Kolumne: Mein Bauch gehört mir!:Trink um neun, sei satt um zwölf, schlaf um eins

Unser Autor hat sich eine Woche lang den Abnehm-Shakes verschworen. Das Resultat: Er schläft am Arbeitsplatz ein.

Jürgen Schmieder

In der Serie "King of Queens" gibt es eine Episode, in der Doug mit seinem Stiefvater Arthur alleine im Haus ist. Auf die Frage seiner Tochter Carrie, warum Arthur nichts von seinem Mitbewohner bemerkt, sagt er: "Er sieht aus wie ein Elefant, aber er kann schleichen wie eine Wildkatze."

Kolumne: Mein Bauch gehört mir!: Mit Abnehm-Drink zum Traumgewicht. Immer noch nicht im Bild: Ich!

Mit Abnehm-Drink zum Traumgewicht. Immer noch nicht im Bild: Ich!

(Foto: Foto: Istockphoto)

Dieser Satz passt auch auf mein morgendliches Ritual. Meine Frau muss später als ich in die Arbeit, also befreie ich mich vorsichtig aus ihrem Umarmungs-Clinch, rolle wie ein Einzelkämpfer aus dem Bett und hüpfe gazellenartig - zumindest denke ich das - durch den Wohnzimmer-Hindernisparcours. Wenn ich fertig bin, kriegt meine Frau ein kleines Küsschen - so, dass sie nicht aufwacht, aber doch zu lächeln beginnt.

Nun habe ich im Laufe der Ehe gelernt, dass alles mit geschlossenen Augen zu praktizieren. Sogar den Weg zur U-Bahn meistere ich problemlos ohne Augenlicht. Was das bringt? Zwanzig Minuten Schein-Schlaf! Für einen hyperaktiven Hibbel wie mich ist das die Rettung vor dem Burn-Out-Syndrom. Ich muss erst beim Bäcker in der Station aufwachen. Das lohnt sich, weil die Verkäuferin erstens bezaubernd ist und zweitens den Kaffee schon fertig hat, wenn ich komme.

Dieser Kaffee ist dringend nötig, weil es bei mir im Büro keinen Kaffee gibt. Also, es gibt schon eine braune Plörre, die mit einer Handpumpe aus der Kanne gepresst werden kann. Von "dünner Suppe" bis "schwarzes Schlafmittel" habe ich schon alle Bezeichnungen für das Gesöff gehört, "Kaffee" war noch nicht dabei. Sollte unser Chef das hier lesen: Eine neue Kaffeemaschine muss her!

Zurück zum Thema: Der mangelnde Koffeineinlauf hat meine Kollegen erfinderisch werden lassen. Einer hat Espresso-Drops auf dem Tisch, die Lifestyle-Frauen eine eigene Teestube, unser Homepage-Chef ärgert sich auf einen Puls von 180, um wach zu werden. Also habe ich mir gedacht: Ich brauche auch ein eigenes Getränk am Morgen, mit dem ich stolz durch die Redaktion laufen kann. Was Stylisches, was Angesagtes - und was zum Abnehmen.

Nun habe ich mir Optiwell Control bestellt. Das sind kleine Platikfläschchen, die prima zu recyclen sind. Darauf steht: "Hilft, weniger zu essen". Darunter ist die Silhouette einer unfassbar dünnen Frau abgebildet, die einen Hula-Hupp-Reifen umgeschnallt hat. Warum, weiß ich nicht.

Die Flaschen haben keinen Schraubverschluss, sondern eine Alu-Abziehfolie. Wenn man in der linken Hand die Flasche hält und mit der rechten das silberne Blättchen abreißt, fühlt man sich auch als ehemaliger Zivi wie ein Obergefreiter, der gerade eine Handgranate entschärft. Die Message ist klar: Es ist ein Krieg gegen die Kalorien - der Drink ist die Waffe!

Im Inneren der Flasche ist ein joghurtartiger Dickfluss-Drink, der nach Himbeere schmecken soll. Wichtiger als Konsistenz und Geschmack sind die Zutaten Palmöl und Haferöl. Dem Gehirn soll so bei der nächsten Mahlzeit früher ein Sättigungsgefühl signalisieren. Der Effekt soll im Durchschnitt drei bis vier Stunden nach dem Konsum auftreten. Also: Trink um neun, sei satt um eins.

Ich stelle mir morgens einen Gesundheits-Shake in den Magen und warte bis Mittag. In der Kantine gibt es Wiener Schnitzel. Mit Pommes! Prima Sache. Freilich ständen auch Glasnudeln mit Gemüse, Salat und Hühnersuppentopf auf dem Speiseplan. Da schlendere ich aber souverän vorbei - ich hab' ja schon einen Drink intus. Das Schnitzel gesellt sich schneller zum Shake im Magen als andere Menschen zum Bestellen brauchen.

Diebstahl am Arbeitsplatz

Das Sättigungsgefühl stellt sich allerdings erst nach dem Mittagessen ein. Ich fühle mich, als hätte ich gerade einen kompletten Ochsen vom Spies verspeist. Ich hänge in meinem Bürosessel wie Rocky Balboa nach der elfen Runde gegen Appollo Creed in der Ringecke. Meine Bandscheibe schickt mir die Empfehlung, mich doch endlich privat zu versichern. Ich fühle mich knackvoll bis oben hin. Kämpfen, Schmieder, kämpfen!

Das Sättigungsgefühl bringt eine Müdigkeit mit sich, die kaum zu besiegen ist. Aber was tun? Starker Kaffee, Sie ahnen es, ist nicht in der Nähe. Also klaue ich von meinem Kollegen - er möge es mir verzeihen - zwei Espresso-Drops. Die helfen allerdings ungefähr so viel wie ein Schluck Pfefferminztee. Ich falle in einen Sekundenschlaf.

"Soll ja gesund sein, so ein Nickerchen am Mittag!" Ich fahre hoch und sehe den Mann von der Poststelle vor mir stehen. Gott, ist das peinlich. Die Blamage wird noch gesteigert, als der Produktmanager hereingeschneit kommt und in seiner naiven Hektik fragt: "Wann spielen wir denn nun Kicker?" Der Postmann schüttelt nur den Kopf und murmelt was von: "Das nennen die Arbeit, tststs".

Immerhin habe ich keinen Hunger mehr, am Abend auch nicht. Super! Allerdings geht meine Frau nicht nur später zur Arbeit, sie ist manchmal auch früher daheim und hält sich an die eheliche Regel: "Wer zuerst zu Hause ist, muss kochen." Sie hat ein Abendessen gezaubert, auf das ich soviel Hunger habe wie ein Vegetarier auf ein rohes Stück Rindfleisch. Ich verzichte und will mich gleich fertig machen zum Schlafen. Den "Blick" muss ich nicht beschreiben, den kennen Sie noch von Folge neun.

Ein Gutes hatte die Sache dann doch: Weil mich meine Frau beleidigt aus dem Bett geworfen und auf die Couch verbannt hat, musste ich mich am nächsten Morgen nicht aus dem Bett winden, sondern konnte normal aufstehen. Ihr war das egal.

Der Gang auf die Waage verlief dann unspektakulär. Keine Veränderung zur Vorwoche, weder kiloweise noch beim Körperfett. Dafür ein kleines Nickerchen jeden Mittag in der Arbeit. Hat sich also gelohnt.

Der Abnehm-Shake hat zwar lecker geschmeckt, aber ein richtiger Fortschritt bei "Projekt 15" war das nicht. Das geht besser! Deshalb muss nächste Woche ein elektrisches Hilfsgerät her: Der Vibro Shape - ein Fett-Weg-Rüttel-Gerät. Könnte lustig werden.

Ab sofort können Sie alle Kolumnen auch bookmarken, um sie schneller zu finden: Einfach www.sueddeutsche.de/sixpack eingeben und keine Kolumne verpassen!

"Projekt 15" erscheint regelmäßig bei sueddeutsche.de. Wollen Sie einen Kommentar zur Kolumne abgeben möchten, können Sie das gerne unten tun.

Wollen Sie dem wild Entschlossenen eine Nachricht schicken, ihm Tipps, Rezepte und Tricks verraten, bitte an diese Adresse:

juergen.schmieder@sueddeutsche.de

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: