Kolumne "Er sagt, sie sagt":Die Fettecke kommt weg!

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In der Küche ist sie für die tägliche Routine zuständig - er betätigt sich am Herd lieber experimentell.

(Foto: iStock)

Wenn sie kocht, ist es Routine. Wenn er kocht, ist es Kunst. Zumindest gleicht die Küche nach dem Schaffensprozess dem Atelier eines Aktionskünstlers. Ein Beziehungsdrama in Dialogform.

Von Violetta Simon

Er werkelt in der Küche. Dorthin entschwand er vor eineinhalb Stunden mit der Ankündigung, ein Abendessen für sie zu zaubern und der Anweisung, ihn nicht zu stören. Durch die verschlossene Tür hört man es scheppern und klappern. Schließlich öffnet sie die Türe einen Spalt, riskiert einen Blick - und erstarrt.

Er: Du sollst doch nicht gucken!

Sie: Huch - was für ein Chaos!

Er: Ist das alles, was dir einfällt, wenn ich mich für dich in die Küche stelle?

Sie: Tut mir leid. Ich frage mich nur, was du da ... äh... Unglaubliches zauberst. Das sieht nach einer Menge Arbeit aus.

Er: Oh, das ist es auch! Es gibt potage aux légumes - Gemüsesuppe mit Croutons. Das Rezept habe ich von einem französischen Gourmetkoch geklaut.

Sie: Du machst Suppe?

Er: Nicht einfach nur Suppe. Das Geheimnis ist, dass jedes Gemüse einzeln angebraten oder blanchiert wird, je nach Beschaffenheit. Für die Croutons werden drei verschiedene Brotsorten in Olivenöl geröstet, getrennt, versteht sich.

Sie: In unserer Küche sieht es aus, als hätten hier Betrunkene randaliert! Das Abspülen wird Stunden dauern!

Er: Weißt du eigentlich, wie schwierig es war, den exakten Gargrad der Aubergine in der gusseisernen Pfanne zu erfühlen? Und gleichzeitig darauf zu achten, dass die Tomaten im Keramik-Schmortopf nicht matschig werden?

Sie: Das hättest du auch einfacher haben können. Für eine Gemüsesuppe genügt mir ein Topf und ein Pürierstab - basta.

Er: DIR vielleicht. Aber das ist ja der Unterschied!

Sie: Moment mal, was soll das denn heißen? Schmeckt dir etwa nicht, was ich koche?

Er: Doch, aber hin und wieder braucht es auch Mut zu innovativen Ideen.

Sie: Aber warum brauchst du dafür so viel Zeug?

Er: Ich benötige eben ein angemessenes Equipment, um mich zu entfalten.

Sie: Dann sei doch bitte so nett und sorge dafür, dass das Equipment nach erfolgter Entfaltung wieder verschwindet. Das meiste kann man schon während des Kochens spülen. So mache ich es zum Beispiel.

Er: Sorry, aber das unterbricht meinen kreativen Prozess.

Sie: Oh! Verstehe. Ich koche nur. Aber bei dir ist es Kunst. Koch' doch zur Abwechslung mal jeden Abend, dann wirst du schon sehen, was aus deiner Kreativität wird.

Er: Du begreifst das nicht.

Sie: Oh doch, ich begreife sehr wohl! Du bist Beuys, und diese Sauerei hier ist deine Fettecke! Mit den Töpfen und Pfannen wolltest du eine Installation erschaffen, wie dieser indische Künstler, der immer Kochgeschirr zu Bergen stapelt.

Er: Ich sehe schon, Inspiration ist hier unerwünscht.

Sie: Aber nicht doch! Was meinst du, sollen wir die Ölspritzer an den Fliesen vorsichtshalber einrahmen?

Er: Ist ja gut, ich hab's kapiert. Lass' uns erst mal essen. Damit ich Kraft habe für den bevorstehenden Abwasch.

Sie: Wow. Jetzt mal ganz ehrlich: Diese Suppe ist ein Gedicht. Nein, sie ist ein Kunstwerk!

Er: Na also, sag ich doch.

Sie: Falls es dich tröstet: Beuys wurde auch von vielen Leuten missverstanden.

Er: Armer Kerl. Vor allem, wenn man bedenkt, was sie mit seiner Fettecke gemacht haben.

Sie: Stimmt. Eines Tages kam ein Hausmeister und wischte sie weg - einfach so.

Er: Mann, bin ich ein Glückspilz. Ich darf das selber machen.

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