Er: Ich bin's, was ist passiert? Wurdest du überfallen, hattest du einen Unfall?
Sie: Unfall? Aber nein, ich bin im Büro. Wie kommst du denn darauf?
Er: Ich habe hier acht Anrufe von dir auf dem Display stehen. Acht Anrufe! Hätte es einer nicht auch getan?
Sie: Ich versuche ja auch seit Stunden, dich zu erreichen. Wenn du nie zurückrufst ...
Er: Ich war in einer Besprechung. Da macht es keinen Unterschied, ob du es ein oder acht Mal versuchst. Was gab es denn überhaupt so Dringendes?
Sie: Hm, das weiß ich jetzt gar nicht mehr.
Er: Wie bitte? Und dafür der ganze Aufstand?
Sie: Hättest du gleich zurückgerufen, hätte ich es noch gewusst. Das Problem ist eigentlich, dass du gar nicht erreichbar sein WILLST. Egal wann ich anrufe, nie gehst du ran! Entweder du steckst in einem Funkloch oder im Meeting. So was ist doch nicht normal!
Er: Nein, DU bist nicht normal. Weißt du, was du bist? Eine verdammte Telefonterroristin!
Sie: Quatsch. Ich habe einfach nur ein unverkrampftes Verhältnis zu meinem Telefon, im Gegensatz zu dir. Ich kenne wirklich keinen Menschen, der sich so wenig um sein Telefon kümmert.
Er: Ein Telefon ist doch kein Tamagotchi! Du klingst, als hätte ich mein Haustier vernachlässigt oder als sei das Jugendamt hinter mir her.
Sie: Oh, da klopft jemand an. Sekunde, ich lege dich kurz in die Warteschleife.
Er: Moment mal, stopp! Ich muss gleich weiter ins ..... so ein Mist. (Er wartet eine Weile, bis er merkt, dass sie ihn offenbar vergessen hat): Äh ... also, ich leg' dann mal auf. Bis später.
Abends treffen sie sich in der Wohnung. Sie steht in der Küche und wischt auf ihrem iPhone herum.
Er: Sag mal, wie machst du das eigentlich tagsüber, im Büro? Kommst du überhaupt noch zum Arbeiten?
Sie: Was? Ach, hallo, Schatz.
Er (wirft einen Blick in den Kühlschrank): Sollen wir kochen oder uns eine Pizza bestellen, was meinst du?
Ping! Eine neue Statusmeldung ist eingetroffen. Als er sich umdreht, lehnt sie mit dem Rücken an der Wand, lächelt versonnen ins Display und tippt Botschaften ein.
Er: Sag mal, wem schreibst du denn da?
Sie: Oooh, wie süß! Sven hat einen Hundewelpen aus dem Tierheim gerettet, guck mal.
Er: Sven? Wer ist das?
Sie tippt weiter und wischt eifrig übers Display.
Er: Weißt du, woran du mich erinnerst?
Ping! Wieder eine neue Statusmeldung.
Sie: Brutus! Der kleine Hund heißt Brutus, ist das nicht zum Schießen?
Er: ... An einen Fötus, der mit seiner Nabelschnur spielt. Ist dir eigentlich klar, dass du aussiehst, als wärst du mit deinem Smartphone verwachsen?
Sie: Ich muss schnell noch 'ne WhatsApp an Antonie schicken wegen morgen.
Er: Ich fasse es nicht. Meine Frau mutiert zu einem Telefonhaltegestell.
Sie: Entschuldige, hast du eben was von Essen gesagt? Pizza wär' toll! Ich schau nur noch schnell, wie das Wetter morgen wird.
Mit dem Handy im Bett
Abends liegen sie nebeneinander im Bett, das heißt: Er liegt, sie sitzt und wischt.
Er: Ich weiß schon gar nicht mehr, welche Farbe dein Gesicht hat, weil ich es nur noch im Schein der Display-Beleuchtung sehe.
Sie (tippt kurz die Taschenlampen-App an, leuchtet sich damit ins Gesicht und schaut ihn an): Zufrieden?
Er: Was hat das Ding eigentlich, was ich nicht habe?
Sie: Es ist schlank, smart und immer auf dem neuesten Stand - nee, ich mach' nur Spaß. (Sie öffnet eine Klatschseite) Wusstest du zum Beispiel, dass Frauen mit breiten Hüften eher zu One-Night-Stands neigen als ...?
Er: Wozu muss ich so etwas wissen, wenn ich neben einer Frau mit perfekt geschwungenen Hüften liege, die dazu neigt, überhaupt keinen Sex zu haben, weil sie lieber an ihrem Handy fummelt.
Sie:... und dass, wenn man mit dem rechten Fuß im Uhrzeigersinn Kreise in der Luft zeichnet und gleichzeitig mit der Hand eine sechs in die Luft schreibt, sich automatisch die Drehrichtung des Fußes ändert? (Sie hebt das rechte Bein, kreist mit dem Fuß und versucht dabei, mit der freien Hand eine sechs in die Luft zu zeichnen).
Er: Es genügt mir völlig, deinen Dreh- und Wischbewegungen zu folgen, um zu erkennen, dass sich bei dir im Kopf etwas gewaltig verändert.
Sie: Dass du immer so übertreiben musst ...
Er: Außerdem piept es bei dir ständig. Sogar nachts, neben dem Bett. Als wären die Belanglosigkeiten, die deine Freunde posten, Eilmeldungen von nationaler Bedeutung.
Wie zur Bestätigung piepst in dem Moment ihr Handy.
Er: Lass mich raten: Harry will uns nicht vorenthalten, dass ihm soeben das Klopapier ausgegangen ist. Oder ist es diesmal Yvonne, die einfach nur all ihren Freunden Gute Nacht sagen will?
Er beugt sich zu ihr hinüber, fingert nach ihrem Smartphone und reißt es ihr aus der Hand.
Sie: Gib das sofort zurück, spinnst du?
Er (steigt aus dem Bett und läuft auf die andere Seite des Zimmers, sie springt hinterher. Während sie versucht, ihm ihr Handy abzujagen, hält er es hoch und liest den Tweet eines gewissen @hellsbagel, der soeben von einer Kneipentour zurückgekehrt ist, laut vor): "selten so über ein altes salamibrot gefreut, das noch immer neben meinem bett liegt - yummi!"
Er: Und, was hab' ich gesagt?
Sie: Zufall! Von dem wollte ich mich ohnehin längst entfreunden!
Er: Ach ja? Gut, warten wir eben auf die nächste ...
Sie (schnappt sich das Handy und dreht sich weg): Okay, okay, ich mach's ja schon aus.
Während sie auf dem Bettrand sitzt und ein paar Tasten drückt, geht er auf die Toilette. Als er durch die Diele geht, piepst sein Handy in der Manteltasche. Er holt es heraus und liest die SMS, die sie gerade geschickt hat: "Ich wollte dir nur sagen: Wenn du diese Nachricht liest, habe ich bereits abgeschaltet."
Er schüttelt den Kopf, verdreht die Augen. Da piept es noch mal - wieder eine SMS von ihr. "PS: Was hattest du noch mal über meine Hüften gesagt?"