Kevin Costner in München:Go East

Neulich in der Sitzmöbel-Abteilung: der Auftritt des Hollywoodstars Kevin Costner in einem Möbelhaus im Münchner Osten.

Tanja Rest

"Kevin", sagt die Moderatorin Lara Sanders, "du findest es ja wichtig, dass man grounded bleibt, also, bodenständig. Aber bist du nicht so famous, dass du als Star ständig überall herumgereicht wirst?" Streng genommen sagt Lara Sanders nicht Star, sondern "Schtar". Aus den Abteilungen Sitzmöbel und Kleinstdeko hört man vereinzelt Gekicher.

Kevin Costner trägt Jeans, Hemd, Pullunder, Schal und Cowboystiefel. Der linke Daumen klemmt in der Hosentasche. Unter den gegebenen Umständen sieht er unfassbar relaxed aus. "Die Aussicht, sich einfach aufs Pferd setzen zu können und so weit nach Westen zu reiten, wie man will, finde ich sehr cool", hat er mal gesagt. Vorläufig jedoch befindet er sich bei XXX-Lutz im Münchner Osten.

Ein amerikanischer Weltschtar in einem deutschen Möbelhaus, das ist natürlich erst mal heikel. Deutsche Möbelhäuser haben schon viele Karrieren im Endstadium gesehen. Man denke nur an Rex Gildo: "Fiesta Mexikana", 25 Millionen verkaufte Platten, Bravo-Otto, "Leitbild der Jugend", eigene Show im ZDF, Alkoholismus, Möbelhaus, tot. Costner hat seinen Auftritt der Wohltätigkeit gewidmet und auf seine Gage verzichtet; die Eintrittsgelder gehen an eine Stiftung für Behinderte.

Davon abgesehen tourt er mit seiner 2007 gegründeten Band Modern West gerade für vier Konzerte durch Deutschland. Bevor Costner an diesem Abend aufs Podium steigt, kann man ihn auf der Leinwand als Musiker erleben. Er spielt Gitarre und singt, hinter ihm wiegen drei blonde Mädchen versonnen die Köpfe, das Ganze hat etwas von einem Pfadfinderabend am Lagerfeuer.

Es ist nichts einzuwenden gegen Costners Musik. Er macht ehrlichen, schnörkellosen Country.

"Hat dich die Geburt deines jüngsten Sohnes motiviert, Musik zu machen?" Costner lächelt. Sein Auftritt hier ist so angekündigt worden, dass Costner da ist, Fragen zu seiner Musik beantwortet, nicht singt, Sterne-Koch Alfons Schuhbeck dafür aber "kulinarische Köstlichkeiten" serviert. Costner sagt: "Ich wollte mehr sein als jemand, der immer nur betrachtet wird." Etwa 700 Menschen, um das Atrium herum auf drei Etagen verteilt, nicken verständnisvoll und machen Handy-Bilder. Zu Costners Füßen liegt die Weihnachtsabteilung. Von seinem Standort hat er einen guten Blick auf die Angebote "Engel sitzend" (2,99 Euro) und "Kerzen Rosenblüte 2er Box" (5,99 Euro). Man fragt sich, was für ein Film vor seinen Augen gerade abläuft.

Es gab mal eine Zeit, da wusste man ziemlich genau, was Costner gerade trieb. Er tanzte mit dem Wolf, Lady Marian und Whitney Houston, machte Jagd auf den Mörder von JFK, fischte eine Flaschenpost aus dem Wasser und versenkte als Produzent Millionen von Dollar. Seine Filme "Waterworld" und "The Postman" waren spektakuläre finanzielle Desaster, die jedem anderen das Genick gebrochen hätten. Costner stand einfach auf und machte weiter. Allen Rückschlägen zum Trotz, die Neunziger waren sein Jahrzehnt. Er galt als der neue Gary Cooper. In seinen besten Momenten dachte man sogar, dass er eher noch der nächste Clint Eastwood sein könnte. Vielleicht nicht ganz so cool. Aber ähnlich monumental, eigensinnig und besessen.

