Klage eines getäuschten Mannes:Akte Kuckuckskind

Untergeschobene Kinder gab es schon immer. Doch durch die Verbreitung von DNS-Tests hat sich die Handhabe der so getäuschten Männer erheblich verändert. Nun entscheidet der BGH, wann eine Mutter den Namen des wahren Vaters nennen muss.

Wolfgang Janisch

Auf 3,7 Prozent kam vor Jahren eine Studie aus England, diverse Schätzungen liegen mitunter höher - aber wie hoch die Quote der Kuckuckskinder wirklich ist, mag für die Betroffenen gar nicht so entscheidend sein. Man weiß, es gibt sie, und manchem Vater wird das genügen, um den bösen Verdacht wie geruchloses Gift in die kriselnde Beziehungen tropfen zu lassen: Ob das so wenig talentierte Kind wirklich der eigene leibliche Nachwuchs sein kann.

Sieg für Single-Vater vor Gerichtshof für Menschenrechte

Wann muss eine Frau den Namen eines Kindsvaters preisgeben? Der BGH entscheidet über die Klage eines getäuschten Mannes.

(Foto: dpa)

An diesem Mittwoch verhandelt der Bundesgerichtshof (BGH) über die Klage eines frühpensionierten Bundespolizisten, der immerhin zwei Dinge ganz genau weiß: dass der Junge, den er ein Jahr lang für seinen Sohn hielt, nicht von ihm stammt. Und dass er 3300 Euro Unterhalt gezahlt hat für das Kind, das nicht seines ist, dazu 1200 Euro für die Babyausstattung. Nur eines weiß er nicht, deshalb hat er seine Ex-Partnerin verklagt: Wer der wirkliche Vater ist. Denn der schuldet ihm jetzt Geld.

Zwar gab es untergeschobene Kinder schon immer - mitunter mit dem stillschweigenden Einverständnis des falschen Vaters. Trotzdem ist das juristische Problem vergleichsweise neu. Als das Bürgerliche Gesetzbuch vor mehr als hundert Jahren in Kraft trat, war der schöne Schein der gutbürgerlichen Familie mit rechtlichen Mitteln kaum zu erschüttern: Bis 1961 konnte allein der Ehemann der Mutter seine Vaterschaft anfechten, danach wurden auch dem Kind erstmals Rechte eingeräumt. Seit gut zwei Jahrzehnten nehmen die Rechte zur Durchleuchtung der Abstammungsverhältnisse Konturen an. 1989 anerkannte das Bundesverfassungsgericht einen Anspruch des Kindes, von der Mutter den Namen des Erzeugers zu erfahren. Wahrscheinlich war die traditionelle Zurückhaltung, den Familienfrieden durch unangenehme Fragen zu stören, schon deshalb nicht ganz unberechtigt, weil die Nachweismöglichkeiten denkbar unzureichend waren.

Mit dem Aufkommen zuverlässiger und leicht verfügbarer DNS-Tests hat sich die Sache dramatisch verändert: Weil argwöhnische Väter nunmehr ein Kaugummi oder eine Haarbürste ins Labor tragen und für ein paar hundert Euro ihre Erzeugerschaft prüfen lassen konnten, musste im Februar 2007 das Bundesverfassungsgericht einschreiten. Ergebnis: Heimliche Vaterschaftstests wurden zwar nicht erlaubt, aber der Gesetzgeber musste den Männern eine Möglichkeit zum legalen Vaterschaftstest eröffnen. Das ist inzwischen geschehen; die Mutter kann den Test nicht mehr blockieren.

Dem pensionierten Polizisten hilft das nichts, er weiß ja inzwischen, dass er nicht der Vater ist. Was er benötigt, ist der Name des leiblichen Vaters, den nur die Mutter kennt - inzwischen zahlt er sogar Unterhalt, 202 Euro im Monat.

Einige Gerichte der unteren Instanzen haben einen solchen Anspruch anerkannt, wenngleich Unklarheit über die rechtliche Grundlage herrscht - ein klärendes Wort des BGH ist daher notwendig. Das Schweigen der Mutter könnte dann ernsthafte Konsequenzen haben. Als die Mutter eines Kuckuckskindes vor Jahren den Gerichtstermin verstreichen und damit den Anspruch des Scheinvaters auf Nennung des Namens rechtskräftig werden ließ, landete der Fall 2008 beim BGH. Die Richter mussten entscheiden, ob man die Frau zum Reden zwingen darf, das Landgericht Gera hatte 1000 Euro Zwangsgeld angeordnet. Als sie nicht zahlte, wurden ersatzweise zehn Tage Haft beantragt. Der BGH hatte keine Einwände.

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