Konsum:Warum wir Geld für Luxus ausgeben

Retail And General Economy In Geneva

Kleiner Shoppingausflug.

(Foto: Bloomberg)

Die Handtasche ist viel zu teuer? Her damit! Menschen bezahlen für Luxusprodukte mehr, als diese eigentlich wert sind. Mit Rationalität hat das nichts zu tun.

Von Angelika Slavik

Evelina hat ein neues Video bei Youtube hochgeladen: "How to buy your first designer bag". Wie man seine erste Designer-Handtasche kauft. Evelina guckt sehr ernsthaft in die Kamera. Sie sagt, dass sie sehr, sehr lange auf ihre erste Luxustasche gespart habe. Zwei Jahre. Dann gibt sie Tipps: dass es das Wichtigste sei, bloß kein zu großes Modell wählen. Sie sagt es sehr, sehr nachdrücklich. Man solle zudem unbedingt eine Tasche aussuchen, die auch ein bisschen was verträgt. Immerhin seien 2000 oder 5000 Dollar ja "wirklich viel Geld." Evelina hat 1,1 Millionen Abonnenten auf Youtube. Man wüsste gerne, wie viele von denen jetzt anfangen zu sparen.

Viele Menschen mögen schöne Dinge. Handtaschen, Schuhe, Chronografen, Kaschmirpullover, Autos. Viele schöne Dinge sind teuer. Sehr teuer. Bloß: warum eigentlich? Man kann sich an dieser Stelle die Frage stellen, wie hoch die Produktionskosten einer Handtasche eigentlich sein müssten, um einen Verkaufspreis zu rechtfertigen, der dem eines Kleinwagens entspricht. Und man kann sich natürlich auch fragen, warum ausgerechnet diese Dinge für viele Menschen ein Sehnsuchtsobjekt sind. Ob das vielleicht nicht zusammenhängt, der absurde Preis und diese absurde Begierde.

Luxusartikel sind eine emotionale Angelegenheit

Barbara Evans muss ein bisschen lachen, wenn man ihr diese Fragen stellt. Evans, 44, ist die Chefin von Facit Media Efficency, einem Marktforschungsinstitut, das sich besonders mit den emotionalen und den neuronalen Aspekten von Konsumverhalten beschäftigt. "Der Kauf von Luxusartikeln ist vor allem eine emotionale Angelegenheit. Rationale Gründe spielen nur eine untergeordnete Rolle", sagt sie. Heißt übersetzt: Wer sich eine Chanel 2.55 kauft - das ist die mit dem gesteppten Leder und dem Kettenriemen - oder eine Birkin Bag; wer sich eine Uhr für viele Tausend Euro ums Handgelenk schnallt, der hat den Verstand außen vor gelassen.

"Rational betrachtet kann man sagen: Es gibt einen deutlichen Qualitätsunterschied zwischen einer Handtasche für 30 Euro und einer für 1000 Euro", so Evans. "Aber zwischen dem 1000-Euro-Modell und der 9000-Euro-Tasche ist der Unterschied höchstwahrscheinlich deutlich geringer." Abnehmender Grenznutzen nennt die Wirtschaftswissenschaft dieses Phänomen - von einem bestimmten Punkt an steigt der Nutzen deutlich langsamer als der Aufwand. Die Freude am Objekt wächst also nicht proportional zur Summe auf der Rechnung.

So gesehen, sagt Evans, könne das Preis-Leistungsverhältnis, rein ökonomisch betrachtet, von einem bestimmten Niveau an gar nicht mehr stimmen. Dennoch könne auch der Kauf dieser Produkte Sinn machen: "Viele Luxusprodukte haben vor allem Symbolfunktion. Sie demonstrieren den eigenen Erfolg." Das Signal gehe dabei nicht nur an die Außenwelt, sondern vor allem an den Besitzer selbst. Man kaufe sich nicht einfach irgendeinen Gebrauchsgegenstand. "Man kauft vor allem das Gefühl. Darum geht es."

Die perfekte private Inszenierung

Ähnlich sieht das Frank Behrendt, Vorstand bei der Kommunikationsagentur Fischerappelt, die Marketingstrategien für Unternehmen entwickelt, auch für Luxushersteller wie etwa die Uhrenmanufaktur A. Lange und Söhne. "Man bekommt in der Welt heute kaum mehr Applaus", sagt Behrendt. Firmenchefs lobten selbst ihre besten Mitarbeiter viel zu wenig, und wer selbständig arbeite, sei mit seinem Erfolg oder Misserfolg sogar vollkommen allein. "Anerkennung ist etwas geworden, worum man sich selbst kümmern muss." Ein sündhaft teurer Kauf sei also eine Art Selbstlob in Konsumform, meistens zumindest. Denn mitunter habe Luxus auch noch eine andere Funktion, die der sozialen Abgrenzung.

"Luxusprodukte sind heute ein Teil der privaten Inszenierung", sagt Behrendt. Dabei gebe es Käufergruppen, die ihre Errungenschaft möglichst deutlich sichtbar machen möchten - die Protzstrategie sozusagen. Und andere, die sich eher für unauffälligen Luxus begeistern: für Produkte, bei denen nur der Insider erkennt, dass sie ein Vielfaches von einem Durchschnittsmodell gekostet haben.

Wie Firmen diese Gemengelage zu nutzen versuchen, könne man sehr gut am Kaffeekapsel-Hersteller Nespresso beobachten, sagt die Expertin Evans. Die luxuriöse Inszenierung dort sei perfekt: das Design und die Lage der Stores, Hollywood-Star George Clooney als glamouröses Testimonial und, natürlich, der Preis: "Viele andere verkaufen auch Kaffeekapseln, aber eben nicht das gleiche Erlebnis."

"Der Preis ist das Resultat exzellenter Leistung"

Clemens Pflanz ist ein Mann, der sich mit Luxus auskennt. Er war zehn Jahre lang Manager beim französischen Konzern LVMH, zu dem etwa Louis Vuitton, Givenchy und die Champagnermarke Moët et Chandon gehören. Heute leitet er den Meisterkreis, einen Verband von "Exzellenzunternehmen".

Wenn man ihn fragt, ob der hohe Preis nicht in Wahrheit jeder Grundlage entbehre, wird er ein bisschen unwirsch. "Herausragende Qualität ist harte Arbeit", sagt er. Nur die wenigsten machten sich davon eine Vorstellung. Schon der Aufwand, das eigene Produkt weltweit vor Nachahmern zu schützen, sei für viele, vor allem kleinere Produzenten eine riesige Herausforderung. Dazu kämen oft erhebliche Schwierigkeiten, Nachwuchs zu finden, dem man das mitunter sehr spezifische Know-how weitergeben könne. "Der Preis ist das Resultat exzellenter Leistung", findet Pflanz. Zudem seien diese Investments wirtschaftlich sinnvoll: "Manche dieser Produkte werden über Generationen weitergegeben."

Die Birkin Bag als Investmentobjekt

Tatsächlich sind die Preise für viele begehrte Stücke zuletzt sogar stark, oft sprunghaft gestiegen. Chanel etwa erhöhte im vergangenen Jahr mit einem Schlag um bis zu 20 Prozent, andere Hersteller gehen ähnlich vor. Louis Vuittons Tasche "Speedy" ist in den letzten sieben Jahren stetig teurer geworden, nämlich 32 Prozent.

Mitunter können Luxusprodukte sogar zu ernst zu nehmenden Investmentobjekten werden: eine Birkin Bag von Hermès aus rotem Krokodilleder und Beschlägen aus 18-Karat-Weißgold etwa wurde 2011 für mehr als 200 000 Dollar versteigert - obwohl der Schätzwert bei 90 000 Dollar lag. Der hohe Gewinn ist auch auf die Tatsache zurückzuführen, dass Birkin Bags schon immer einer Verknappungsstrategie unterlegen haben. Soll heißen: Wer eine will, kann sie nicht einfach im Laden kaufen; er muss sie bestellen und dann jahrelang warten.

Das Verhältnis von Preis und versprochenem Prestige muss stimmen

Aber selbst bei der luxuriösen Stangenware verdirbt so schnell nichts. Wer eine gebrauchte Version von Chanels klassisch-schwarzer 2.55 kaufen möchte, muss oft genauso viel bezahlen wie für ein neues Modell. Die Spezial-Versionen, also jene, die im Rahmen einer Laufsteg-Show präsentiert und deshalb nur für eine Saison angeboten werden, steigen sogar häufig im Preis. So gesehen könnten Evelina und ihre luxusverliebten Youtube-Anhängerinnen mit etwas Glück ein ziemlich gutes Geschäft machen.

Vielleicht aber auch nicht. Weil es genauso gut zu einer Art Werteverlust kommen kann - dann nämlich, wenn sich das Verhältnis von Preis und versprochenem Prestige für den Kunden nicht ausgeglichen genug anfühlt. Das britische Label Mulberry, einst beliebt für hochwertige, aber nicht schwindelerregend teure Taschen, wagte vor ein paar Jahren den Sprung vom Premium- ins Luxus-Segment und überschritt die psychologisch heikle Grenze von tausend Euro für eine Tasche. Den Kunden war die Marke diesen Preis aber nicht wert, sie blieben weg. Das Unternehmen erlitt einen Millionenschaden. Zwar sind die Preise mittlerweile wieder die alten, die Taschen aber lange nicht mehr so begehrt wie damals.

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