Kolumne: Mein Bauch gehört mir:Die iPod-Petze

Unser Autor hat die Lauf-Kooperation von Apple und Nike getestet: Chip im Schuh, ein iPod im Trikot, die Daten werdern gespeichert und übermittelt. Am Ende ist klar: Laufen mit Musik ist die Hölle.

Jürgen Schmieder

Als ich vergangene Woche beschloss, "Projekt 15" durchzuziehen, wurde mir klar: Ohne fremde Hilfe geht es nicht . Nein, kein Ernährungspsychologe, kein persönlicher Fitness-Trainer, kein Hypnotiseur. Niemand, der meine Essgewohnheiten mit meinem Gemütszustand in Verbindung bringt. Niemand, der mich anbrüllt, während ich krampfhaft versuche, mehr als einen Klimmzug hinzubekommen. Niemand, der weiter in mein Gehirn vordringt als mein Bewusstsein.

Kolumne: Mein Bauch gehört mir

Totale Überwachung: Die Joggingschuhe petzen sämtliche Daten an den iPod.

(Foto: Foto: Nike)

Was ich jetzt brauche, ist: ein Computer. Ein Gerät, das meine Trainingsleistungen ohne jeglichen Schnickschnack aufzeichnet und mir knallhart sagt, ob ich gut war. Ein Freund brachte mich auf die Idee: "Von anderen Menschen lässt du dir sowieso nichts sagen. Kauf dir doch dieses Hybrid-Ding!"

Das Hybrid-Ding nennt sich "Nike plus" und ist eine Kooperation von Nike und Apple. Es funktioniert so: Im Laufschuh wird unter dem Fußbett ein Chip platziert, der jeden Schritt registriert. Per Funk werden alle Daten an einen Empfänger gesendet, der an einen iPod angeschlossen ist. Dort wird alles gespeichert: Strecke, Zeit, Geschwindigkeit. Zum Laufen gibt es Musik.

Ich muss zugeben: Ich bin noch nie mit Kopfhörern im Ohr gelaufen. Bisher lauschte ich der Natur, dem Feierabendverkehr oder den keuchenden Nachbarn im Fitness-Studio. Nun aber habe ich mir 482 Songs auf den iPod geladen und bin wild entschlossen, zu laufen soweit mich meine Füße tragen. Also erst mal die große Runde um mein Haus. Das dürften so ungefähr zehn Kilometer sein. Denke ich.

Eine kurze Frage an jene Leser, die beim Laufen Musik hören: Passen Sie Ihre Schrittfolge auch dem Beat der Musik an? Ist das normal? Als ich das Haus verlasse, höre ich "Seven Nation Army" von den White Stripes. Meine Füße bewegen sich zum Bass: Daaaa-dadada-da-daaa-daaaa. Wenn mich jemand laufen sieht, muss er denken, ich hätte gleichzeitig einen Krampf in den linken Wade und einen chronischen Hüftschaden. Schnell weiter zum nächsten Lied: "Live and Let Die" von Guns N' Roses.

Als Slash das Anfangsriff spielt, hetze ich durch den Park, als wäre eine wild gewordene Herde Bienen hinter mir her. Reißt aber auch mit, wenn Slash in die Saiten haut. Dafür wird's beim nächsten Song gemütlich. Zu "Alive" von Pearl Jam schließe ich die Augen und verfalle in ein schnuckliges Nordic-Walking-Tempo.

Eine kurze "Große Runde"

So geht es weiter: Bei "Ding" von Seeed hüpfe ich wie ein Jo-Jo, bei "Clown" von Korn trete ich gegen einen Baum, bei der Eingangsmusik von den Fraggles klatsche ich fröhlich mit - und beim "Unknown Stuntman" von Lee Majors jogge ich cooler als Howie es je könnte. Ich sehe schon: Meine Playlist ist ein wenig unausgewogen. Das kann man verbessern.

Dafür gibt es zum Ende des Trainings den sogenannten Powersong: Drückt man in die Mitte des Bedienfeldes, wird der Lieblingssong gespielt - wenn man einen ausgewählt hat. Habe ich natürlich vergessen, also spielt der iPod "Closest Thing to Crazy" von Katie Melua. Ganz ehrlich: Haben Sie schon einmal versucht, die letzten Meter eines Ausdauerlaufes mit diesem Song zu bestreiten? Das ist, als hätte man Kaugummi an den Schuhen, würde gegen den Wind laufen und zusätzlich am T-Shirt festgehalten.

Aber ich habe es geschaft, die große Runde wurde bewältigt. Ich drücke "Training beenden" und höre eine weibliche Stimme, die sagt: "Sie sind 4,89 Kilometer gelaufen und haben dafür 26 Minuten und 53 Sekunden gebraucht." Wie? Spinnt die? Das kann nicht sein. Ich fahre die Strecke mit dem Fahrrad ab und schaue auf den Tacho: 4,89 Kilometer. Ach herrje, es stimmt! Wie lang ist denn dann meine mittlere Runde? Und erst die kleine? 200 Meter? Verzweiflung macht sich breit.

Der iPod verrät mir, dass ich 450 Kalorien verbraucht habe. Dafür bin ich fast 27 Minuten gelaufen? Das esse ich in 90 Sekunden wieder drauf!

Am nächsten Tag schließe ich den iPod an den Computer an und überspiele die Daten. Dort steht, dass ich mir Ziele setzen und mich mit anderen Läufern vergleichen kann. Andi aus London etwa ist am Sonntag auch 4,9 Kilometer gelaufen ist. Er hat aber nur 23 Minuten gebraucht. Tom aus Los Angeles gar nur 21 Minuten und 30 Sekunden. Ganz ehrlich: Motivierend ist das nicht!

Dafür werde ich aufgefordert, mir ein Ziel zu setzen. Ich bin natürlich Optimist und gebe an: 100 Kilometer in vier Wochen. Für einen Kilometer will ich nicht länger als fünf Minuten brauchen. Das muss doch möglich sein.

Am Dienstag und Mittwoch war ich Fußball spielen, das zählt aber nicht, weil der Chip nur im Laufschuh funktioniert.

Am Ende der ersten Woche bin ich ein wenig enttäuscht: Ich muss in den kommenden drei Wochen noch 93,91 Kilometer laufen. Ich war nämlich nur noch einmal joggen, eine kurze Runde - und die ist laut Nike Plus nur 1200 Meter lang ...

Aufgeben ist jedoch nicht, denn ich starte jetzt Langzeitprojekte: Zu den verbleibenden 94 Kilometern will ich in den kommenden drei Wochen auf Süßigkeiten verzichten. Außerdem fahre ich am Wochenende in die Schweiz, um gemeinsam mit Mountainbike-Weltmeister Thomas Frischknecht zu trainieren und noch mehr Pfunde zu verlieren.

Apropos Langzeitprojekt: Wenn Sie eine Idee haben, immer her damit! Entweder unten in den Kommentaren oder eine Mail an:

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Hier geht's zur Tabelle mit den Ergebnissen, dem Gewichts-Check und anderen Informationen:

Die iPod-Petze

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