Lob der Realität:Hymne an den Flip-Flop

Peter Licht für die Kolumne GES4 Foto: Christian Knieps

PeterLicht ist Autor und Musiker und schreibt an dieser Stelle jede Woche die Kolumne "Lob der Realität". Darin erklärt der Künstler die Welt. Er lebt und arbeitet auf dem Boden der Tatsachen.

(Foto: Christian Knieps)

Der Sommer bäumt sich noch einmal auf und die Schnitzarbeiten an den metrosexuellen Nervzehen gehen in die letzte Runde.

Von PeterLicht

Oh, sieh die Menschen an den warmen Tagen, wie sie ihre Zehen rausholen! Oh, sieh die Leute mit ihren Zehen an den schönen Tagen! Oh, der Wahrhaftigkeitsreflex, die Zehen müssen raus! Und sieh die Vorarbeiten, die notwendig sind, um einen urbanen, metrosexuellen Zeh der Außenwelt präsentieren zu können! Eigentlich gehört der urbane, metrosexuelle Zeh ja zur Innenwelt. Zur Unterwelt des Innenschuhs. Doch jetzt auf einmal muss er raus und wir sind Zeuge seines Coming-outs!

Oh! Oh, welche Schnitzarbeiten notwendig sind, um die zehn kleinen Dinger bühnenreif hinzukriegen! Oh, sieh! Überstehende Hornteile müssen abgetrennt werden. Entscheidungen müssen gefällt werden: Lässt man die Nagelflächen mondsichelförmig an den Enden verjüngend auslaufen, oder schneidet man die Hornmasse eher winklig ab, sodass der Nagel etwas übersteht? Bohrt man sich mit dem Schneidwerkzeug unter den Nagel und schneidet ihn schon unten im fleischigen Nagelbettbereich, sodass die Sichel entsteht? Oder bewegt man sich im Oberflächenbereich, und das gerade Gegenteil entsteht: eine überstehende Fußnagelecke? Die auch schon mal, wenn man unbedacht mit ihr in Berührung kommt, nicht unbeträchtliche Schlitzwunden verursachen kann, wenn ein solcher Säbelzeh an ein anderes Bein gerät? Oh! Selbst wenn man sich aber für die etwas weniger aufwendige fußnageleckenbildende Schnitzvariante entschieden hat, muss man trotzdem noch säubernd tätig werden und die Substanzmasse entfernen, die sich zwischen Nagel und Nagelbettbereich angesammelt hat, da wo rechts und links entlang der Nagelplatte der fleischige Umschluss oder Einschluss durch das Zehenfleisch stattfindet! Oh ja. Das alles mag jetzt in seiner Beschreibung etwas zu detailliert ausgefallen sein, aber es ist die Wahrheit und die muss auf den Tisch! Aber es geht ja noch weiter: Die Schnitzarbeiten an den metrosexuellen Nervzehen sind ja nur die Vorarbeiten! Es geht ja noch weiter mit den Schleifarbeiten an den Hornhäuten, den Polierarbeiten an den Nägeln, den Eincremungsbestrebungen in der Gesamtfußzone, mit der Nagelhautzurückschiebungsschabung im Fuß-Frontbereich!

Oh Menschen! Wie ihr uns alle eure urbanen Nervzehen entgegenschleudert beim Gehen! Die hochaufgejuchzten Einzelzehen, die im Flippfloppanker hängen und flapp flapp bei jedem Schritt aufspreizen und abwalken auf der flippfloppgewordenen Gummischeibe! Da laufen sie! All die Menschenfüße! Sie laufen wahrhaftig durch diesen Tag. Es ist ein ehrliches Bestreben: Sie gehen über den Boden. Sie finden ihren Weg. Die Füße. Sie tragen die über ihnen daherkommenden Menschen auf deren Lebensweg!

Und so läuft er über die Straßen dieser Zeiten, der Flip-Flop. Er trägt die Menschen. Federnd auf dem Gummi ihrer Floppsohlen finden sie ihren Weg - die Menschen, dahergefloppt. Wohlan!

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