Familie:Den Kinderwunsch erfüllen - mit allen Mitteln

Der Hebammenmangel in München wird immer schlimmer.

Nicht für alle Paare erfüllt sich der Kinderwunsch. Wer länger als ein Jahr wartet, beginnt oft eine Hormontherapie.

(Foto: dpa)

Eizellenspenderinnen, Leihmütter, anonyme Samenbanken: Erstmals wird in Deutschland eine Kinderwunsch-Messe ausgerichtet. Ein Großteil des Angebots ist hierzulande illegal.

Von Ulrike Heidenreich

Babymessen, bei denen sich rosa und hellblauer Kleinkindbedarf in riesigen Hallen türmt, gibt es zuhauf. Eine Messe aber, die alle Mittel und Wege aufzeigt, um die künftigen Konsumenten - die Babys - überhaupt entstehen zu lassen, gibt es zum ersten Mal in Deutschland. In knapp zwei Wochen eröffnet die Publikumsmesse "Kinderwunschtage" in Berlin. Adressaten sind Menschen, die unter ungewollter Kinderlosigkeit leiden, die Tageskarte kostet 20 Euro. Die Veranstaltung ist schon jetzt hochumstritten. Denn unter den Ausstellern sind viele Mediziner ausländischer Fruchtbarkeitskliniken, die Methoden anbieten, die in Deutschland verboten sind - wie Eizellenspende, Leihmutterschaft oder Vorauswahl des Geschlechts.

Fast jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren in Deutschland ist ungewollt kinderlos, so die Schätzung des Bundesfamilienministeriums. Wenn die Sehnsucht nach einem eigenen Baby überhandnimmt, unterziehen sich viele Betroffene einer Behandlung bei Reproduktionsmedizinern - das ist nicht nur physisch und psychisch eine Herausforderung, sondern auch teuer. Zur Hoffnung kommt hier die Verunsicherung, wo die Grenze ist zwischen medizinisch Machbarem und ethisch Vertretbarem.

In diese Lücke will die britische Eventagentur F2F stoßen, die in Europa Verbrauchermessen für die Lebensmittel- und Gesundheitsbranche ausrichtet und erstmals in Deutschland die Kinderwunschtage veranstaltet. Die Londoner Agentur verspricht, "dynamische Live-Erlebnisse zu kreieren und reale Mehrwerte für unsere Teilnehmer und Sponsoren zu gewährleisten".

Indes wächst die Sorge, dass diese Live-Erlebnisse mehr versprechen, als gesetzlich in Deutschland erlaubt ist. Neben Vitaminherstellern, Stresstherapeuten oder Kinderwunsch-Yogalehrern bauen Vertreter europäischer Samenbänke dort ihre Messestände auf. Außerdem diverse Zentren für künstliche Befruchtung (In-vitro-Fertilisation/IVF) und allerlei Spezialisten für die Kryo-Konservierung befruchteter Eizellen. Darunter die spanische "IVF Spain Alicante", die amerikanische Reproduktionsklinik "Oregon Reproductive Medicine", die dänische Samenbank "Cryos Internationale Denmark" und die tschechische Klinik "Karlsbad Fertility".

Dort ist alles erlaubt, was in Deutschland nach dem Embryonenschutzgesetz verboten ist: von der anonymen Samenspende, der Eizellenspende bis zur Zusammenführung von Eizellen und Samen von Menschen, die sich nicht kennen - letztere Methode dient allein der Gewinnung von Embryonen, die dann verkauft werden. In Deutschland wäre dies undenkbar, weil beispielsweise der Deutsche Ethikrat die Entstehung dieser Form einer kommerzialisierten Baby-Branche verhindern will.

Die amerikanische Klinik informiert an einem der 50 Stände auch über Leihmutterschaft. Klinikvertreter Craig Reisser ist mit seinem Partner selbst Vater von zwei Söhnen geworden, die durch Eizellspende und Leihmutterschaft geboren wurden. Ausdrücklich auch an Homosexuelle wendet sich die Messe. Bei Oregon Reproductive Medicine kostet eine Eizellenspende inklusive Behandlung und Entschädigung für die Spenderin um die 40 000 Euro. Günstiger ist es in Spanien, der Ukraine oder Tschechien, wohin nach Schätzung des Bundesverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren (BRZ) bis zu 3000 Paare pro Jahr aus Deutschland reisen.

BRZ-Geschäftsführerin Monika Uszkoreit berichtet, ihrem Verband sei die Entscheidung schwergefallen, ob man an der Messe teilnehmen wolle; F2F hatte einen kostenlosen Stand angeboten. Einerseits sei es gut, über das Thema zu reden. Am Ende aber, sagt sie, "haben wir die Reißleine gezogen". Zu groß sei die Sorge gewesen, "hier als eine Art Zugpferd benutzt zu werden". Vor allem die Überzahl ausländischer Reproduktionsmediziner sei problematisch. "Da wird es keine reine Information mehr geben, das wird auf Werbung hinauslaufen", befürchtet Uszkoreit. Sie bemängelt aber eine "Tabuisierung" des Themas hierzulande: "Fortpflanzung ist technologischem und wissenschaftlichem Fortschritt unterworfen. Die Gesetzgebung hinkt hinterher. Ungewollt Kinderlose werden verunsichert."

Ethikrat informiert über "reproduktives Reisen"

Der Berufsverband der Frauenärzte hat diese Woche verkündet, die Publikumsmesse "ausdrücklich nicht" zu unterstützen. Es sei "nicht zuverlässig sichergestellt, dass bei allen Ausstellern die Gesundheit der behandelten Paare immer an oberster Stelle steht und Vorrang vor finanziellen Erwägungen hat", heißt es in einer Erklärung. Auch der Verein Spenderkinder, in dem sich junge Erwachsene zusammengetan haben, die durch Samenspende entstanden sind, sieht die Messe kritisch und beruft sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2015: "Mehrere Aussteller bieten anonyme Samenspenden an. Dies widerspricht eindeutig dem in Deutschland geltenden Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung." Ein Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sieht die Einrichtung eines zentralen Samenspenderregisters noch in diesem Jahr vor.

Mehrere IVF-Zentren habe ihre Teilnahme an der Messe inzwischen abgesagt, ebenso Experten, die einige der 60 Vorträge halten sollten. Nicht so Claudia Brügge vom Verein DI-Netz, die über "Familiengründung mit Spendersamen" sprechen wird. "Menschen, die problemlos Kinder bekommen, können sich manchmal das ungeheure Leid von Menschen mit schweren Fruchtbarkeitsstörungen nicht vorstellen." Sie sieht sich als "gutes Gegengewicht" zu den ausländischen Sponsoren der Messe: "Es ist eine Möglichkeit, einem breiten Publikum unsere psychosoziale Unterstützung bekannt zu machen."

Embryoschutz

Das Embryonenschutzgesetz (ESchG) vom 13. Dezember 1990 regelt die Grenzen der Fortpflanzungsmedizin und der Gentechnik in Deutschland. Strafbar ist danach die gezielte Erzeugung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken oder zur kommerziellen Verwertung. Auch die gezielte Festlegung des Geschlechts des künftigen Kindes und die Leihmutterschaft ist nicht erlaubt. Ebenso die Eizellenspende, durch die auch Frauen, in deren Eierstöcken keine Eibläschen heranreifen, schwanger werden können. Samenspenden hingegen sind erlaubt, allerdings nur dann, wenn die Identität des Spenders hinterlegt wird. Ulrike Heidenreich

Dass sich unter dem Publikum auch der eine oder andere Ermittler informieren wird, ist absehbar. Es wäre nach dem Heilmittelgesetz verboten, ärztliche Behandlungsverfahren bei Patienten zu bewerben. Handelt es sich dabei auch noch um verbotene Verfahren, käme auch noch der Straftatbestand der Beihilfe hinzu.

David McAllister, nicht verwandt mit dem gleichnamigen CDU-Politiker, ist Veranstalter der Kinderwunschtage und sich dieser Problematik bewusst: "Die Aussteller haben sich mit einem Verhaltenskodex verpflichtet, keinerlei werbliche Handlungen durchzuführen, Erfolgszahlen oder Preise zu nennen", sagt er. Wunscheltern könnten, "ohne großen Reiseaufwand einen ersten Kontakt zu ausländischen Kliniken knüpfen".

Wer unbedingt ein Baby haben möchte, lässt sich nicht von Grenzen aufhalten. Und so geht auch der Deutsche Ethikrat auf diesen Babyboom ein. Der Titel einer Tagung im März, ebenfalls in Berlin, lautet: "Eizellspende im Ausland, Konsequenzen im Inland". Referentin Petra Thorn hat eine neue Bezeichnung dafür gefunden: reproduktives Reisen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: