Kinder in der Pubertät:Welche Rolle die Väter haben

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Väter sind wichtige Rollenvorbilder für ihre Söhne, sagt der Kinderpsychologe Wassilios E. Fthenakis (Szene aus dem Kinofilm "Exit Marrakech").

(Foto: Studiocanal)

Mutter und Vater sind beide unverzichtbar für die Erziehung eines Kindes, sagt der Kinderpsychologe Wassilios E. Fthenakis, aber sie setzen unterschiedliche Schwerpunkte. Ein Gespräch über Vaterschaftskonzepte, unterschiedliche Rollenaufteilung und Vorbilder.

Interview von Eva Dignös

Kaum jemand hat die Väter in Deutschland so genau studiert wie der Kinderpsychologe Wassilios E. Fthenakis. Er gilt als Begründer der Väterforschung in Deutschland (unter anderem durch die Studie "Die Rolle des Vaters in der Familie").

SZ: Die meisten Eltern bemühen sich, die Erziehungsaufgaben gleich zu verteilen. Nehmen Vater und Mutter trotzdem unterschiedliche Rollen ein?

Wassilios E. Fthenakis: Beide Elternteile sind unverzichtbar. Aber sie setzen unterschiedliche Schwerpunkte. Väter sind besonders stark an der Entwicklung des Selbstkonzepts des Kindes beteiligt. Väterliche Merkmale sind prognostisch bedeutsam, wenn man die schulische Laufbahn des Kindes vorhersagen möchte, und Väter tragen dazu bei, dass Kinder später als Erwachsene keine Verhaltensauffälligkeiten zeigen. Darüber hinaus vermitteln sie dem Kind Informationen über Gesellschaft und Berufsleben. Und sie haben eine zentrale Rolle, wenn es um die Entwicklung der Autonomie geht, ebenso bei der Ausprägung des geschlechtsrollenspezifischen Verhaltens, besonders bei Mädchen. Die Mütter dagegen tragen zur Regulierung sozialer Kontakte und sozialer Beziehungen bei. Und beide Eltern sind in gleicher Weise für die Lebenszufriedenheit ihrer Kinder wichtig.

Verhalten sich Väter ihren Kindern gegenüber anders als Mütter?

Väter verbringen zwar meist weniger Zeit mit ihren Kindern, nutzen diese aber intensiver - beispielsweise, wenn sie abends von der Arbeit kommen und sich erst einmal intensiv ausschließlich ihren Kindern widmen. Und sie betten diese Interaktion in der Regel in einen angenehmen Kontext ein: Sie werfen die Kleinkinder hoch, fangen sie wieder und so gestaltet sich die Beziehung für die Kinder attraktiv und aufregend. Viele Mütter sind zwar mehr Stunden des Tages mit ihren Kindern zusammen, der Kontakt verläuft aber oft parallel zu anderen Tätigkeiten.

Wie hat sich Vorstellung von einem guten Vater in den letzten Jahrzehnten verändert?

Die meisten Väter sind heute soziale Väter. Sie treten nicht mehr autoritär auf wie in früheren Generationen, sondern lassen ihren Kindern Freiheit für individuelle Entscheidungen, sie sind emotional nahe an ihren Kindern. Deshalb erleben viele Väter heute zum Beispiel einen ähnlich starken inneren Konflikt wie Frauen, wenn sich Familie und Beruf für sie nicht vereinbaren lassen.

Verhält sich ein Vater von Söhnen anders als ein Vater von Töchtern?

Das Vaterschaftskonzept entwickelt sich, bevor Männer Väter werden, und bleibt danach stabil. Und es ist unabhängig davon, ob es sich bei dem Kind um einen Sohn oder eine Tochter handelt. Es hängt vielmehr mit den Erfahrungen, die man in der frühen Kindheit mit dem eigenen Vater gemacht hat, und mit der Partnerschaftsqualität zusammen. Zufriedenheit in der Partnerschaft und Engagement als Vater sind miteinander verbunden.

