Königin Silvia von Schweden:Recherchen über den Vater

Schwedens Königin Silvia lässt die Rolle ihres 1990 gestorbenen deutschen Vaters während der Nazi-Herrschaft und bei der Judenverfolgung untersuchen.

Gunnar Herrmann

Schwedens Königin Silvia möchte künftig offenbar nicht mehr von Enthüllungen über die Nazi-Vergangenheit ihres Vaters überrascht werden. Gemeinsam mit ihrer Familie habe die Regentin Recherchen über das Leben von Walther Sommerlath begonnen, sagte der Hofsprecher Bertil Ternert am Sonntag im schwedischen Fernsehkanal TV4. "Die Familie Sommerlath wünscht Klarheit in einer Reihe von Fragen", sagte er. Bislang hatte sich Königin Silvia, geborene Sommerlath, nur ein Mal öffentlich zur Nazi-Vergangenheit ihres Vaters geäußert - das löste einen kleineren Skandal aus, da sie seine Parteimitgliedschaft nach Kräften herunterspielte.

Carl Gustaf wird 65

Königin Silvia will mit Hilfe von Kontakten in Deutschland und Brasilien "eine Anzahl offener Fragen" zu den Aktivitäten ihres Vaters klären lassen.

(Foto: dpa)

Wie viele seiner Generation hatte auch der 1990 verstorbene Walther Sommerlath zu Lebzeiten wenig von seiner Zeit vor 1945 erzählt. Mindestens einmal hat er gelogen: Kurz vor der Hochzeit seiner Tochter mit Carl XVI. Gustaf versicherte er einer schwedischen Boulevardzeitung, er sei nie NSDAP-Mitglied gewesen. Etwa dreißig Jahre später fand dann der schwedische Historiker Mats Deland in einem Archiv den Mitgliedsausweis. Sommerlath war am 1. Dezember 1934 in Brasilien der Auslandsorganisation der Partei beigetreten. 1938 zog er mit seiner Familie nach Berlin. Zum Zeitpunkt der Enthüllung war er bereits tot. Doch die Lüge bereitete seiner Tochter Probleme.

Denn in Schweden fragte man sich, wie viel die Königin von all dem gewusst haben mag. Acht Jahre dauerte es, bis sie sich im Mai 2010 in einem Interview mit TV4 zur Vergangenheit ihres Vaters äußerte:"Man muss sich psychologisch hineindenken, wie das damals war", sagte sie. "Deutschland erhob sich aus der Asche. Diese Freude, dass das Vaterland plötzlich wieder da ist, die machte, dass mein Vater Deutschland unterstützte und da trat er in die Partei ein. Aber er war nie politisch aktiv." Um seine Harmlosigkeit zu unterstreichen fügte sie hinzu: "Er war nie Soldat." Zudem versicherte Silvia, in seiner Fabrik in Berlin habe ihr Vater nur Gasmaskenbauteile für den Zivilschutz gefertigt.

Kurz nach dem umstrittenen Auftritt fand das TV-Magazin "Kalla Fakta" (deutsch: Kalte Fakten) heraus, dass Sommerlaths Fabrik auch Teile für Panzer und Luftabwehrkanonen produziert hatte. Zudem entdeckten die Reporter, dass der Betrieb bei der "Arisierung" einem jüdischen Eigner weggenommen worden war, bevor Sommerlath ihn kaufte. Königin Silvia teilte mit, sie wolle das nicht kommentieren und "bedauere", dass ihr Vater der NSDAP beigetreten sei. Am Sonntagabend erzählte Hofsprecher Ternert nun, Silvia habe "sehr heftig" auf die Enthüllungen reagiert. "Gemeinsam mit ihrer Familie hat sie eine Initiative zur Faktensammlung in Deutschland und Brasilien gestartet."

Die Königin stütze sich dabei vor allem auf Freunde und Bekannte. Ihre Familie hat überdies Zugang zu Material, das Historikern verschlossen ist. So lagern etwa bei der Deutschen Bank Akten zum Kauf der enteigneten Fabrik, die nur von Walther Sommerlaths Kindern eingesehen werden können. Den Recherchen von "Kalla Fakta" zufolge hatte die Fabrik zuvor einem Mann namens Efim Wechsler gehört, der 1939 vor den Nazis nach Brasilien floh und dort starb, wohl ohne Nachkommen zu hinterlassen. Die Dokumente über die "Arisierung" gehörten nun zu den Dingen, denen die Königin nachgehen wolle, sagte Ternert. "Sie will mehr über den Hintergrund herausfinden." Es gebe auch die Ambition, die Erkenntnisse zu veröffentlichen. Doch sei die Suche in den Archiven zeitaufwendig, und so könne dies noch dauern.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: