Kolumne "Er sagt, sie sagt":Wie sieht das denn aus?

popart teaser kolumne "er sagt, sie sagt"

Bemüht oder chaotisch - wie soll die Wohnung aussehen, wenn Gäste kommen?

(Foto: iStock)

Wenn Besuch zur WM-Party kommt, muss man zuvor aufräumen - oder eben gerade nicht. Es könnte ja jemand denken, man hätte sich extra ins Zeug gelegt - nur wegen der Gäste. Eine Beziehungskolumne in Dialogform.

Von Violetta Simon

Er: Ich habe übrigens für heute Abend ein paar Leuten Bescheid gesagt, dass sie zum Fußballgucken vorbeikommen können.

Sie: Und das sagst du mir jetzt? Wir haben doch gar nichts vorbereitet!

Er: Würdest du dich bitte ein kleines bisschen entspannen? Ich hab mich bereits um alles gekümmert.

Sie: Ach ja? Und worum genau hast du dich gekümmert?

Er: Ich habe einen Grill gekauft.

Sie: Du hast was? Aber wir haben doch einen Grill!

Er: Du meinst das alte Blechgestell? Schätzchen, ich spreche von einem richtigen Grill. Einer Outdoorgrillstation mit BBQ-Technik.

Sie: Verstehe. In der Wohnung herrscht Chaos, das Bad ist nicht geputzt und der Kühlschrank leer. Jeden Moment kommen die Gäste - aber Hauptsache, wir haben einen Grill. Hat denn der Herr auch zufällig etwas besorgt, das man drauflegen kann auf den Super-Grill?

Er: Logisch. Bisonwürstchen.

Sie: Prima, dann ist ja zumindest die Essensfrage geklärt. Hoffentlich macht es deinen Freunden nichts aus, wenn sie ihre Teller auf den Schoß nehmen, weil hier nämlich kein Platz ist, um irgendwas abzustellen.

Er: Kein Problem, die Würstchen kann man in ein Brötchen klemmen und im Stehen essen. Nur nicht so förmlich!

Sie: Also, ich weiß nicht.

Er: Jetzt mach dir bloß keine Umstände, das sind bloß meine Kumpels. Die sehen das total locker!

Sie (läuft ins Wohnzimmer, um sich ein Bild zu machen von der Lage): Also nee, wie's hier wieder aussieht! Sie klaubt eine Jogginghose vom Sofa und sammelt eine Sporttasche ein, die am Boden steht.

Er: Lass doch, das soll so!

Sie: Diese ausgeleierte, muffelige Jogginghose kann unmöglich hier liegenbleiben!

Er: Kann sie wohl! Und die Sporttasche bleibt auch da, wo sie ist.

Sie: Ich verstehe nicht, wird das eine Kunstinstallation?

Er: Etwas in der Art. So wirkt es nicht so gewollt.

Sie: Nicht gewollt? Also, von meiner Seite aus ist ein bisschen Ordnung durchaus gewollt, wenn Besuch kommt.

Er: Ja, Liebes. Wenn deine Mutter kommt oder Kollegen. Aber nicht, wenn ich spontan meine Kumpels einlade. Dann finde ich es einfach nur peinlich, wenn alles so offensichtlich perfekt ist. Das wirkt so ... so bemüht, verstehst du? Ich möchte aber, dass alles ganz locker und ungezwungen wirkt, ist ja schließlich kein Gala-Dinner.

Sie: Aha. Na gut - Liebes! - dann klappe ich die Klobrille gleich mal nach oben. Nicht, dass sich noch einer von euch gezwungen fühlt, im Sitzen zu pinkeln.

Er (verschwindet Richtung Balkon): Ich habe jetzt keine Zeit mehr - muss mich um die Würstchen kümmern.

Sie: Jetzt schon? Ist das nicht ein bisschen früh?

Er: Ach, woher.

15 Minuten später. Sie: Hm, das duftet ja schon!

Er (kratzt die Bisonwürstchen vom Rost, tritt auf das Pedal des Treteimers und wirft sie in den Müll). Da müssen noch mindestens zwei neue Lagen drauf!

Sie: Was machst du denn da?!?

Er: Das waren die Probewürstchen. Damit der Rost nicht so ungebraucht aussieht, wenn meine Kumpels kommen.

Sie: Sag mal, bist du verrückt? Die waren doch bestimmt sündhaft teuer!

Er: Ich kann doch meine Freunde nicht mit einem nagelneuen, ungebrauchten Grill empfangen - wie sieht das denn aus!?

Sie: Wie meinst du das, wie soll das schon aussehen?

Er: Na, als hätte ich ihn extra für diesen Abend gekauft.

Sie: Hast du das denn nicht?

Er: Schon, aber das muss ja niemand wissen.

Sie: Du kaufst einen nagelneuen Grill und saust ihn dann ein, bevor die Gäste kommen, damit deine Freunde nicht merken, dass du wegen ihnen einen nagelneuen Grill gekauft hast?

Er: Es soll eben zwanglos rüberkommen.

Sie: Zwanglos, aber sicher. Wie konnte ich das nur vergessen? Und was ist mit mir? Soll ich mir die Fußnägel lackieren oder ein bisschen renovieren, während die Gäste eintreffen, damit es nicht wirkt, als hätten wir sie erwartet?

Er: Nein, nicht nötig. Sei einfach ganz du selbst. Übrigens: Heute spielt Deutschland gegen Argentinien - nicht, dass du dann mitten im Spiel wieder fragst...

Sie: Ach nein, und was spielen die - Federball?

Es läutet.

Er: Moment, noch nicht aufmachen! Der Fernseher! (Er läuft ins Wohnzimmer, schaltet den Fernseher an und begibt sich lässig zur Wohnungstür)

Sie: Ich gehe mal eben eine Wand streichen. Oder tippe ein bisschen an meinem Romanmanuskript. Damit meine Anwesenheit nicht so g-e-w-o-l-l-t wirkt.

Die Freunde trudeln ein. Der Grill wird mit beifälligem Nicken gelobt. Schulterklopfen, technische Details werden ausgetauscht. Nach kurzem Schweigen fragt der erste nach einem Bier.

Sie zieht die Augenbrauen hoch und sieht ihn erwartungsvoll an.

Er (rauft sich die Haare und greift sich nervös an die Stirn): Oh nein! Das habe ich total vergessen!

Sie (mit süffisantem Lächeln): Ach, das tut mir jetzt aber leid! Ihr müsst wissen: Wir grillen hier nur ganz zufällig ein paar Bisonwürstchen und hatten gar keinen Besuch erwartet - ihr seht ja selbst, wie es hier aussieht ...

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