Leibspeise von Helmut Kohl:Liebe geht durch den Saumagen

Saumagenwettbewerb

Vom Arme-Leute-Essen zur Nouvelle Cuisine: Saumagenwettbewerb bei Landau (Archiv).

(Foto: dpa)

Als Kanzler machte Helmut Kohl den Pfälzer Saumagen über Oggersheim hinaus bekannt - und betrieb mit der unterschätzten Köstlichkeit Politik. Eine Erklärung für ein Phänomen, mit Rezept.

Von Lars Langenau

Über Helmut Kohl wurden viele Vorurteile gepflegt. "Provinziell" war eines davon. Für seine Herkunft aus Ludwigshafen konnte er nichts. Dafür, dass er Zeit seines Lebens im Stadtteil Oggersheim lebte, schon.

Nur: Wer jemals da war, bei ihm in der Pfalz, weiß, wie schön es da ist.

"Provinziell" war in dieser Denke auch sein Leibgericht: der Pfälzer Saumagen. Doch auch hier: Wer jemals davon gekostet hat, der weiß, dass auch hier das Vorurteil vollkommener Blödsinn ist. "Saumagen" hört sich im ersten Moment irritierend an. In etwa so wie die kulinarische Verkörperung der Kohl'schen Aussage auf einer Pressekonferenz anno 1984: "Entscheidend ist, was hinten rauskommt."

Doch weit gefehlt: Beim Saumagen werden nur mageres Schweinefleisch (40 Prozent), festkochende Kartoffeln (30 Prozent) und Gewürze wie Majoran, Muskat und Koriander verwendet. Die weißen Stückchen in der Füllung sind also kein Fett, sondern gewürfelte Kartoffeln. Erst wird der Saumagen stundenlang gegart - und dann in Scheiben knusprig braun gebraten. Konsistenz und Geschmack ähneln einer groben Bratwurst. Aber eben sehr viel feiner.

Vom Arme-Leute-Essen zur Nouvelle Cuisine

Helmut Kohl war der erfolgreichste Botschafter dieser Speise, die sich zu seinen Lebzeiten von einem Arme-Leute-Essen zur Nouvelle Cuisine entwickelte. Seit 2002 gibt es bei Landau gar einen Saumagenwettbewerb, wo immer neue Zutaten ausprobiert werden.

Das Original ließ Kohl etwa beim Münchner Weltwirtschaftsgipfel 1992 oder bei der UN-Vollversammlung 1996 in New York bei einem Pfälzer Buffet servieren und verwöhnte damit Staatsleute wie Margaret Thatcher, John Major, Michail Gorbatschow, Ronald Reagan, François Mitterrand, Boris Jelzin und König Juan Carlos vorzugsweise im ausgezeichneten (auch von seinem Nach-Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten Kurt Beck geliebten) Restaurant "Deidesheimer Hof".

Thatcher erbat sich zunächst nur ein Amuse-Gueule, Gorbatschow und Jelzin waren dem Vernehmen nach umgehend begeistert. Ebenso wie der französische Spitzenkoch Paul Bocuse.

"Die Liebe zum gemeinsamen Europa geht durch den Saumagen", schrieb einst Der Spiegel. Dem schließen wir uns an. Mit einem Rezept von Ehefrau Hannelore, entlehnt aus ihrem kulinarischen Reisekochbuch. Den Saumagen (also den Beutel, in den nachher alles reinkommt) besorgte sie sich beim Metzgermeister Hambel in Wachenheim, doch jeder gut aufgestellte Metzger dürfte Ihnen den nach Voranmeldung beschaffen können.

Pfälzer Saumagen

Zutaten (für 3 - 4 Personen)

Füllung:

  • 1 ½ kg Schweinefleisch (aus Nacken und Schulter) in grobe Würfel schneiden.
  • 1 ½ kg Kartoffeln schälen, in circa 1 cm große Würfel schneiden und blanchieren.
  • Mit 1 ½ kg Schweinemett,
  • 3 EL Salz,
  • 1 TL schwarzem Pfeffer,
  • ½ TL Muskatnuss,
  • 1 TL getrocknetem Majoran,
  • ½ TL getrocknetem Basilikum,
  • ½ TL Koriander,
  • ½ TL Nelkenpulver,
  • ½ TL Thymian,
  • ½ TL Kardamom,
  • 1 Lorbeerblatt (gemahlen),
  • 50 g Zwiebeln (gewürfelt)

vermischen.

  • 1 Saumagen (beim Metzger vorbestellen!) unter fließendem kalten Wasser gründlich waschen, trockentupfen.

1. Zwei Ausgänge mit Küchengarn fest zubinden. Die Füllmasse durch die dritte Öffnung in den Magen füllen. Diese Öffnung ebenfalls gut zubinden. (Den Magen nicht zu prall füllen, damit er nicht platzt.)

2. Reichlich Salzwasser zum Kochen bringen, Hitze reduzieren. Saumagen in das Wasser geben und bei geringer Hitze 3 Stunden garen, nicht kochen lassen.

3. Saumagen aus dem Sud nehmen, abtropfen lassen und servieren. Am Tisch in Scheiben schneiden.

4. Dazu frisches Bauernbrot, Kartoffelpüree oder Pfälzer Kartoffeln und Weinkraut (Sauerkraut) servieren. (Der eigentliche Saumagen muss nicht mitgegessen werden.)

Sollte etwas vom Saumagen übrigbleiben, kann man den Magen am kommenden Tag in Scheiben schneiden und in zerlassener Butter goldbraun braten.

Quelle: Hannelore Kohl - Kulinarische Reise durch Deutschland (Mitarbeit: Helmut Kohl)

Empfehlenswert zu der saumäßig guten Köstlichkeit ist ein guter Riesling. Natürlich aus der Pfalz.

Darauf, Helmut Kohl, ein letztes Prösterchen!

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