Lebenspartnerschaft:Ehe? Nein danke!

Helga Ratzenböck und Martin Seydl

Helga Ratzenböck und Martin Seydl kämpfen für eine Lebenspartnerschaft.

(Foto: Lukas Ehrlich)

Ein Zusammenleben mit Trauschein sei zu spießig, findet ein Hetero-Paar aus Österreich. Stattdessen wollen die beiden eine Lebenspartnerschaft eingehen, doch die ist bislang für Schwule und Lesben reserviert. Warum?

Von Hanna Sellheim

Helga Ratzenböck und Martin Seydl sind ein glückliches Paar. Auf Fotos lehnt sie den Kopf an seine Schulter oder er legt seinen Arm um sie. Gemeinsam haben sie eine Tochter großgezogen. Seit 33 Jahren sind die beiden nun zusammen. Nur geheiratet haben die Österreicher bis heute nicht. Die Ehe sei einfach zu spießig, um zu ihnen zu passen. Lieber wollen Ratzenböck und Seydl eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen, die in Österreich wie in Deutschland eigentlich nur für gleichgeschlechtliche Paare vorgesehen ist. Das sei "moderner und zeitgemäßer", begründen die beiden ihren Wunsch. Er ist ihnen so wichtig, dass sie seit Jahren vor Gericht für eine solche Partnerschaft kämpfen.

In Deutschland wird derzeit wieder über die Ehe für alle diskutiert. Pünktlich zu Beginn des Wahlkampfes wirbt die SPD mit dem Versprechen um Wähler, sich für die Einführung einer Ehe für gleichgeschlechtliche Paare einzusetzen. Die evangelische Landeskirche ist ebenfalls dafür, während die katholische Kirche - ebenso wie CDU und AfD - sich gegen die Home-Ehe ausspricht. Über eine eingetragene Lebenspartnerschaft für alle, wie sie sich auch heterosexuelle Paare wie Ratzenböck und Martin Seydl wünschen, redet dagegen keiner. Warum eigentlich?

Fakt ist: Die Zahl der konventionellen Eheschließungen steigt in Deutschland seit Jahren. Kein Wunder, es gibt gute Gründe für eine Heirat. Finanzielle, aber auch rechtliche: In Deutschland und Österreich werden unverheiratete Paare noch immer benachteiligt. Eine Adoption etwa ist schwierig. Zwar ist es für einen Partner möglich, das Kind des anderen zu adoptieren, ebenso kann ein fremdes Kind erst durch den einen, dann durch den anderen Partner adoptiert werden - jedoch nicht durch beide gemeinsam als Paar. Ähnlich unvorteilhaft für Unverheiratete sieht es im Erbrecht aus, erklärt Florian Lahrmann, Fachanwalt für Familienrecht aus Berlin.

"Im Todesfall sind bei unverheirateten Paaren die Kinder die Erben, nicht die Lebenspartner", sagt Lahrmann. Ähnlich im Nachteil sind unverheiratete Paare auch bei einer künstlichen Befruchtung: Bei verheirateten Paaren übernimmt die Krankenhasse die Hälfte der Kosten, Unverheiratete müssen selbst zahlen. Auch im Krankheitsfall kann ein Partner nicht ohne weiteres Entscheidungen treffen, er wird wie ein unbeteiligter Dritter behandelt, bestätigt Lahrmann.

Für Ratzenböck und Seydl, die seit Jahrzenten füreinander da sind, unvorstellbar. Die Forderung, der Institution Ehe die Alternative der flexibleren Partnerschaft hinzuzufügen, mag zunächst nach der Idee einer Generation klingen, die gerne als beziehungsunfähig etikettiert wird. Zumindest für das österreichische Paar geht es darum aber eben nicht. Im Gegenteil: Sie suchen nach einem Bund, der wirklich zu ihnen und ihrer Liebe passt.

Vertrauensgrundsatz statt Treuepflicht

Viele Paare nehmen die Ehe, ob kirchlich oder standesamtlich, inzwischen als veraltet wahr. Schon der Akt an sich mutet sexistisch an: Eine Frau wird von einem Mann zum Altar geführt und dort einem anderen Mann übergeben. Dazu trägt sie ein weißes Kleid, das ihre Jungfräulichkeit symbolisieren soll - wie jungfräulich der Mann ist, interessiert niemanden. Hinzu kommt, dass die Ehe zahlreiche Pflichten, etwa zur Treue, beinhaltet. Der Vertrauensgrundsatz - auf dem auch die Beziehung von Ratzenböck und Seydl aufbaut - ist dagegen unwichtig.