Auf der nächsten Seite: Kevin Costner weiß, was Frauen hören wollen.

Ein Wertkonservativer

Mehr als zehn Jahre ist es nun allerdings schon her, dass ihn die Leserinnen der Zeitschrift Amica zum erotischsten Mann des Planeten gewählt haben. Seitdem sind Costners Filme allmählich aus den Schlagzeilen verschwunden. Um den Thriller "Mr. Brooks", in dem er einen Serienkiller spielte, gegen alle Widerstände durchzusetzen, belieh er im Jahr 2005 seine Ranch und verzichtete auf sein übliches Honorar von 20 Millionen Dollar - so viel sickerte noch durch. Der Film war dann nur mäßig erfolgreich, genauso wie "An deiner Schulter" (2005), "The Guardian" (2006) und "Swing Vote" (2008). Das Letzte, was man vom Costner gehört hatte, war, dass er für die Fluglinie Turkish Airlines Werbung machte. "Fliegen wie ein Star" steht auf den Plakaten.

Ein Star, das ist er natürlich immer noch, zumal vom Münchner Osten aus betrachtet. Die Leute haben sich schick gemacht für diesen Abend mit Costner, im Möbelhaus. Die Männer tragen Sakko zur Sonntagsjeans, die Frauen Stiefel, die gute Bluse und viel Makeup. Die Frauen sind in der Mehrheit. Die drei Sätze, für die Costner besonders viel Applaus bekommt, sind Frauen-Sätze. "Ich hatte die großartigste Mutter." "Ich habe sechs Kinder." Und: "Meinen Kindern sage ich jeden Tag, dass sie etwas Besonderes sind, aber auch, dass sie nicht besser sind als andere."

Man darf Costner solche Bemerkungen getrost abkaufen. Er ist ein Wertkonservativer, beseelt vom Glauben an Familie, Freundschaft und die elementare Kraft des weiten, wilden Landes. Im hässlichen Amerika von George Bush war er immer der gute Patriot. Mit den Kindern und seiner zweiten Frau Christine Baumgartner lebt er auf einer Ranch in Colorado, gibt Millionen für Umweltschutz und Charity-Projekte aus, er meidet den Hollywood-Rummel. Die Hollywood-Denke.

Wer ihn nach seinen Misserfolgen fragt, beißt auf Granit. "Die meisten Menschen haben ständig vor etwas Angst", erläuterte er vor einiger Zeit in einem Interview. "Dass sie nicht geliebt werden oder dass sie ihr Geld verlieren oder sich blamieren. So ein Leben würde mich verrückt machen." Nicht ganz auszuschließen, dass Costner im Großen und Ganzen ein zufriedener Mann ist.

Ob er vielleicht doch noch etwas singen möchte, fragt Lara Sanders. Er lächelt, schüttelt den Kopf, winkt, Handykameras blitzen. Abgang. Zurück bleibt eine gespaltene Menge. Die eine Hälfte ist beglückt, ihn gesehen zu haben. Die andere Hälfte will wissen, ob das schon alles war. Ob es nicht noch Autogramme gibt. Zwischen zwei Couchgarnituren steht der Schauspieler und Harley-Fahrer Wolfgang Fierek. Auch er wartet auf Costner. Fierek sagt, er ist da, weil er jemanden kennt, der den Kevin sehr, sehr gut kennt. Dass der Kevin ein angenehmer Menschen sei, unwahrscheinlich down to earth. Und dass er das Möbelhaus-Klischee für Schwachsinn hält. "Stars treten überall auf. Als "Resi" der totale Hit war, bin ich auch in ein, zwei Möbelhäusern aufgetreten", sagt Fierek.

Costner wiederum könnte sich in der Zwischenzeit auf ein Pferd gesetzt haben, er könnte so weit nach Westen geritten sein, wie er wollte. Nach einer knappen Stunde wäre er allerdings am Mittleren Ring um München angekommen

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