Little Britain:Schimpfwörter der übelsten Sorte

Es ist an der Zeit, über die Gründung eines Suede-Fanklubs nachzudenken. Das hätte zwar Schlägereien und eine verhängnisvolle Affäre zur Folge, aber so ist sie eben: die Macht der Musik. Fast niemand kann sich ihr entziehen.

Christian Zaschke, London

Im Februar 1997 saß ich in Edinburgh herum und verfasste den langweiligsten Essay meines Lebens. Es ging um schottische Kirchengeschichte im 17. Jahrhundert, und ich brauchte zur Fertigstellung des Textes so lange, dass ich das Suede-Konzert verpasste. Das wiederum habe ich der schottischen Kirchengeschichte nie verziehen.

Suede

Brett Anderson ist Sänger der britischen Band Suede - und der Grund, wegen dem Gitarrist Bernard Butler die Band verließ.

(Foto: picture alliance / dpa)

Monate vorher hatte ich die Karte gekauft, aber dann musste ich diesen Essay am Morgen des 14. Februar abgeben, und ich kam nicht voran. Also schrieb ich die Nacht durch, statt aufs Konzert zu gehen, und wenn ich heute noch einmal sehr kurz und dann nie wieder daran denke, kann ich nicht fassen, dass ich tatsächlich so ein pflichtbewusster Trottel war.

Ich saß die ganze Nacht an meiner blauen Olivetti Praxis 100, trank literweise Instant-Kaffee aus der FC-Liverpool-Tasse meines Mitbewohners Stuart und tippte Seite um Seite mit irrsinnig uninteressantem Zeug voll. Dabei stieß ich Schimpfwörter der üblen Sorte aus und hörte ununterbrochen die ersten beiden Alben von Suede, was dazu führte, dass ich anschließend erstmal ein Jahrzehnt Pause von der Band brauchte.

Vor zwei Wochen hatte ich Suede schon einmal sehr am Rande erwähnt, was zu einem Schwarm an Post führte. Es war nicht so viel wie neulich, als ich über Ameisen geschrieben hatte. Aber es war doch eine so erstaunliche Menge an Mails, in denen die Band gepriesen wurde, dass sich ein veritabler Suede-Fanklub gründen ließe.

In diesem gäbe es, wie in jedem ordentlichen Fanklub, rasch einen Richtungsstreit. Die Hardliner-Fraktion wäre der Ansicht, dass lediglich die ersten beiden Alben etwas taugen, weil nur auf denen Bernard Butler Gitarre spielt, ein Genie. Allerdings hat Butler sich 1994 mit Sänger Brett Anderson so sehr gestritten, dass die beiden einander zum Abschied mit Schimpfwörtern der übleren Sorte bedachten. Die andere Fraktion würde auch die späteren Alben gelten lassen, auf denen irgendwelche Fuzzis Gitarre spielen.

Die Klubtreffen wären überschattet von hitzigen Debatten, und dann finge zu allem Überfluss auch noch die stellvertretende Vorsitzende was mit dem Schriftführer an, obwohl der zur verfeindeten Fraktion gehörte. Auf dem letzten Treffen des Klubs ergäbe ein Wort das andere, bis es schließlich zu den Klängen von "We are the pigs" vom Meisterwerk "Dog Man Star" zum Austausch von Schimpfwörtern der übelsten Sorte und einer Massenschlägerei käme.

Da ich an jenem Abend des 13. Februar 1997 merkte, dass der Essay nicht rechtzeitig bis zum Konzert fertig werden würde, schenkte ich Stuart die Karte. Als ich ihn am nächsten Morgen fragte, wie es gewesen sei, erklärte er, dass er beim Vorglühen im Pub hängengeblieben war und es leider nicht zum Konzert geschafft hatte.

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