10 Jahre Lebenspartnerschaft:Wer hat Angst vor der Homo-Ehe?

Kritiker sehen in ihr die "planmäßige Zerstörung der Ehekultur". Doch dieser Vorwurf an die eingetragene Lebenspartnerschaft ist nicht nur falsch, er entlarvt auch die Angst vor der Brüchigkeit moderner Beziehungen.

Matthias Drobinski

Am Morgen des 1. August 2001 band sich Heinz Friedrich Harre aus Hannover die rote Krawatte um und knöpfte den grauen Anzug zu, trat mit seinem Partner Reinhard Lüschow vor den Standesbeamten und sagte "ja"; um 8.20 Uhr umringten die Fotografen das erste homosexuelle Paar, das sich nach dem neuen, von der rot-grünen Bundestagsmehrheit beschlossenen Lebenspartnerschaftsgesetz verband.

Neun Jahre zuvor hatten die beiden schon einmal demonstrativ das Aufgebot bestellt und hatten sich, als die erwartete Ablehnung kam, durchgeklagt bis zum Bundesverfassungsgericht. Sie konnten sich nun als Sieger fühlen.

Wie lange das her ist, viel länger als so viele andere Dinge von vor zehn Jahren. Wie fern diese Kämpfe erscheinen, so fern wie die Existenz jenes Paragraphen 175 des Strafgesetzbuches, der homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte. Kaum etwas hat sich in der Geschichte der Bundesrepublik so radikal gewandelt wie die Haltung des Gesetzgebers gegenüber Schwulen und Lesben.

Inzwischen gibt es 23.000 gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften in Deutschland - bei mehr als 16 Millionen Ehen. Sollte das Land in diesen zehn Jahren moralisch verkommen sein, dürfte es kaum an jenen 46.000 Menschen liegen, die rechtsverbindlich versprochen haben, füreinander einzutreten; die Klage des CSU-Bundestagsabgeordneten Norbert Geis über die "planmäßige Zerstörung der Ehekultur" klingt wie das hilflos verhallende Echo vergangener Kämpfe. Zur gleichen Zeit spricht Hessens CDU-Innenminister Boris Rhein beim Christopher Street Day in Frankfurt.

Es denkt niemand von politischem Gewicht daran, das Gesetz abzuschaffen, im Gegenteil: Alle Gerichtsurteile gehen dahin, die homosexuelle Verbindung der Ehe anzunähern. Vor einem Jahr erst entschied das Bundesverfassungsgericht, dass schwule und lesbische Paare bei der Erbschaftsteuer nicht benachteiligt werden dürfen. Nur noch das Steuer- und das Adoptionsrecht unterscheiden die Ehen von den Lebenspartnerschaften - und es ist zu erwarten, dass diese Unterschiede geringer werden, am Ende verschwinden.

Staatlich gerahmte Bindung

Nicht, weil der Furor der utopistischen Gesellschaftsveränderung tobt. Dazu taugen doppelnamentragende Schwule so wenig wie gemeinsam bausparende Lesben, die sich, welch schreckliches Wort, "verpartnern", als gründeten sie eine Lebens-Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sondern weil es gerecht ist und dem entspricht, was der Staat mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz beabsichtigt.

Er will, dass sich zwei Menschen rechtlich verpflichten, füreinander einzustehen, ob die Tage nun gut sind oder schlecht. Und dass, wenn die Gemeinschaft auseinandergeht, der wirtschaftlich stärkere Partner den schwächeren weiter unterstützt. Das Lebenspartnerschaftsgesetz ist ein Gesetz gegen die Bindungslosigkeit der Single-Gesellschaft. Der Ehe nimmt sie nichts.

Das Lebenspartnerschaftgesetz führt fort, was mit der Zivilehe von 1875 (damals von den katholischen Bischöfen heftig bekämpft) begann und mit den Ehe- und Scheidungsrechtsreformen der siebziger Jahre weiterging: Der Staat stellt Menschen, die sich aneinander binden wollen, einen Rahmen zur Verfügung.

Er kann nicht dafür sorgen, dass diese Menschen sich lieben und treu bleiben, dass sie Kinder bekommen und ordentlich erziehen, dass sie einen Sinn in dieser Ehe sehen. Der Rahmen, den der Staat bietet, ist öde. Und je seltener die Partner diesen Rahmen selbstverständlich füllen können, umso schmerzlicher ist dieses Vakuum zu spüren. Das macht das Unbehagen mancher Leute über die Homo-Ehe aus: Es ist das Unbehagen angesichts der Vorläufigkeit und Brüchigkeit von Bindungen in der Postmoderne.

Nur: Der Staat kann das Vakuum nicht mit Sinn und Liebe füllen. Das müssen die Partner selber tun, ob sie nun homo- oder heterosexuell sind.

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