Liebes Leben:Tratsch, lass nach!

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(Foto: N/A)

Schwere Krankheiten, peinliche Fehltritte, plötzliche Schwangerschaften: Unsere Daten müssen besser geschützt werden - das gilt besonders für den Datenhandel unter Freundinnen.

Von Franziska Storz

Die in der Menschheitsgeschichte bis zum Jahr 2003 gesammelte Datenmenge fiel zehn Jahre später in nur 48 Stunden an. Und inzwischen hat sich ja rumgesprochen, dass das Sammeln und die Auswertung unserer Daten Gefahren birgt. Das Leben im Big-Data-Zeitalter bedeutet, dass Informationen über uns eingesaugt und ständig statistisch ausgewertet werden. Kurzum: Früher wurde ein Versicherungsunternehmen reich, wenn es viele Menschen versicherte. Heute ist es für die Firma schlauer, nur die zu versichern, die seine Bilanz möglichst wenig belasten.

Ich ernte im aufgeklärten Freundeskreis also regelmäßig Entsetzen, wenn ich zugebe, noch Urlaubsfotos bei Facebook zu posten oder wenn ich noch ernsthaft von personalisierter Werbung geschockt bin, weil mich die gegoogelten Herrensocken seit einem Jahr in meiner Timeline verfolgen. Und sie haben ja recht. Unsere Daten müssen besser geschützt werden. Wir müssen wissen, wofür sie verwendet werden. Aber ich frage mich schon, wieso um Himmels willen, wenn alle so sensibilisiert sind, kein Mensch mehr was im Privaten für sich behalten kann!

Als ich schwanger wurde, habe ich das einer guten Kollegin "im Vertrauen" erzählt. Am nächsten Tag gratulierte meine Chefin. Selbst unter guten Freundinnen ist der Satz "Behalte das bitte für dich" die beste Garantie fürs Weitertratschen. Besonders schwierig finde ich es, wenn Eheleute sich als Wissensgemeinschaft begreifen und man sich beim Betreten der Wohnung fragt, ob die Freundin ihrem Mann wohl weitererzählt hat, dass man neulich die Kopfläuse vom Schulkind geerbt hatte. Einfach nur weil die beiden "über alles reden können". Dabei gibt es eigentlich einfache Gesetze: Geheimnisse, in denen das Wort Trennung, Tod oder Tumor vorkommt, sollten nicht weitererzählt werden. Denn das Geheimnis gehört demjenigen, der es erzählt. Man muss also erst um Freigabe bitten oder sich auf die Zunge beißen.

Beim Datenhandel unter Freundinnen - von dem ich mich selbst nicht ganz freispreche - geht es ja weniger darum, sich ernsthaft Sorgen zu machen. Er dient vor allem dem eigenen Ego. Schau hin, liebes Ego! Wir tragen zwar unsere Falten wie kratzige Strumpfhosen durch die Gegend, haben diesen Monat nicht viel Geld und schlechte Laune, aber: Den anderen geht's noch schlechter als uns.

Männer sind da anders. Vielleicht ein bisschen zu anders. Ein Freund traf sich neulich mit einem Bekannten, dessen Mutter gestorben war. Ganz furchtbar schnell an Krebs. Ich fragte hinterher, wie er den Tod der Mama verkraftet habe. Die Antwort: "Du, keine Ahnung, wir haben den ganzen Abend über Fußball gesprochen."

PS: Das ist die vorletzte Folge dieser Kolumne. Aber bitte nicht weitersagen!

© SZ vom 19.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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