Liebes Leben:Alles, was blinkt

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Wieso darf bei der Blade-Night in München eine Horde wild blinkender Rollschuhfahrer eigentlich eine ganze Stadt lahmlegen? Wieso nicht gleich die Straßen auch für Menschen mit Rollatoren und Indiaca-Spieler freigeben?

Von Franziska Storz

In der Tiefsee, in ziemlicher Dunkelheit, da lebt ein Fisch, der kann blinken. Sein Leuchtorgan schwimmt als eine Art Boje über seinem Kopf. Das Licht wird von Bakterien produziert. Ein ziemlich komplizierter Vorgang. Der Fisch lockt damit Beute und Partner an.

Was würde so ein Anglerfisch wohl sagen, wenn er einmal in den Genuss einer Blade-Night käme? Bis zu 10 000 Rollerblader fahren an lauschigen Sommermontagen zum Beispiel durch die schöne Stadt München und tun genau zwei Dinge: Sie fahren rum und sie blinken. Manche schnallen derart viele LED-Lichter an ihre unförmigen Helme, dass man einzig Partnersuche als verzweifeltes Motiv hinter dem Blingbling vermuten kann. Wenn ich an einem Montag wieder einmal 48 Minuten im Stau stehe, weil alle Kreuzungen gesperrt sind, wünsche ich alle blinkenden Menschen in die Tiefsee.

Wieso darf eine Horde schlecht angezogener Rollschuhfahrer eigentlich eine ganze Stadt lahmlegen? Ich spiele gerne Rundlauf an der Tischtennisplatte. Könnte nicht bitte jeden Dienstag der Mittlere Ring gesperrt werden, damit alle Tischtennisfreunde um aufgebaute Platten rennen können? Am Mittwoch müsste man die Leopoldstraße für Indiaca-Spieler freigeben. Donnerstags sollten alle Liegeradfahrer durch Verkehrsadern sausen, freitags könnten alle Menschen mit Rollator gemeinsam durch die Stadt ziehen, samstags dürfte jeder mit seinem frisch geföhnten Hundesporttier über die A99 laufen und am Sonntag käme der König der Freizeitsportler zum Zug: der Segway-Fahrer!

Beim Segway handelt es sich um eine Art Stehroller. Genauer gesagt um ein "elektrisch betriebenes Ein-Personen-Transportmittel" mit Lenkstange. Man steht breitbeinig darauf und das Gefährt nimmt Tempo auf, wenn man den Oberkörper in einem 45 Grad Winkel nach vorne kippt. Eine wirklich saudumm aussehende Fortbewegungsart. Der Erfinder des Segways rollte in Witzfigurenpose auf seinem Roller über einen Klippenrand und war fortan mausetot. Das schreckt aber irgendwie niemanden. Ich rätsele seit geraumer Zeit, warum mich rollende Freizeitsportler aggressiver machen als Kampfhundebesitzer. Gut, sie geben jede Individualität auf und zwängen sich in atemaktive Plastikuniformen. Und sie tun nur so, als würden sie Sport machen. Blade Night ist kein Sport, sondern ein krankenkassengesponsertes Quatschevent.

An einer Weggabelung im Wald traf ich neulich eine Kompanie österreichischer Soldaten. Außer ihrer Uniform trugen sie Badelatschen. Im Vorbeigehen fragte ich, ob sie so auf den Berg laufen wollten. "Um Gottes willen", antwortete der Offizier, "mit den Wiener Zentralheizungskindern komme ich nicht einmal um die nächste Kurve." Die Gebirgsjäger wurden mit dem Jeep zu ihrem Stützpunkt auf dem Berg gefahren. Sport sieht anders aus. Aber die haben es wenigstens zugegeben.

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