Liebes Leben:Die Fifa in mir

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(Foto: N/A)

Die Korruption im Weltfußball ist schockierend, natürlich! Aber unsere Kolumnistin Franziska Storz hat ihre persönlichen Erfahrungen mit Machtspielchen und Bestechung: bei der Erziehung ihres Kindes.

Von Franziska Storz

Die Fifa funktionierte bisher offensichtlich nach einem bestechend einfachen Prinzip: Wenn, dann. Wenn wir euch einen Koffer voller Geld rüberschieben, dann stimmt ihr bei der WM-Vergabe für uns - das scheint die stille Grundregel gewesen zu sein. Geht natürlich gar nicht! Diese kriminellen alten Männer! Das Problem: Ich bin genauso korrupt, und zwar im Umgang mit meiner eigenen Tochter.

Das Bestechungssystem zwischen Eltern und Kindern beginnt schleichend und tarnt sich zunächst als einfache Regel. Wenn du aufisst, dann bekommst du einen Nachtisch. Wenn du Mittagsschlaf machst, dann gehen wir später auf den Spielplatz. Das funktioniert erst mal wunderbar. Das Problem sind die Spätfolgen. Wer in der Erziehung so anfängt, verwandelt sein Kind binnen weniger Jahre von einem unschuldigen Wesen in einen Miniaturfunktionär, der nichts mehr tut oder lässt, ohne dafür eine als angemessen empfundene Gegenleistung zu erhalten.

Da war zum Beispiel die Sache mit dem Friseurbesuch. Das Kind weigerte sich so lange, sich die Haare schneiden zu lassen, bis es aussah wie einer dieser Männer, die autark im Wald leben wollen. Also besorgte ich den größten Bottich Gummibären, und wir konnten uns auf den Weg machen. Meine Tochter sagte dem Friseur: "Wenn Sie zu viel abschneiden, dann bleibe ich nicht sitzen." Als er fertig war, sah sie genauso aus wie vorher. Beim Zahnarzt erhöhte ich die Dosis. Sie sollte einen Narkose-Saft trinken, der Anästhesist drückte sich so aus: "Wenn sie den trinkt, dann sieht sie rosa Elefanten und wird ganz friedlich." Der Saft war aber bitter. Ich sagte: "Wenn du ihn trinkst, dann gehen wir morgen zu diesem Indoorspielplatz, wo es buntes Popcorn gibt."

Leider hielt der Saft nicht, was der Mediziner versprochen hatte. Als meine Tochter wieder zu sich kam, trat sie um sich und benutzte den Innenraum des Autos als Gummizelle. Mir sagte sie, ich sei nicht mehr ihre Mutter. Der Anästhesist gab zu, Aggressionen könnten auftreten. Eine seltene Nebenwirkung. Das Kind konnte sich danach an nichts erinnern. Ich mich schon. Weil wir den ganzen nächsten Tag bei Sonnenschein in einer Halle mit stinkenden Plastikhüpfburgen zubrachten.

Wir verhandeln mit unseren Kindern wie mit gleichwertigen Partnern. Wir überfordern sie, machen sie bestechlich und uns selbst angreifbar. So konnte es bei uns nicht weitergehen. Das FBI trat in Gestalt der Oma auf den Plan. Es folgte eine Aufdeckung der Missstände und eine Überführung des Kindes aufs Land. Nach ein paar Tagen berichtete die Oma, sie hätten ein paar wenige Regeln ausgemacht, den Rest der Zeit verbringe das Kind freiheitlich zwischen Fahrrad, Tretroller und Besuchen beim Bauern. Die Kindsmutter saß derweil entspannt daheim, hatte Zeit für sich und dachte: Wenn ich heute die Steuererklärung fertig kriege, dann kaufe ich mir morgen ein hübsches Kleid!

© SZ vom 13.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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