentlichkeitsarbeit.

(Foto: Foto: AFP)

Kochkollegen aus dem In- und Ausland haben die "Fat Duck" zudem seit Jahren konstant zum zweitbesten Restaurant der Welt gewählt, an die Spitze setzen sie den ebenso expermentierfreudigen Spanier Ferran Adrià.

Doch der 43-jährige Blumenthal erweist sich nicht nur am Herd als ein Virtuose; auch seine Art der Öffentlichkeitsarbeit im Angesicht der schlimmsten Katastrophe, die man sich als Koch vorstellen kann, ist beispielhaft. Denn es war Blumenthal, der die Medien in der vergangenen Woche darüber unterrichtete, dass etwa 40 Gäste der "Fat Duck" an Brechdurchfall erkrankt waren, und es ist Blumenthal, der die Presse seitdem über den Fortgang der lebensmittelhygienischen Untersuchungen auf dem Laufenden hält.

Frühestens am Donnerstag, so schätzt der britische Koch vorsichtig, könnte er die Türen des Restaurants wieder öffnen, etwas mehr als eine Woche nachdem er sie bis auf Weiteres geschlossen hatte. Den finanziellen Verlust taxiert er auf 80.000 Pfund. Viel Geld, aber die Summe wird verständlich, wenn man weiß, dass man um die 200 Pfund pro Person und Besuch einkalkulieren muss, wenn man bei Blumenthal essen will. Wer reserviert, muss bis zu drei Monate warten, bis er sich endlich an den Tisch setzen kann.

Teilweise kann Blumenthal bereits Entwarnung geben. "Keiner der Tests, die bisher gemacht wurden, hat Anzeichen für eine Lebensmittelvergiftung oder auf mangelnde Sauberkeit gegeben", sagt er am Telefon. "Alles deutet auf ein Virus hin, das von irgendjemandem hereingetragen wurde und die Gäste angesteckt hat."

Über drei Wochen wurden Besucher infiziert

Ein Indiz für diese Vermutung, so Blumenthal, habe ihm ein weiblicher Gast gegeben. "Ihr und ihrem Mann war auch schlecht geworden. Als es ihnen wieder besser ging, fing es bei den Kindern an, und die waren nicht im Restaurant." Bei dem Virus muss es sich um einen hartnäckigen Krankheitserreger gehandelt haben, immerhin infizierte er Besucher über einen Zeitraum von drei Wochen.

"Dann habe ich beschlossen, den Laden vorsorglich dichtzumachen", sagt Blumenthal. "Ich wollte nicht unter der Drohung leben, dass jeden Tag ein anderer Gast anruft und sagt, er sei krank geworden." Der Schock sitzt gleichwohl tief: "Nie im Leben habe ich etwas auch nur entfernt Vergleichbares erlebt", stöhnt der Spitzenkoch, der - ein reiner Autodidakt - nie bei einem Spitzenkoch in die Lehre gegangen ist und die "Fat Duck" vor 14 Jahren eröffnete. "Mein Restaurant ist meine Leidenschaft und meine Liebe."

Das Menü Blumenthals, den man einen kulinarischen Alchemisten genannt hat, ist freilich ein wenig gewöhnungsbedürftig. Die von ihm mitkreierte Molekularküche konzentriert sich nicht nur auf Zutaten und Zubereitung, sondern auch auf biochemische und physikalisch-chemische Prozesse beim Kochen und beim Essen.

Das Ergebnis sind Kreationen, die auf den ersten Blick - und womöglich auch beim ersten Biss - befremdlich anmuten: Blumenkohl-Carpaccio mit Schokoladen-Gelee beispielsweise, Mousse aus grünem Tee und Limetten in flüssigem Stickstoff oder gegrillte Gänseleberpastete "Benzaldehyd". Dagegen nehmen sich Lachs in Lakritzgel oder Schneckengrütze fast schon als Mainstream aus.

Dass ein übelwollender Konkurrent irgendwie hinter den geheimnisvollen Erkrankungen steckt, kann sich Blumenthal nicht vorstellen. "Sicher, wenn man alles testet, alles prüft und nichts findet, dann kommen einem schon die merkwürdigsten Gedanken", gibt er zu. "Aber das wäre dann doch sehr unwahrscheinlich." Seine Gäste jedenfalls, überwiegend Stammkunden, halten ihm bislang die Treue.

"Niemand hat eine Reservierung storniert", bekräftigt er, "und das, obwohl alle, die in den vergangenen Tagen gebucht hatten, nun wieder zwei Monate warten müssen. Ein Gast, eine gewisse Diana aus der Grafschaft Lincolnshire, brachte es auf den Punkt: "Ich gehörte zu jenen, die betroffen waren, und meine Freunde und ich waren nach der anfänglichen Krankheit sehr schwach", gestand sie auf der Website der Times. "Aber ich muss sagen, dass ich das Essenserlebnis durch und durch genossen habe und es um nichts auf der Welt hätte missen wollen."

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