Kinder - der ganz normale Wahnsinn:Nein, auf das Töpfchen geh' ich nicht

Windeln sind besser, als aufs Klo rennen zu müssen, finden Kinder. Die Eltern aber haben die Nase voll, nicht nur beim Wickeln. Und greifen zu unsauberen Mitteln.

Katja Schnitzler

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Windel weg? Warum nur, fragt sich das Kind.

(Foto: Julian Hosse)

Windeln sind so praktisch. Die Kinder schlafen länger am Morgen, die Eltern auch, schließlich müssen sie nicht mit ihnen zur Morgen-Toilette rasen. Später am Tag werden bei Spaziergängen keine Beete als spontane Pinkelstellen missbraucht. Und daheim sind die Eltern von Windelträgern nur dann nervös, wenn sich das Kleinkind mit Essensresten an Gesicht und Hand dem weißbezogenen Sofa nähert.

Wenn nur das Wickeln nicht wäre. Nach zweidreiviertel Jahren haben darauf weder Mutter, Vater noch Kind mehr Lust. Die Windel wird am Po gelassen, bis die aufgesaugte Flüssigkeit die Litergrenze erreicht und der Hosenboden fast auf dem Boden schleift. Schnell zum Wickeln wollen die Eltern nur noch, wenn das Kind sein großes Geschäft gemacht hat: "Nein, nicht hinsetzen! Nicht! NICHT! ... Ich hatte doch nicht hinsetzen gesagt." Je nach Menge und Konsistenz hält nicht einmal die teuerste Markenwindel diese Kombination aus "voller Windel" und "auf den Po fallen lassen" aus. Weitere Details verschweigen wir, Eltern wissen sowieso, wovon hier die Rede ist.

Ein gewichtiger Grund, künftig ganz ohne Windel auszukommen. Der andere ist der Kindergarten, der am Rande der Legalität mitgeteilt hat: Ihr Kind darf erst zu uns, wenn es trocken ist! Es bleiben noch drei Monate, dann muss das klappen mit Töpfchen und Klo.

Das Kind täuscht zunächst Kooperationsbereitschaft vor und ist sehr interessiert am Töpfchen: Es schiebt es durchs Bad, dreht es um und setzt es sich sogar als Hut auf. Nur sich selbst setzt das Kind nicht drauf. Also gleich aufs Klo?

"Du darfst selbst spülen, wenn du auch was reingemacht hast! Und dann darfst du dir ganz schöne Unterhosen raussuchen." Bestechung klappt sonst immer, diesmal leider nur ein Mal. Denn der Windelträger stellt fest: Weiterspielen macht mehr Spaß als hektisch zum Klo zu rennen, bloß weil sich Darm und Blase in diesem wirklich ungünstigen Moment entleeren wollen.

Also steht das Wickelkind im Sandkasten, halb aufgerichtet, und ... schaut so komisch. "Sag mal, drückst du?", fragt die Mutter, bereit für den Sprint zum Klo. "Nein", behauptete das Kind. Die Stimme klingt gepresst. Sein Gesicht wird röter. "Natürlich drückst du", ruft die Mutter empört. "Hmbrmpffft ...", sagt das Kind, hochrot. Die Mutter reißt es aus dem Sandkasten, rennt zur Toilette, doch die eindeutige Duftspur verrät: Es ist zu spät. Wieder wickeln.

"Ich sag es nur der Mama!"

Zwei Monate sind vergangen, es bleiben noch vier Wochen bis zum Kindergartenstart. Das Thema "rechtzeitig Bescheid sagen" ist inzwischen innerfamiliär vorbelastet. Bei jeden sinnierenden Blick in die Ferne, bei jedem Griff in den Schritt kommt die Frage: "Musst du Pipi machen?" Das Kind ist davon so genervt, dass es aus Prinzip nicht mehr muss, nie mehr in seinem ganzen Leben!

Die Mutter blickt auf den Kalender, der erste Kindergartentag ist rot eingetragen. Sie stellt sich vor, wie ihr Kind dereinst, kaum sozialisiert wegen des entgangenen Kindergartenbesuchs, als Erwachsener mit auffallend breitbeinigem Gang zum Gruppenraum des Gemeindezentrums geht, um bei den Anonymen Windelträgern zu gestehen: Mein Name ist Heinz und ich bin noch nicht trocken.

Sie beschließt, zur nächsten Bestechungsstufe überzugehen: "Jedes Mal, wenn du ins Klo machst, bekommst du hinterher was Süßes." Das scheint zu funktionieren, das schokoverschmierte Kind kommt den ganzen Nachmittag nicht mehr von der Toilette herunter. Und noch besser: Es ist begeistert, dass es so gut klappt.

Die nächsten Tage sagt es schon fünf Sekunden, bevor es ernst wird, Bescheid. Gemeinsam mit der Mutter rast es willig zum Klo, ist stolz über ihre Freudentänze und besteht darauf, mit ihr genauestens Farben und Formen der jeweiligen Ausscheidungen zu begutachten, bevor der Gestank zu groß wird und das Ganze endlich hinweg gespült werden darf. Die Mutter ist erleichtert, hofft aber, dass niemand heimlich die Klogespräche mitschneidet.

Nach zwei Wochen und nur drei nassen Hosen gilt das Kind als windelfrei, sauber, trocken! Die Streitfrequenz in der Familie hat sich wieder auf Normalmaß eingependelt. Auch die Oma ist stolz, die mal wieder zu Besuch kommt und erstmals auf den Enkel aufpassen darf, ohne wickeln zu müssen. Die Mutter nutzt die Zeit für sich. Gerade als sie ihrer Freundin im Café berichtet, wie sie mit Bestechung Erfolg hatte (seit einigen Minuten stiert diese Freundin etwas unkonzentriert in die Ferne, muss sie vielleicht aufs Klo?), klingelt das Handy. Die Oma ist dran.

"Euer Sofa", sagt sie. "Das weiße?", fragt die Mutter und stellt langsam die Kaffeetasse ab. "Ja, das weiße", sagt die Oma. "Aber", sagt die Mutter, "es hatte doch jetzt immer so toll geklappt." "Ja, aber ...", sagt die Oma.

Da hört die Mutter im Hintergrund ihr Kind schreien: "Ich sag es aber nur der Mama, wenn ich muss. Nur der Mama!"

Wie Kinder stressfrei trocken werden, erklärt die Verhaltensbiologin Gabriele Haug-Schnabel in den Expertentipps zur Erziehung.

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