Im österreichischen Recht ist ausdrücklich davon die Rede, dass Lebenspartner eine Vertrauensbeziehung eingehen, während eine Ehe die Pflicht zur Treue einschließt. Auch in den deutschen Gesetzen unterscheidet sich der Wortlaut: Während die Ehe ausdrücklich auf Lebenszeit geschlossen wird, hat eine Partnerschaft keinen festen Zeitrahmen. Zudem sind die Partner einander laut Gesetz zu Fürsorge, Unterstützung und gemeinsamer Lebensgestaltung verpflichtet, Ehegatten dagegen zu einer ehelichen Lebensgemeinschaft, sie tragen füreinander Verantwortung.

Das klingt erst einmal nach Wortklauberei. Und wirklich, die meisten Unterschiede liegen im Gesetzestext: "Praktisch ist die Unterscheidung zwischen Ehe und eingetragener Partnerschaft unbedeutend, das ist nur eine symbolische Frage", sagt Anwalt Lahrmann. "Es geht da eigentlich nur um die Begrifflichkeit, um die religiöse und gesellschaftliche Symbolik, die mit dem Namen der Ehe verknüpft ist." Doch genau an dieser Symbolik scheiden sich offenbar die Geister. Helga Ratzenböck und Martin Seydl haben deshalb sogar Klage eingereicht.

Wie Partnerschaften im Ausland geregelt sind

In Österreich wurde ihre Klage abgewiesen, mit der Begründung, dass Heterosexuelle nun einmal keine historisch benachteiligte Gruppe seien. Das Paar zog daraufhin vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Grundlage für ihre Klage dort ist der Grundsatz, dass niemand aufgrund des eigenen Geschlechts oder der sexuellen Orientierung Diskriminierung erfahren darf. Unterstützung erhalten sie vom österreichischen Rechtskomitee Lambda, das sich eigentlich für die Recht von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen einsetzt. Der Gerichtshof leitete tatsächlich ein Verfahren ein, was eher selten geschieht; das Urteil steht bis heute aus.

Die Rechtslage ist international umstritten: In Großbritannien hat gerade ein Gerichtshof gegen ein Paar entschieden, das wie Ratzenböck und Seydl eine Lebenspartnerschaft einklagen wollte. In einigen Bundesstaaten der USA gibt es dagegen die sogenannte common law marriage: Wer langjährig in einer partnerschaftlichen Beziehung lebt, wird in Erbschaftsfragen wie ein Ehepartner gehandelt. Und in Frankreich existiert bereits seit 1999 der sogenannte zivile Solidaritätspakt (Pacte civile de solidarité) auch für gemischtgeschlechtliche Paare.

Dieser französische "Pacs" ist einfacher einzugehen und wieder aufzulösen wie die eingetragene Lebenspartnerschaft in Deutschland und Österreich, bietet aber dieselben rechtlichen Vorteile. Das Modell ist ähnlich beliebt wie die klassische Ehe: 94 Prozent der Paare, die einen Pacs eingehen, sind verschiedenen Geschlechts, jedes dritte Paar zieht den Solidaritätspakt der Ehe vor.

Wie überholt die Unterscheidung zwischen hetero- und homosexuellen Paaren ist, zeigt sich aber auch an ganz anderer Stelle: Seit 2009 der Bundestag das Transsexuellengesetz erließ, dürfen Paare mit einem transsexuellen Partner nach dessen Geschlechtsumwandlung verheiratet bleiben - eine Möglichkeit, legal eine gleichgeschlechtliche Ehe einzuführen, gibt es also bereits. Und auch weitere Fragen ergeben sich: Was ist etwa mit Intersexuellen, die sich seit 2013 als offen geschlechtslos ins Geburtenregister eintragen lassen können - dürfen sie heiraten oder eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen?

Ratzenböck und Seydl sehen sich häufig der Kritik ausgesetzt, es sei falsch, die Diskriminierung heterosexueller Paare anzuprangern, während homosexuelle Paare nach wie vor weitaus größerer Benachteiligung ausgesetzt sind. Doch sie widersprechen dieser Denkweise: "Eine Diskriminierung wird nicht dadurch besser, dass andere Menschen auch oder mehr diskriminiert werden."

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