Kinder - der ganz normale Wahnsinn:Schlaf! Kindlein! Schlaf!

Am Anfang, wenn Babys noch nicht unterscheiden zwischen Tag und Nacht, ist es für Eltern am anstrengendsten. Leider kehren die schlaflosen Nächte zuweilen auch bei älteren Kindern zurück. Vor allem, wenn ein Maulwurf im Bett haust.

Katja Schnitzler

Am schlimmsten ist die Tag-und-Nacht-Gleiche und damit sind nicht die zwei Mal im Jahr gemeint, an denen es genau zwölf Stunden lang hell und zwölf Stunden lang dunkel ist. Für Eltern von Neugeborenen ist es die Tagundnacht(undtagundnachtundtagundnacht)gleiche, die alle Kräfte raubt. Weil das kleine Baby leider weder Tag noch Nacht kennt, sondern nur seinen Hunger, wacht es und weckt es auf, wann es will. Am Anfang alle zwei Stunden. Trinken. Einschlafen. Brüllen. Trinken. Einschlafen. Brüllen. Jedes Mal wieder fährt der Säugling voller Entsetzen aus dem Schlaf, welch grausame Leere im kleinen Bauch, ein grässlicher Zustand, den es sogleich kundtun muss. Schrill und laut, schließlich ist das ein Alarm.

Tipps für die Erziehung: Baby, Stillen

Kostbare Minuten in der Nacht: Das Baby schläft - nur, wie lange noch?

(Foto: J. Hosse)

Wird das Baby gestillt, leidet vor allem die Mutter unter dem Still-Schlaf-Schrei-Rhythmus, der aus den ersten Wochen oder Monaten einen einzigen, langen, anstrengenden Tag macht, an dem es mal heller, mal dunkler ist. Leider schwemmen die Geburtshormone bei der Mutter nicht das Wissen hinweg, dass es eine Nacht gibt und diese zum Schlafen da ist - vorausgesetzt man feiert nicht, aber danach ist der Mutter ohnehin gerade nicht zumute. Eben ging der Alarm wieder los, die Milch beruhigte, das Baby schmiegt sich in den Arm. Und will dort nicht mehr heraus. Doch die Minuten sind kostbar, es sind nur 120 bis zum nächsten Schrei nach Essen.

Das Kind muss ins Bett und weil das Baby winzig ist und die Eltern es nicht zerquetschen wollen, soll es in sein eigenes. Doch das Kopfkissen ist während des Stillens ausgekühlt, das Baby maunzt unzufrieden, während die Mutter es millimeterweise ins Bettchen sinken lässt und langsam, Stückchen für Stückchen die Hände zurückzieht. Laaangsam, fast geschafft, noch ein kleines Stück ... jetzt nicht ungeduldig werden, es bleiben noch 115 Minuten Schlafenszeit, langsam ... das Baby schnappt sich den Finger, umklammert ihn. Toll. Noch 110 Minuten. Es dauert, bis das Kind wieder ruhiger atmet. Behutsam die Fingerchen lösen, noch einer. Geschafft!

Erschöpft sinkt die Mutter aufs Kissen, doch kaum hat es die Wange berührt: ALAAAARM! Sie sitzt senkrecht im Bett, tastet nach der Uhr, die 110 Minuten können nicht schon wieder herum sein, sie hat sich doch gerade erst ... sie sind herum.

Nach dem nächsten Stillen gibt die erschöpfte Mutter auf, legt das Kind zwischen sich und den Vater, der vorsorglich geweckt wird, um ihm mitzuteilen: "Leg dich nicht auf dein Kind!" Das Baby schlummert zufrieden, die Mutter liegt wach. Was, wenn das Kleine unter die Decke rutscht? Sich doch ein Erwachsener darüber wälzt? Dann siegt die Erschöpfung.

Plötzlich ein Zappeln am Fußende, panisch reißt die Mutter noch im Aufwachen die Decke weg, packt den zuckenden Körper und zieht ihn an die Luft! Ganz schön schwer, der ... Fuß? Der Vater protestiert verwirrt und vorwurfsvoll, das Baby oben am Kopfende des Bettes ist von dem Tumult erwacht und stellt fest, diese Leere im Bauch ... ALAAAAARM!

Zum Glück geht diese Zeit vorbei, bei manchen schneller (bitte den anderen Jungeltern mit Augenringen nicht zu freudig mitteilen), bei manchen dauert es etwas länger. Dann entdecken die Babys die Ruhe der Nacht für sich, schlafen auch mal vier Stunden am Stück, ein ganz neues Lebensgefühl! Und irgendwann, irgendwann halten sie eine ganze Nacht durch, so dass die Eltern besorgt in der Früh zum Bettchen eilen, ob auch alles in Ordnung sei? Tage sind wieder Tage und Nächte sind wieder Nächte, mal bessere, mal weniger gute.

