Istanbul plant schwimmende Garagen:Das Land reicht nicht

Audi, Istanbul, Verkehr

Verkehrschaos in Istanbul.

(Foto: Abdruck fuer Pressezwecke honora)

Zwei Millionen Autos gibt es auf Istanbuls Straßen, 600.000 kommen jedes Jahr hinzu. Um mehr Autos unterzubringen, plant Istanbul jetzt schwimmende Garagen auf dem Wasser.

Von Christiane Schlötzer

Wenn es Abend wird in Istanbul, dann stehen sie auf den Straßen und winken. Männer mit einladenden Gesten. "Otopark" rufen sie ins Verkehrsgewühl, lockend, als wäre es eine Verheißung. Wer ihr folgt, wird mit wedelnden Armen herausgeleitet aus dem Autostrom, in eine Gasse dirigiert, auf einen Parkplatz, dem ersten Sehnsuchtsziel der Nachtschwärmer.

Ohne Parkplatz schließlich kein Barbesuch. Das lassen sich die privaten "Otopark"-Betreiber natürlich etwas kosten. Die Preise variieren stark je nach Lage und Location. Es kann teuer werden, in Istanbul auszugehen, wenn man darauf besteht, mit dem Auto unterwegs zu sein.

"Automanie" in Istanbul

Am Tag ist es nicht besser. Das Massenblatt Hürriyet klagte am Wochenende über die "Automanie". Jedes Jahr kämen in der Türkei 600.000 Autos dazu, und die Infrastruktur der Städte könne mit dieser Flut auf vier Rädern nicht mithalten. Istanbul will daher Garagen künftig auch aufs Wasser setzen. Wann es die schwimmenden Parkplätze geben soll, ließ der Generaldirektor der städtischen Parkplatzgesellschaft Ispark, Mehmet Cevik, zwar offen. Die Reaktionen aber kamen prompt. "Das Land reicht nicht, nun kommt das Meer unter den Hammer", schrieb die Oppositionszeitung Sol. Der Chef der Architektenkammer, Eyüp Muhcu, kommentierte kühl, mehr Parkplätze brächten nur mehr und nicht weniger Verkehr.

Tunnel, Brücken, Über- und Unterführungen, innerstädtische Autobahnen - Istanbul baut und baut, aber der Stau bleibt. Dabei entspricht die Autodichte in der Bosporus-Stadt - zumindest auf dem Papier - noch längst nicht der Berlins. 1000 Einwohner Istanbuls teilten sich 2012 (die jüngsten Zahlen) 145 Privatwagen - in der deutschen Hauptstadt waren es fast doppelt so viele. Durch die Stadt, die offiziell 14 Millionen Einwohner hat (aber gewiss ein paar mehr), quälen sich mit den vielen Pendlern täglich rund zwei Millionen Autos, über 5000 Busse, mehr als 6500 Minibusse, 17.000 Taxis (dazu noch ein paar illegale), Schulbusse, Lieferwagen. Nur elf Prozent des Verkehrs entfällt auf die jüngst erst verlängerte U-Bahn. Übers Wasser werden lediglich 2,5 Prozent abgewickelt. Seit wenigen Wochen geht es auch unter dem Bosporus durch, in drei Minuten mit der Schnellbahn Marmaray.

Wassergaragen mit schwimmenden Cafés

Die neue Linie, die erstmals Europa und Asien unter dem Wasser verbindet, hat es auch Ispark-Chef Cecik angetan. An den Marmaray-Stationen kann er sich seine Wassergaragen gut vorstellen, beispielsweise auf ausrangierten Fähren. Cafés könnten die schwimmenden Otoparks zusätzlich attraktiv machen. Neubauten seien natürlich auch möglich, so Cevik.

Die erste Marmaray-Station auf asiatischer Seite ist Üsküdar, am Bosporus-Ufer. Wer dort aus dem Untergrund tritt, dessen Blick fällt auf die europäische Skyline der Stadt, auf historische Paläste, Moscheen und Wolkenkratzer. Eine Schwimmgarage an dieser prominenten Stelle? "Die tägliche Geschmacklosigkeit", so kommentierte eine Istanbuler Kultur-Webseite.

Istanbul, Bosporus

Historische Paläste, Moscheen und bald auch schwimmende Garagen am Bosporus?

(Foto: Bildpixel - pixelio.de)

Abzocke bei Parkplatzsuche

Seit 2005 existiert Ispark. Der städtischen Gesellschaft wird zugutegehalten, dass sie zumindest mit der Istanbuler Parkmafia weitgehend aufgeräumt habe. Die hatte recht raue Methoden, Autofahrer bei der verzweifelten Parkplatzsuche abzuzocken. Wer nicht zahlen wollte für die Lücke am Straßenrand oder der Häuserschlucht, der wurde schon mal gefragt, ob er "Vollkasko versichert" sei. Die Botschaft war klar: Wer nicht zahlt, der hat später Kratzer im Lack oder einen Platten.

Für die ganz Eiligen mit goldener Kreditkarte gibt es seit Neuestem auch ein "Helitaksi". Das Hubschrauber-Taxi verbindet Istanbul mit der 90 Kilometer Luftlinie entfernten Industriestadt Bursa. Nur 25 Minuten one way. Bursa ist übrigens das Zentrum der türkischen Autoproduktion.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: