Jugendliche Ermittler:Schnaps ist Dienst und Dienst ist Schnaps

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Kinder und Jugendliche sollen als verdeckte Ermittler gegen illegale Alkoholverkäufe arbeiten. Das genaue Prozedere ist jedoch unklar.

Jürgen Schmieder

Man kennt das aus dem Boulevard-Fernsehen: Jugendliche laufen mit versteckter Kamera in einen Supermarkt und versuchen, Alkohol zu kaufen. Sie kommen mit zahlreichen Flaschen Schnaps zurück und berichten, wie unproblematisch der Einkauf gewesen sei - der Verkäufer habe keinen Ausweis verlagt, ja nicht einmal nach dem Alter seiner Kunden gefragt. Wären statt des Kamerateams verdeckte Ermittler vor Ort gewesen, würde dem Besitzer des Supermarktes eine Geldstrafe von bis zu 50.000 Euro drohen, in Einzelfällen und bei vorsätzlichem Handeln sogar eine Gefängnisstrafe von bis zu einem Jahr.

Komasaufen bei Jugendlichen: Das Familienministerium geht gegen den Verkauf von Alkohol an Minderjährige vor. (Foto: Foto: ddp)

Geht es nach Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), sollen in Zukunft Kinder und Jugendliche in die Rolle dieser verdeckten Ermittler schlüpfen, und so Verkäufer entlarven, die sich über das Jugendschutzgesetz hinwegsetzen. "Testkäufe von Kindern oder Jugendlichen erleichtern die Arbeit der Kontrollbehörden", heißt es in der Begründung zu einem Gesetzentwurf des Ministerium, der am Mittwoch vom Kabinett verabschiedet werden soll. Bislang habe für jugendliche Ermittler eine gesetzliche Grundlage gefehlt. "Durch die neue Vorschrift wird das geändert."

Für die erwachsenen Fahnder sei es bisher nur schwer und mit hohem Aufwand möglich gewesen, den illegalen Verkauf nachzuweisen. In den vergangenen Monaten gab es immer wieder Berichte über komasaufende Jugendliche auf so genannten Flatrate-Partys in Diskotheken. Im April verstarb ein Jugendlicher, nachdem er 52 Gläser Tequila getrunken hatte. Meldungen wie diese haben das Familienministerium dazu bewogen, verstärkt gegen den Verkauf von Alkohol an Minderjährige vorzugehen.

Die infantilen Ermittler sollen nicht nach dem Motto kaufen, saufen, petzen handeln. Es wird streng geprüft, wer zum jugendlichen Fahnder taugt. Die Eltern müssen der Einstellung zustimmen, dazu gibt es pädagogische Begleitung. Wie die genaue Praxis der Teenie-Spione aussehen soll, ist noch unklar.

Dürfen Jugendliche einfach in den Supermarkt gehen, Alkohol kaufen und anschließend den Verkäufer melden? Werden die Ermittler gezielt eingesetzt? Was geschieht mit dem gekauften Alkohol? Bekommen die Kinder Geld vom Familienministerium, um sich beim Testkauf mit Hochprozentigem einzudecken?

Ursula von der Leyen und ihre Sprecherin Iris Bethge wollten sich auf Anfrage von sueddeutsche.de am Freitag nicht zu dem Gesetzesentwurf äußern. "Vor der Kabinettsitzung können wir keine Informationen herausgeben", hieß es aus dem Bundesministerium. Wenn das Kabinett das Regelwerk verabschiedet, werden Jugendliche bald zu ihren Eltern sagen: "Ich geh' jetzt mal Alkohol kaufen. Mein Land will es so."

(sueddeutsche.de)

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