Mit zunehmendem Alter des Kindes verblassen die Augenringe der Eltern, sie beginnen zu vergessen, wie anstrengend alles war. Doch dann kommt ein Entwicklungssprung, unter Müttern und Väter zu Recht berüchtigt: Das Kind lernt hinzu, sei es körperlich oder geistig, egal. Die neuen Fähigkeiten müssen seelisch verarbeitet werden und zwar in der Nacht. Ein Alptraum für Kinder und Eltern, der sie immer wieder ereilt: Das Heranwachsen eines Kindes ist eben weniger ein Entwicklungssprung als vielmehr ein Hürdenrennen.

Finstere Gestalten schleichen sich in die Träume der Kleinen, die nicht leicht davon zu überzeugen sind, dass sich nicht eben noch ein Monster im Zimmer verstecken konnte, bevor das Licht anging. Viel besser, findet das Kind, wäre es doch, gleich im Bett der Eltern weiterzuschlafen. Wegen des Monsters. Das Kind ist inzwischen enorm gewachsen und hat kein Problem damit, sich mit Fußtritten und Ellenbogenhieben sowie beharrlichem Stemmen Platz im Ehebett zu verschaffen. Was kann es dafür, es schläft ja. Die Eltern sind wach und balancieren auf der linken und rechten Bettkante.

Die nächste Nacht hätten sie ihr Bett gerne wieder für sich. Sie sind bereit, Abendfreizeit für eine erholsame Nacht zu opfern: Wir bleiben so lange an Deinem Bett sitzen, bis Du eingeschlafen bist, versprechen sie dem Kind. Dieses hatte beim Gedanken an die lange, dunkle Nacht und etwaige Monsterbesucher schon den Umzug ins Elternschlafzimmer geplant. Also sitzt nun der Vater neben dem Bett. Das Kind erzählt, kichert und strampelt. Und schläft nicht.

Die Kunst des Hinausschleichens

Der Vater mahnt es sanft und liebevoll zur Ruhe, schließlich will er dem Kind Sicherheit vermitteln und keine weiteren Alpträume bescheren. Das Kind zappelt weiter. "Hör mal, ich kann quaken wie ein Frosch. Und hüpfen auch!"

Der Vater mahnt etwas weniger liebevoll, schließlich sitzt er hier schon eine gefühlte Ewigkeit, also zehn Minuten im Dunkeln. Als er noch einen Schluck Wasser gereicht hat, das Kopfkissen aufgeschüttelt, die zu warme Decke durch eine kühlere ersetzt und dann doch wieder die warme Decke hervorgeholt hat, wird es endlich ruhiger im Kinderzimmer.

Leise zählt der Vater bis hundert, nicht zu schnell, genau im Takt der regelmäßigen Atemzüge. Bei hundert steht der Vater langsam auf, gaaanz langsam, nur nicht ... der Stuhl, das verräterische Möbel, knarzt. "Papa, bist Du da? Wohin gehst Du? Ich schlaf doch noch gar nicht!" Zwanzig Minuten und drei Versuche später (Versuch eins: erneut beim Aufstehen ertappt, der Vater schimpft innerlich. Versuch zwei: Die Türklinke quietscht, der Vater flucht innerlich. Versuch drei: Die Tür schabt kaum hörbar am Rahmen, der Vater schreit innerlich), dann hat er es geschafft. Er ist draußen, das Kind schläft trotzdem.

Vom Feierabend beibt nicht viel, die müden Eltern gehen auch bald zu Bett. Nachts, ein Schrei: "MAMAAAAAAA! Ein Maulwurf ist in meinem Bett!" Das Kind ist völlig aufgelöst, tränenüberströmt, nassgeschwitzt: Am Fußende tummle sich ein Maulwurf, mit seinen garstigen Grabhänden bohre er Tunnel in die Matratze! Es dauert eine halbe Stunde, bis das Bett halb abgezogen und wieder bezogen ist und auch das Kind diesen Beweisen vertraut: Kein Maulwurf - nicht in der Matratze, nicht im Zimmer, nicht einmal im Schrank. Alle sind wieder in ihren Betten, die Glieder werden schwer, der Kopf wird frei, der Atem ruhig. Da, wieder ein Schrei, noch lauter: "WAAAAAAAAH! ER IST WIEDER DAAAAAAA!"

In dieser Nacht schläft das Kind im Ehebett. Die Eltern auf den Ehebettkanten. Dort flüstern sie das Mantra aller übernächtigten Väter und Mütter: "Es ist eine Phase. Nur eine Phase. Sie geht vorüber. Bitte, geh vorüber. Nur eine Phase."

Wie selbst Säuglinge länger am Stück schlafen und wie Babys und Kleinkinder lernen, alleine einzuschlafen und weshalb sie dann auch besser durchschlafen, erklärt die Psychologin Anette Kast-Zahn, Autorin von "Jedes Kind kann schlafen lernen".

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