Liebes Leben:Bereust du mich, Mutter?

Liebes Leben: undefined

Wer regelmäßig und gut geplant die Schule schwänzt und schon als Baby Zigaretten isst, um die toxische Wirkung zu erhöhen, wer dann noch mehr als ein Glas Wein schätzt, der kommt nicht an ihr vorbei: der Mutter- Frage.

Von Franziska Storz

Sich keinesfalls erwischen lassen: Das war und bleibt die Kunst am Schuleschwänzen. Ich entschied mich mit 16 Jahren für folgende Variante: Morgens aus dem Haus gehen und vortäuschen, man sei unterwegs zum Schulbus. Und dann: Ab in den Keller! Dort wurde am Abend zuvor ein Schlafsack deponiert. Ich verschlief die Schulstunden in seligem Teenagerschlaf. Am Mittag erfolgte der Umzug vor den Fernseher - die Luft war meist rein bei berufstätiger Mutter. Die schwäbischen Beamten des Oberschulamtes haben sie dann vorgeladen. Ich sollte sie mal fragen, wie glücklich sie damals war.

Oder 15 Jahre zuvor auf einem Sommerfest: Sie hatte sich seit Wochen darauf gefreut, aber leider hatte ich offenbar als Baby schon einen subversiven Charakter und aß eine ganze Zigarette, die jemandem aus der Schachtel gefallen war. Roth-Händle ohne Filter. Gegessen sehr viel schneller tödlich als geraucht. Die Party endete für uns zügig in der Notaufnahme.

Trotzdem, gehasst oder bereut hat sie mich nie. Glaube ich. Hoffe ich.

Dabei könnte ich mir einen Abend nach drei Gläsern Rotwein ganz unterhaltsam vorstellen, in denen sie mir Sätze an den Kopf werfen würde wie: "Du bist der Albtraum meines Lebens." Oder: "Wenn ich damals den Einblick und die Erfahrung von heute gehabt hätte, hätte ich nicht einmal ein Viertel eines Kindes bekommen."

Seit Tagen werden diese Zitate von 23 befragten Frauen diskutiert, eingesammelt von der israelischen Soziologin Orna Donath. Die befragten Frauen lieben ihre Kinder, hassen es jedoch, Mutter zu sein, sie betrachten ihre Mutterrolle insgesamt als hoch defizitären Zustand und Zumutung. Vermutlich als Antithese zur allseits geforderten Glückseligkeit.

Ich bin ja auch schnell dabei, der Mutterschaft partiell die Romantik auszutreiben und erkläre Freundinnen ständig, dass sie im Kreißsaal sicher keine Mozart-CD und kein Zitronen-Öl brauchen werden. Wahrscheinlich nicht einmal ihren Mann. Eher gute Nerven und ein Faible für Schlachtplatten. Es ist auch sicher kein Fehler, wenn Mütter endlich befreit über Schlafmangel, gesellschaftliche Überforderung und Einsamkeit sprechen könnten, ohne sofort in der Rabenmutterschublade zu landen. Andererseits: Dass mein Körper in der Lage ist, ein Kind zusammenzubauen, empfinde ich grundsätzlich als Privileg - und es geht doch sehr weit, den #regrettingmotherhood-Diskurs als feministischen Befreiungsschlag zu interpretieren. Aber bitte, wenn dadurch die nächste Tabuzone für Frauen dran glauben muss, soll's mir recht sein.

PS: Ganze zehn Tage lang habe ich es übrigens selbst innig gehasst, Mutter zu sein. Das Kind hatte eine Glasmurmel verschluckt, und der Arzt sagte: "Bitte kontrollieren Sie jeden Stuhlgang, bis die Murmel wieder da ist. Streichen Sie ihn einfach durch ein handelsübliches Küchensieb." Man macht schon was mit.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: