Kolumne:Männer aktuell, diesmal: Chris

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So viel zum Thema Erleuchtung: Unsere Autorin hat mit Yogalehrern nicht nur gute Erfahrung gemacht. (Foto: Illustration Jessy Asmus)

Christian war früher in irgendeinem Medienberuf, nehme ich an. Jetzt heißt er Chris und macht Yoga. Und eines habe ich seinetwegen gelernt: Nicht alle Yogalehrer sind auch gute Menschen.

Von Johanna Adorján

Wer Chris in seinem früheren Leben war, weiß ich nicht. Ein Christian in irgendeinem Medienberuf, nehme ich an. Heute ist er jedenfalls Yogalehrer, und als solcher präsentiert er sich beseelt, fast schon heilig auf der Homepage des Studios, in dem er unterrichtet. Man kennt ja diese Kurzzusammenfassungen der jeweiligen Yogalehrer-Lebensläufe, in denen es immer diesen Bruch ins Positive gibt, wenn Yoga entdeckt wird. "Nach einem Burnout fand sie zum Yoga und kehrte daraufhin der hektischen Musikbranche den Rücken", "1999 führte ihn ein Zufall nach Kalifornien direkt in den Tempel von Shri Parhjan Parharmuk", "Während meiner Berufstätigkeit in der Modewelt wurde Yoga zu meinem Anker, der mich wohltuend zurück ,nach Hause' brachte."

Körperlich scheint Chris topfit zu sein. Ein großer muskulöser Mann, der mühelos minutenlang im Unterarmstand verharrt, weshalb er diese Übung in seinen Unterricht einbaut, denn natürlich unterrichten Yogalehrer am liebsten, was sie selbst gut beherrschen. Mental allerdings gibt es bei ihm durchaus Spielraum zum Wachsen.

Das wurde mir eines heißen Augustnachmittags schrecklich bewusst, als ich, zum ersten Mal in seinem Unterricht, während der Stunde fragte, ob es okay wäre, wenn ich kurz das Fenster aufmache. Das Studio ist im Dachgeschoss gelegen, wunderschön zwar, aber im Sommer extrem stickig. Irgendetwas an meiner höflich vorgebrachten und vollkommen sachlich gemeinten Frage verärgerte ihn.

Nicht alle Yogalehrer sind auch gute Menschen. Nein, alle wirklich nicht

"Da möchte jemand das Fenster öffnen", unterbrach er seinen Unterricht und starrte mich an. "Ja, nur kurz frische Luft, ist so heiß", sagte ich. "Aber natürlich", jetzt war nicht mehr zu überhören, dass sein Tonfall schon eben höhnisch gewesen war. "Natürlich, selbstverständlich, diese Frage taucht ja immer mal wieder auf, ob man" - er äffte meinen Tonfall nach - "das Fenster aufmachen kann." Er war jetzt eine gute Nuance dunkler im Gesicht. "Bitte, bitte mach ruhig das Fenster auf", er klang wirklich vollkommen irre, "wenn du das für richtig hältst."

Ich fragte mich, ob er mir nachlaufen würde, wenn ich jetzt den Raum verließ. "Bitte, mach es auf." Er hatte seine Matte verlassen. "Dabei weiß sie genau", sagte er, an die anderen gewandt, "dass wir hier extra mit geschlossenen Fenstern praktizieren, weil das die Energie im Raum hält." Ich beschloss, mir von einem verrückt gewordenen Lehrer nicht meine 20 Euro teure Yogastunde verderben zu lassen und ließ den Rest des Unterrichts bei geschlossenem Fenster über mich ergehen, ebenso geladen wie Chris.

Aber das war nichts gegen den Münchner Star-Yogalehrer, der mir mal bis in die Frauen-Umkleidekabine nachlief, um mich dort wutentbrannt zur Rede zu stellen, warum ich seine Klasse zwei Minuten vor Schluss verlassen hätte. Ich brachte es nicht über mich, ihm die Wahrheit zu sagen, nämlich dass ich ihn so sehr hasste, dass ich geplatzt wäre, hätte ich noch eine einzige Sekunde lang seine Eitelkeit ertragen müssen, die darin gipfelte, dass er plötzlich vollkommen zusammenhangslos im lang gestreckten Armstütz mehrere Meter nach links und wieder rechts gehüpft war und dabei gekräht hatte, dies hieße "Krokodil", und außer ihm könne das leider keiner. So viel zum Thema Erleuchtung.

© SZ vom 03.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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