50 Jahre Dr. Martens:Verkehrsschilder der Jugendkultur

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Die Stiefel der Briten sind Kult. Punks haben sie getragen und Skinheads, der Dalai Lama und sogar Johannes Paul II. Heute feiern die Docs 50. Geburtstag.

Bernd Graff

Schuhwerk, das steckt im Namen, ist Arbeit. Oftmals harte Arbeit - an sich selbst, am eigenen Auftreten, an seiner Erscheinung, im Versuch der bewusst gesteuerten Wirkung auf andere. Und was vom Fashion Victim bis zum Anzugträger wirklich jeder weiß: Es sind nicht zuletzt die Schuhe, die dabei den Ton angeben. Ob es dann ein guter wird, hängt allerdings ganz davon ab, wer man sein und auf wen man wirken will. Doch nicht immer einhellig fällt das Echo aus, das Schuhwerk in der Mitwelt auslöst.

Das gilt insbesondere für jene immer orthopädieverdächtigen Trendstiefel, die seit nunmehr genau 50 Jahren unter dem Namen Doc Martens an den unteren, meist jugendlichen Extremitäten befestigt werden. Für die Träger des schwarzen 8-Lochpaar-Klassikers "1460" sind die Docs die in Leder gebrachte Ideologie am Beinende. Für die Doc-Verächter sind sie die immer zu groß und klobig wirkenden Postbotenschuhe mit aufdringlich gelben Nähten. Sei's drum! Wer Doc Martens trägt, ist noch jung genug, alles besser zu wissen - und der lässt sich auch seine Docs nicht verleiden.

Der Vorläufer des britischen Kultschuhs stammt von dem deutschen Doktor Klaus Maertens, der seine Modelle erstmals im Jahr 1947 am Südende des Starnberger Sees, in Seeshaupt, aus übriggeblieben Materialien der deutschen Luftwaffe fertigte. "Nach Resten einer geschlagenen Armee sehen sie ja auch aus", möchte man spontan ausrufen. Doch in den fünfziger Jahren wurden Dr. Maertens Schuhe vorwiegend von modegestärkten Frauen über 40 gekauft. Angeblich waren sogar achtzig Prozent der Käuferinnen jenseits des jugendfähigen Alters. Wie gesagt: Es waren schlimme Jahre damals.

Dass wir jetzt erst den 50. Geburtstag des sexuell indifferenten Schnürstiefels begehen dürfen, liegt daran, dass Maertens' Firma an den Briten Bill Griggs verkauft wurde, der die Air-Wair-Sohle beisteuerte und damit am 1. April 1960 in Produktion ging. Getragen werden die Schuhe mit den säure-, öl-, und benzinfesten Sohlen weniger aus bekleidungsnotwendigen als aus kommunikationstechnischen Gründen: Doc Martens waren immer so etwas wie die Verkehrsschilder der Jugendkulturen. Sie signalisierten die Zugehörigkeit zu Skinheads wie Punks wie Mods, zu Grufties, Poppern und Wavern. In ihnen hörte man Rocksteady, tanzte Ska und Pogo, flanierte auf Catwalks und durch jene Modemagazine, die in Vorstadt-Haushälften ausliegen.

Egal, ob man die Schuhe mit dem Reibeisen polierte, ihnen Glöckchen annähte, sie mit Rüschen versah oder zu Sandalen umstrickte, ob man sie in Rot oder Weiß trug, Versionen wählte, die man bis zu den Achseln hochschnüren konnte oder die mit Nieten derart beschwert wurden, dass ihr Träger wie Frankensteins Monster über die Disco-Tanzfläche stakste - immer signalisierten die coolsten Boots der Working Class, dass ihre Träger ihr Schuhwerk als vollbracht betrachten konnten.

© SZ vom 01.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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