Lebenszufriedenheit:Was uns glücklich macht

Mann am Strand

Die Zufriedenheit hängt auch von der Lebensphase ab

(Foto: like.eis.in.the.sunshine / photocase)

Geld allein macht auf Dauer nicht glücklich, Bildung schon. Und Kinder? Durchaus, vor allem, wenn es Enkelkinder sind. Zum Tag des Glücks ein Gespräch mit einem ehemaligen Banker - über Zufriedenheit und was jeder dafür tun kann.

Interview: Violetta Simon

Was braucht eine Gesellschaft, um glücklich zu sein? Auf jeden Fall mehr als ein hohes Bruttoinlandsprodukt, sagt der ehemalige Banker Stefan Bergheim, der bereits die Bundeskanzlerin zu diesem Thema beraten hat. Der 46-Jährige findet: "Die Politik muss verstehen lernen, was Menschen wirklich glücklich macht". Als Direktor einer gemeinnützigen Denkfabrik - dem "Zentrum für gesellschaftlichen Fortschritt" - forscht Bergheim nach Wegen und Methoden, um die Lebensqualität in Deutschland zu verbessern. Ein Gespräch über den Unterschied zwischen Glück und Zufriedenheit. Und was wir selbst dafür tun können, damit es uns gut geht.

Süddeutsche.de: Was macht uns glücklich?

Stefan Bergheim: Da gibt es viele Faktoren. Ganz oben auf der Liste stehen enge soziale Bindungen, also Partner, Verwandte oder Freunde, zu denen ein gutes Verhältnis besteht. Außerdem Gesundheit, sowohl physisch als auch mental. Und natürlich die Frage, ob man etwas Sinnvolles zu tun hat.

Definieren Sie sinnvoll.

Das ist für jeden individuell verschieden. Die einen wollen die Welt retten oder etwas dazu lernen und sich weiterbilden, andere wollen etwas Konkretes erschafffen, das man in die Hand nehmen kann. Ob bezahlt oder unbezahlt, ist dabei erst einmal zweitrangig. Arbeitslosigkeit wirkt sich jedoch fast immer negativ auf die Wertschätzung aus. Auch ein solides Einkommen trägt dazu bei, dass wir glücklich sind. Und ein hohes Bildungsniveau.

Bildung macht glücklich?

Sie erlaubt uns zumindest, Entscheidungen zu treffen, die sich positiv auf unsere Lebenszufriedenheit auswirken. Wir wissen, dass gebildete Menschen ein gut funktionierendes soziales Umfeld haben, seltener arbeitslos sind und ihre Freizeit effektiver gestalten.

Heißt das, Menschen mit geringerem Bildungsniveau können nicht glücklich sein?

Natürlich können ungebildete Menschen glücklich sein, wenn sie für ihr Leben eine gesunde Kombination gefunden haben, einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen und sozial eingebunden sind. Aber wir wissen auch, dass höher Gebildete mit einem höheren Einkommen mehr Optionen haben, ihr Leben nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. Und wir beobachten, dass Gebildete häufig bessere Entscheidungen treffen und daher zufriedener sind. Bildung ist nicht zwangsläufig nur die schulische oder akademische Ausbildung - manche verfügen über eine allgemeine Lebensbildung und individuelle Kompetenzen, die sie sich im Laufe ihres Lebens erworben haben. Diese korrelieren jedoch häufig damit, wie lange man in die Schule gegangen ist.

Sie sprachen gerade das Einkommen an - macht Geld also doch glücklich?

Es macht vieles leichter, und eine materielle Basis muss natürlich da sein. Wenn Sie sich die Gesundheit und Bildung Ihrer Kinder nicht leisten können, dann ist das ein Problem. Aber darüber hinaus sind die oben genannten Faktoren wichtiger. Zum Beispiel ist erwiesen, dass ein Lottogewinn langfristig ziemlich unglücklich machen kann. Weil dieses Ereignis alles auf den Kopf stellt und gewohnte Strukturen sich komplett verändern. Am Ende steht man oft schlechter da: Alte Freunde passen plötzlich nicht mehr zu einem, es kommen neue, die vielleicht nur am Geld interessiert sind. Oder man kündigt seinen Job - und was macht man dann den ganzen Tag?

Das hängt womöglich wieder vom Grad der Bildung ab, stimmt's?

Genau, dann arbeite ich unter Umständen weiter in meinem Beruf, womöglich in Teilzeit, und mache dafür etwas Sinnvolles mit dem Geld - etwas, das mich erfüllt.

Ist Glück Zufall oder können wir ihm auf die Sprünge helfen?

Wir sollten unterscheiden zwischen Glück und Lebenszufriedenheit - das eine ist Zufall, es ereilt uns und ist nicht beeinflussbar. Dazu gehört das Gück des Moments, also etwa ein Lottogewinn, die Geburt eines Kindes oder wenn wir auf einer Parkbank sitzen und die Sonne uns an der Nase kitzelt. Und dann gibt es das längerfristige Konzept der Lebenszufriedenheit. Hier kann sich jeder einzelne fragen: Wie zufrieden bin ich mit meinem Leben? Und was kann ich dafür tun? Ich kann zum Beispiel weniger fernsehen und stattdessen mehr Zeit mit Freunden verbringen. Ich kann mehr Sport machen, um mich um meine Gesundheit zu kümmern. Das alles kann ich beeinflussen.