Rollenvorbilder und Konkurrenzdenken

Welche Rolle spielt für Väter der eigene Vater?

Väter, die mit ihren eigenen Vätern positive Erfahrungen gemacht haben, nehmen sich ihren Vater zum Vorbild: Sie verhalten sich ähnlich wie ihr Vater. Väter, die mit ihren eigenen Vätern schlechte Erfahrungen gemacht haben, kompensieren dies, indem sie sich bemühen, ihrem Kind ein besonders liebevoller und weniger strenger Vater zu sein.

Wie ändert sich in der Pubertät die Rolle des Vaters?

Die Jugendlichen beginnen bereits vor der Pubertät, darüber nachzudenken, wie ein guter Vater sein soll. Elternschaftskonzepte beschäftigen 10- bis 14-jährige Kinder intensiv. Sie nehmen sich den Vater als Vorbild, wenn er positives Verhalten zeigt, und kompensieren, wenn sich der Vater den Kindern gegenüber autoritär verhält. Die Väterstudie zeigt außerdem, dass starke Kontrolle seitens der Väter dazu zu führen scheint, dass die Jugendlichen ein besonders traditionelles Vaterbild entwickeln.

Mit welchen Themen gehen Jugendliche zu ihrem Vater?

Zunächst einmal hat sich gezeigt, dass Mütter etwas häufiger als Väter von den Jugendlichen als Gesprächspartner für ihre Entwicklungsphasen-spezifischen Probleme gewählt werden. Zugleich hängt es vom jeweiligen Thema ab, ob der oder die Jugendliche lieber auf den Vater oder auf die Mutter zugeht. So sprechen zum Beispiel Söhne über Fragen der Berufswahl etwas häufiger mit dem Vater als mit der Mutter. Mädchen sprechen über ihre körperlichen Veränderungen lieber mit der Mutter als mit dem Vater. Wie viel die Jugendlichen überhaupt mit den Eltern reden, hängt von ihrem Erziehungsverhalten und vom Familienklima ab. Die Auseinandersetzungen in der Pubertät gewinnen vor allem dann an Schärfe, wenn die Eltern ihre Kinder einschränken und kontrollieren, anstatt Streit im Gespräch zu lösen.

Empfinden Väter einen heranwachsenden Sohn als Konkurrenten?

Nein, solche analytischen Konzepte sind Geschichte. Der Vater ist vielmehr ein wichtiges Rollenvorbild für den Sohn. Eine große Bedeutung hat dabei allerdings auch die Mutter. Ihre Einstellung zum Vater und zu dessen Rollenverständnis beeinflusst den Sohn sehr stark.

Haben Väter zu Söhnen eine andere Beziehung als zu Töchtern?

Mädchenväter sind besser informiert darüber, was ihre Kinder aktuell beschäftigt als Jungenväter. Töchter werden auch etwas weniger bestraft und kontrolliert als Söhne.

Welche Auswirkungen hat es, wenn der Vater nicht mit Mutter und Kindern zusammenlebt?

Dann müssen die Mütter versuchen, das väterliche Element zu integrieren, beispielsweise die stärkere Leistungsorientierung, die Väter an den Tag legen. Entscheidend für das Wohl des Kindes ist außerdem die Qualität der Kooperation der beiden getrennten Eltern. Gelingt sie nicht, beeinflusst dies am ehesten das Selbstwertgefühl des Kindes, weil die Beziehung zum Vater als zerbrechlich wahrgenommen wird.

Macht es Sinn, andere männliche Bezugspersonen für die Kinder mit ins Boot zu nehmen?

Ja, das kann hilfreich sein, damit die Kinder Modelle für männliche Lebensformen erleben, aber es ist kein Ersatz für den leiblichen Vater.

Wassilios E. Fthenakis leitete von 1975 bis 2002 das Staatsinstitut für Frühpädagogik in München und hatte von 2002 bis 2010 den Lehrstuhl für Entwicklungspsychologie und Anthropologie an der Freien Universität Bozen/Italien inne.

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