Konservierung von Kräutern:Die Thymian-Tube

Kräuter und Gewürze könnten bald als Paste auf die Teller gelangen. Wissenschaflter wollen so das flüchtige Aroma der Pflanzen besser erhalten.

Robert Lücke

Gewürze hauchen Gerichten die Seele ein. Doch häufig fehlt dieser eine gewissen Tiefe - Paprika, Kümmel oder Majoran schmecken mitunter recht fad. Vor allem vorgemahlene Gewürzen, die in kleinen Plastiktütchen oder Dosen verkauft werden, lassen nicht selten ein echtes Aroma vermissen. Der Grund ist einfach: Bei den gängigen Verfahren zur Konservierung verlieren die getrockneten Gewürze wertvolle Geschmackskomponenten.

Konservierung von Kräutern: Vom Winde verweht: Das Aroma von Gewürzen verflüchtigt sich schnell.

Vom Winde verweht: Das Aroma von Gewürzen verflüchtigt sich schnell.

(Foto: Foto: dpa)

Dabei stecken Lebensmittelhersteller in einem Dilemma. Ist das Konservierungsverfahren nicht effektiv, verderben Gewürze rasch - ähnlich wie frische Kräuter. Diese enthalten viel Feuchtigkeit und verwelken oder verschimmeln innerhalb von Tagen. Auch die Belastung mit Keimen ist ein Problem unbehandelter Gewürze. Doch Erhitzung oder Bestrahlung kann ebenfalls Aromastoffe beschädigen. Nun wollen Lebensmitteltechnologen den Spagat zwischen Sicherheit, Haltbarkeit und Geschmack wagen: Mit speziellen Verfahren verarbeiten sie Gewürze zu Pasten, die angeblich lange haltbar und frei von gefährlichen Keimen sind und zugleich gut schmecken.

Reinhold Carle von der Universität Hohenheim hat eine Möglichkeit entwickelt, bei der Gewürze nur ganz kurz, dafür aber sehr stark erhitzt werden. Dazu müssen sie nicht - wie bei herkömmlichen Verfahren - erst kalt vermahlen werden. Gewürzmühlen kühlen fetthaltige Gewürze wie Muskatnuss, Senfkörner, Koriander oder Macisblüten bislang oft mit Stickstoff herunter. Dadurch werden die Pflanzenteile hart und spröde und können leichter gemahlen werden. Zudem sind sie im kalten Zustand besser rieselfähig und lassen sich einfacher portionieren - auf Kosten des Geschmacks.

Mit Carles Methode ist das nicht mehr erforderlich. Die erntefrischen Kräuter und Gewürze wie Petersilie, Koriander, Majoran, Knoblauch, Chili oder Pfeffer werden zunächst ohne Zusätze zu einer Paste vermahlen. Die feuchte Masse wird in einem Röhrenerhitzer mit Wasserdampf bei 70 Grad blanchiert, dann durch elektrische Energie in Sekunden auf 100 Grad erhitzt und wieder abgekühlt. Weil das alles in geschlossenen Gefäßen geschieht, bleiben viele der Aromastoffe erhalten, die in meist flüchtigen ätherischen Ölen stecken.

"Ein weiterer Vorteil ist, dass manche Enzyme, die in den Pflanzen natürlicherweise vorkommen, durch die Erhitzung inaktiv oder zerstört werden", sagt Carle. Ein eiweißspaltendes Enzym zum Beispiel, das in getrocknetem Ingwer vorkommt, überlebt die neue Prozedur nicht. Köche wird das freuen, denn würzen sie etwa Schwartenmagen mit herkömmlich konserviertem Ingwerpulver, wird das Enzym aktiv und lässt den Presssack regelrecht zerfließen.

Eine ähnliche Technik entwickeln derzeit Wissenschaftler des Freisinger Fraunhofer Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV). Dabei werden die Kräuter mit einer Art Mikrowelle erhitzt. Als Paste fließen sie durch ein Rohr, in dem ein elektrisches Feld kurz für Hitze sorgt. Außerhalb des Rohres wird die Gewürzmischung wieder abgekühlt. "Alternativ füllen wir die Paste in Gläser oder Dosen, verschließen sie und stellen die Gefäße in ein Wasserbad, in dem elektrische Felder für Wärme sorgen", sagt Thomas Pfeiffer vom IVV.

Keime im Kraut

Derzeit testen die Forscher, wie lange sie die Pasten erhitzen müssen, um Mikroorganismen abzutöten und zugleich die Aromen zu erhalten. Am Ende sollen die Kräuter und Gewürze als Pasten in Tuben oder Dosen verkauft werden.

Allerdings sind sich die Forscher unsicher, ob Hobbyköche bereit sein werden, Petersilie und andere Kräuter aus der Tube in ihre Speisen zu drücken. Zumindest hofft Carle, dass Verbraucher weniger Vorbehalte gegen Tuben haben als gegen strahlenbehandelte Gewürze.

Bislang werden viele getrocknete Gewürze mit Elektronen-, Gamma- und Röntgenstrahlen behandelt, so zum Beispiel Paprikapulver für Kartoffelchips. Bei diesem Verfahren werden unter anderem Salmonellen abgetötet. Gewürze stammen meist aus Entwicklungsländern. Dort wird die Ernte zunächst auf dem Boden gelagert und luftgetrocknet, wo sie mit zahlreichen Keimen in Berührung kommt, die später Geschmacksveränderungen, Schimmel oder Infektionen verursachen können. Die Verfahren aus Hohenheim und Freising könnten Alternativen zur Bestrahlung sein - bei beiden Techniken werden Keime abgetötet und Aromastoffe erhalten.

Heute ist der Verkauf strahlenbehandelter Produkte stark eingeschränkt und nur bei Kräutern erlaubt. Industrie und Einzelhandel in Deutschland verweisen auch darauf, dass sich bestrahlte Produkte kaum verkaufen lassen - die Kunden lehnen sie ab. "Das sind reine Verbrauchervorbehalte, denen hier Rechnung getragen wird", sagt Mario Stahl vom Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel in Karlruhe. Tatsächlich sei Bestrahlung bei vielen keimbelasteten Lebensmitteln sinnvoll. Nur stark fetthaltige Nüsse oder Wurstwaren würden bei hohen Strahlendosen möglicherweise Schaden nehmen, "das Fett könnte ranzig werden und sich das Aroma nachteilig verändern", sagt Stahl.

Bei Gewürzen aber sei es tatsächlich oft besser, sie zu bestrahlen als lange zu erhitzen, was Aromen zerstören könne. Nun könnten sie aber auch als sichere und aromatische Paste angeboten werden. "Die meisten Menschen wissen nichts über Bestrahlung, und durch Unwissenheit entstehen Ängste", sagt Stahl. In den USA gebe es hingegen kaum Vorbehalte gegen derart behandelte Lebensmittel. Dort wird beispielsweise Hackfleisch so lange bestrahlt, bis jeder Keim tot ist.

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