Kunst:Steinaltes Graffiti

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Wie eine Gruppe von Schülern in Schongau versucht, die schönen Tier-Malereien an den Wänden ihrer Grundschule zu retten.

Von Christian Endt

Ein Mittwoch um Viertel nach neun: An der Staufen-Grundschule in Schongau ist große Pause. Kinder spielen Fangen auf dem Hof, andere sitzen auf den Stufen vor der Tür und essen ihre Brote. Über ihnen hängt eine große Wanduhr. Die Uhr ist kunstvoll verziert, mit Bildern der zwölf Sternzeichen.

Die große Uhr ist nicht das einzige Kunstwerk in der Schule. Es gibt auch einen Dachgiebel, auf dem Figuren aus Märchen wie Rotkäppchen und Frau Holle aufgemalt sind. Auf den Fluren sind acht verschiedene Tierbilder an den Wänden: Bären, Füchse, Hasen, Hühner, Schafe, Schwäne, Störche, Ziegen, jeweils eine Familie. Das alles hat der Künstler Cobi Reiser im Jahr 1953 für die Schongauer Schule gemalt.

Die soll jetzt abgerissen werden. An der gleichen Stelle kommt zwar ein Neubau hin, aber ohne die Bilder. So plant es zumindest die Stadt. Sieben Schüler der Klasse 3e wollen das verhindern. Carlotta, Emil, Lara, Leonie, Lotta, Manuel und Quirin setzen sich mit ihrer Lehrerin dafür ein, dass die Kunstwerke mit in das neue Schulgebäude dürfen. Sie haben sich an den Stadtrat gewandt. Der sagte, es wäre zu teuer die Bilder zu retten. Sie sind ja nicht auf Papier oder Leinwand gemalt, so dass man sie einfach mitnehmen könnte. Reiser hat seine Werke direkt auf die Wände gemalt.

Die Kinder der 3e hängen an den Bildern. "Mir gefallen die Hasen am besten", sagt Leonie, "die kleinen Häschen schmusen so süß miteinander." Der Künstler Cobi Reiser selbst kann nicht mehr mitreden. Er ist schon vor vierundzwanzig Jahren gestorben. Die Lehrerin Irmgard Schreiber-Buhl hat herausgefunden, dass er zwei Kinder hatte. Sie sind die Erben von Reiser und dürfen daher an seiner Stelle entscheiden, was mit seiner Kunst passiert. Bisher ist es Schreiber-Buhl nicht gelungen, Kontakt zu ihnen aufzunehmen.

So leicht wollen die Kinder der 3e aber nicht aufgeben. Trotzig sitzen sie im Klassenzimmer, die Ellenbogen auf den Tischen. Neulich haben sie den Stadtrat von Schongau überredet, den Umzug der Bilder immerhin zur Hälfte zu bezahlen. Den Rest wollen sie über Spenden auftreiben und mit einem Flohmarkt. "Jeder von uns kann ja etwas verkaufen, was er nicht mehr braucht", sagt Manuel.

© SZ vom 09.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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