Was ist mit Kindern - machen sie nur glücklich? Oder eher Sorgen?

Wir wissen, dass Enkelkinder glücklich machen. Weil man als Großeltern lediglich eine temporäre Verpflichtung hat, die man wieder abgeben kann. Kinder bedeuten eine starke Veränderung, die die eigenen Prioritäten durcheinanderwirbeln und die zeitliche Souveränität und Selbstbestimmung der Eltern einschränken. Das hat einen tendenziell negativen Effekt auf die Lebenszufriedenheit. Dennoch haben Kinder grundsätzlich einen positiven Einfluss.

Mit Mitte 40 ist man am wenigsten zufrieden

Hängt die Zufriedenheit nicht auch von der Lebensphase ab?

Durchaus. Im Laufe des Lebens vollzieht die Lebenszufriedenheit ein U: Mitte 20 ist sie sehr hoch. Mit Mitte 40 erreicht sie vorübergehend einen Tiefpunkt, diese Phase ist am stärksten geprägt von Verantwortung und Verpflichtung. Später wird es wieder besser - man findet sich mit manchen Dingen ab, sieht vieles lockerer und sortiert sich neu. Man lässt sich weniger vereinnahmen oder verpflichten, macht sich weniger Stress und Druck.

Und freut sich auf die Rente? Das stellen sich viele ja als ziemlich glückliche Zeit vor: endlich all das machen, wozu man nie kommt.

Erst einmal ist das so, aber nur kurz. Man hat sich lange darauf gefreut, ausschlafen zu dürfen und zu tun, was man möchte. Bald jedoch gilt Dasselbe wie zuvor: Es kommt darauf an, etwas Sinnvolles zu tun, überhaupt etwas zu tun zu haben. Und natürlich, sozial eingebunden zu sein. Gerade aufgrund der höheren Lebenserwartung wird das immer wichtiger. Diese lange Zeit muss man ja ausfüllen.

Stichwort Neid: Welche Rolle spielt die Orientierung an unserem Umfeld?

Leider eine zu große. Wir orientieren uns sehr stark an dem, was andere haben und tun und wie erfolgreich andere womöglich sind. Wir neigen zu der Vermutung, dass das Gras auf der anderen Seite höher und grüner ist - dass die Beziehung des Kollegen glücklicher, der Job des Nachbarn besser bezahlt und der Urlaub des Freundes außergewöhnlicher ist. Solche Vergleiche sind unserer Lebenszufriedenheit eher abträglich.

Wie schützt man sich selbst davor?

Notfalls den Kollegen mit Reitpferd meiden und Personen, die einen auf Facebook mit Fotos von Reisen, gutem Essen und anderen Erolgsdokumenten überhäufen, entfreunden. In bestimmten Situationen geht es natürlich auch um eine gerechte Behandlung, etwa im Beruf. Da sollte man sich durchsetzen. Aber dabei ist ratsam, immer auch abzuwägen, ob jemand vielleicht mehr verdient, weil er eine andere Position hat, mehr auf Reisen ist oder andere Nachteile auf sich nimmt, die eine höhere Bezahlung rechtfertigen. Da muss jeder seine Kombination finden aus Einkommen, Leistung und Zufriedenheit.

In letzter Zeit kann man beobachten, dass sich erfolgreiche Menschen dem Leistungsdruck entziehen und versuchen, mit weniger zufrieden zu sein.

Es kommt heute häufiger vor, dass Menschen sich diese Gedanken machen, besonders ab Anfang 30. Zugleich wird es immer schwieriger, darüber zu reflektieren, was einem persönlich wichtig ist, weil die Gesellschaft auf Leistung und Wettbewerb getrimmt ist. Man ist im Hamsterrad, versucht, seine Rolle zu erfüllen, den Aufgaben gerecht zu werden - und vergisst darüber sich selbst. Bis der erste Herzinfarkt kommt oder ein Burnout.

Dabei könnte auch die Wirtschaft von einer glücklichen Gesellschaft profitieren, oder?

Grundsätzlich sollten alle daran interessiert sein - allen voran die Poltitk, aber auch die Wirtschaft und die sozialen Sicherungssysteme, weil es eine Verbindung gibt zwischen Lebenszufriedenheit und Effektivität.

Woran erkennt man eine zufriedene Gesellschaft?

Freiheit. Demokratie ist daher ausgesprochen zufriedenheitsfördernd. Die Freiheit zu haben über die Ausrichtung einer Stadt oder eines Landes mitzuentscheiden, wirkt sich positiv auf eine Gesellschaft aus. Interessant ist: In Gesellschaften mit hoher Zufriedenheit ist die Korruption niedriger, es gibt weniger Schattenwirtschaft. Das sieht man beispielweise an Ländern wie Kanada, Dänemark, Schweden, den Niederlanden und der Schweiz. Ich nenne das die "glückliche Variante des Kapitalismus".

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